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Peter Niemeyer, 34, kam 2010 von Werder Bremen zu Hertha BSC und wurde Kapitän der Berliner. Danach wechselte er zu Darmstadt. Im Sommer 2018 lief sein Vertrag beim Zweitligisten aus.

© imago/Jan Huebner

Ex-Herthaner Peter Niemeyer: "Die Erkenntnis, dass es vorbei ist, fiel mir schwer"

Peter Niemeyer wird heute offiziell von Darmstadt 98 verabschiedet, das im DFB-Pokal auf Hertha BSC trifft. Seine Zukunft sieht er in Berlin.

Herr Niemeyer, wo erwischen wir Sie gerade?

Ich komme gerade vom Krafttraining und bin auf dem Weg zu meinen Eltern nach Münster.

Haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt wieder nach Berlin verlegt?

Ich bin viel in Berlin, aber von einem richtigen Lebensmittelpunkt kann ich im Moment gar nicht sprechen. Ich schaue mir viele Sachen an und versuche von allem etwas aufzuschnappen. Ich habe in Malente mit dem Jugend-Elite-Trainerschein angefangen, war Co-Kommentator bei Dazn. Ich war auf Mallorca bei Atletico Baleares, dessen Besitzer ich ganz gut kenne. In Holland war ich bei Twente Enschede und Ajax Amsterdam. Und in England habe ich Bekannte besucht, die dort erfolgreich im Fußball tätig sind.

Haben Sie schon konkrete Pläne für die zweite Karriere?

Ich habe ja einen Anschlussvertrag bei Hertha BSC, worüber ich sehr, sehr glücklich bin. Aber bevor ich da anfange, versuche ich einfach in möglichst viele Themenbereiche reinzuschnuppern und die ganze Bandbreite kennenzulernen. Am Ende will ich die bestmögliche Entscheidung treffen oder zumindest die richtige Richtung für mich identifizieren.

Gibt es schon eine Tendenz?

Mich interessiert mehr das Management als das Traineramt. Aber auch da will ich mich noch nicht zu sehr festlegen. Vielleicht macht es beim Trainerlehrgang irgendwann klick, und ich merke: Das ist total mein Ding. Aber im Moment interessiert mich das Strategische schon mehr.

Wann tritt der Anschlussvertrag mit Hertha in Kraft?

Meine persönliche Situation war im Sommer etwas unübersichtlich, deshalb haben wir den Vertrag mit Hertha um ein Jahr verschoben.

Inwiefern unübersichtlich?

Weil lange zur Debatte stand, dass ich bei Darmstadt 98 bleibe. Das hat leider nicht geklappt. Theoretisch bin ich im Moment vereinslos. Aber in den letzten Wochen habe ich mich immer stärker mit der Karriere danach beschäftigt. Am Dienstag, beim Pokalspiel gegen Hertha BSC, werde ich offiziell von Darmstadt verabschiedet.

Endet die Zeit in Darmstadt mit einem inneren Gefühl der Zufriedenheit?

Wenn Sie mich das im Sommer gefragt hätten, hätte ich es ganz klar verneint. Die Erkenntnis, dass es vorbei ist, fiel mir sehr schwer, auch weil ich keinen richtigen Abschluss hatte. Ich war zwar die ganze Saison über verletzt, trotzdem hatte ich immer das Gefühl, ein Superman-Shirt anzuhaben und bis 40 spielen zu können. Mein Körper hat der Sache einfach ein Ende bereitet. Das ist schon ein komisches Gefühl: eigentlich zu wissen, dass es nicht mehr geht, und trotzdem zu denken: Was die anderen kicken, das kann ich auch.

Sind diese beiden Empfindungen inzwischen einigermaßen im Einklang?

Ich würde am liebsten immer noch spielen. Zuletzt habe ich beim Abschiedsspiel von Per Mertesacker gekickt. Das hat Mega-Bock gemacht, auch wenn es natürlich ein anderes Niveau war. Ich habe 15 Jahre Fußball gespielt, auf höchsten Niveau und mit extrem viel Leidenschaft. Aber ich freue mich jetzt auf die neuen Dinge, die vor mir liegen. Trotzdem: Ich habe es mir einfacher vorgestellt. Manchmal, als ich morgens aufgestanden bin, wusste ich nicht, welchen Wochentag wir gerade haben. Einige haben gesagt: Wow, das ist ja wie Urlaub. Aber für mich war das eher beklemmend.

Hat es Sie überrascht, wie schwierig die neue Situation für Sie ist?

Ja, unfassbar. Ich habe immer von mir gedacht, dass ich reflektiert bin und über den Tellerrand hinausschauen kann. Trotzdem kannst du dich nicht darauf vorbereiten, auf einmal nicht mehr Fußball zu spielen und dadurch auch anders wahrgenommen zu werden. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich über den Fußball profiliert habe. Trotzdem war ich Peter Niemeyer, der Fußballer. Auf einmal aber bist du nur noch der Peter Niemeyer. Gefühlt wirst du ein Stück zurückgestuft in der Gesellschaft. Ich hätte nie gedacht, dass das ein Problem für mich sein würde.

Haben Sie sich mal mit Ex-Profis ausgetauscht?

Mit Clemens Fritz habe ich darüber gesprochen. Im Grunde machen wir alle ähnliche Erfahrungen. Als Fußballer hast du eine Sonderstellung in der Gesellschaft, selbst wenn du es eigentlich gar nicht willst. Du wirst da ja auch reingedrückt. Wenn es dir gut geht, ist es einfach, bescheiden zu sein. Bescheiden zu sein, wenn es dir schlecht geht, das ist sicherlich schwieriger.

Wie sehen Sie Ihrer Verabschiedung an diesem Dienstag entgegen?

Ich freue mich total, vor allem weil Darmstadt gegen Hertha spielt. Ich merke gerade, dass ich alle Vereine, für die ich gespielt habe, durch die Vordertür wieder verlassen habe. Das macht mich stolz. Man kann über meine fußballerische Qualität sicherlich diskutieren. Aber ich hoffe, dass zumindest jeder in Erinnerung behalten hat, dass ich immer hundert Prozent gegeben, mich reingehängt und alles für den Erfolg des Vereins getan habe.

Stecken Sie bei dem Pokalspiel in einem Loyalitätskonflikt?

Gar nicht, weil ich das Spiel ganz neutral sehen kann.

Man hatte bei Ihnen immer das Gefühl, dass Sie in Ihrer Zeit bei Hertha zu einem richtigen Fan des Vereins geworden sind.

Total. Wenn ich etwas mache, dann mit hundert Prozent. Das funktioniert aber nur, wenn du von einer Sache überzeugt bist. Von Hertha war ich so was von überzeugt. Und bin es immer noch. Das ist einfach ein geiler Verein. Aber Darmstadt fand ich auf seine Art auch geil. Wenn Hertha und Darmstadt nicht gerade gegeneinander spielen, bin ich immer für Hertha und Darmstadt. Genau wie auch für Twente oder Werder. Weil ich meine Vereine immer auch mit Leuten in Verbindung bringe, die mir was bedeuten. Mit Leuten, die im Hintergrund arbeiten, wie David de Mel bei Hertha …

… der Physiotherapeut …

… oder Zeugwart Robert Abramczyk. Das ist aber bei Darmstadt genauso. Ich bin von beiden Vereinen Fan, auch wenn das sauwaschlappenmäßig klingt.

Das „Darmstäder Echo“ hat Sie immerhin als „Lilien-Legende“ bezeichnet.

Legende? Ich weiß nicht. Aber ich habe auf jeden Fall eine unheimliche Dankbarkeit gespürt, als ich mit Sandro …

Wagner

… nach Darmstadt gekommen bin: zwei Spieler von der großen Hertha, die zu Darmstadt 98 wechseln. In der vergangenen Saison habe ich gerade vier Spiele gemacht. Und durfte trotzdem nach dem letzten Spieltag zu den Fans auf den Zaun klettern und wurde gefeiert. Ich kann Ihnen gar nicht erklären warum. Vielleicht, weil ich immer so war, wie ich bin. Ich habe einfach versucht, mich mit dem Verein zu identifizieren und den Verein zu leben, so wie ich es mit Hertha auch getan habe.

Haben Sie Hertha in dieser Saison schon mal im Stadion gesehen?

Noch nicht. Aber was da passiert, ist genial. Wobei, noch genialer finde ich, dass die A-Jugend Deutscher Meister geworden ist. Und das mit elf Berliner Jungs in der Startelf. Solche Leistungen sind für mich noch höher einzuschätzen. Genau daraus entsteht so eine Mannschaft, wie wir sie jetzt bei den Profis sehen.

Könnte Darmstadt Hertha trotzdem gefährlich werden?

Darmstadt hat natürlich schon einige Schlachten geschlagen, aber ich glaube, dass Hertha in dieser Phase gewinnen wird. Obwohl: Hertha und Pokal, das ist schon speziell. Im Pokal würde ich nie auf Hertha wetten. Dafür habe ich selbst oft genug in die Röhre geguckt.

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