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Joachim Löw beim Spiel gegen Mexiko

© Ina Fassbender/dpa

DFB-Coach bleibt: Löw macht auf Seehofer

Er hat sich entschieden. Joachim Löw will als Bundestrainer weitermachen. Doch damit er erfolgreich ist, sollte sich einiges ändern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Huch, bis gerade eben schien Joachim Löw noch die Angela Merkel des deutschen Fußballs zu sein. Lange im Amt, immer wieder bestätigt, aber mit dem moderierenden Führungsstil gehörig unter Druck und angesichts der Schwierigkeiten zunehmend ratlos. Auf einmal ist Löw jetzt aber Horst Seehofer. Schon so gut wie zurückgetreten, macht er doch noch weiter.

Genug der Parallelen zwischen Fußball und Politik. So vergleichbar beides ist, so groß sind die Unterschiede. Das zeigte sich etwa auf dem Weg zu dieser Entscheidung, denn Löw bekam vom Deutschen Fußball-Bund auch im Moment des Scheiterns noch ganz altmodisch – oder vielleicht zeitlos schön – das Vertrauen ausgesprochen. Und man kann nur hoffen, dass der Verband das nicht nur deshalb tat, weil der ideale Nachfolger für Löw derzeit nicht in Sichtweite ist.

Die Mannschaft hinterlässt eine emotionale Leerstelle

Die Frage bleibt, ob es auch gut ist, dass Löw weiter eine der populärsten Führungspositionen dieses Landes besetzt, eine stilbildende zumal. Auf größtmöglicher Bühne hatte er gemeinsam mit der Mannschaft in drei WM-Spielen fleißig Gegenargumente gesammelt. Es fehlte so viel, was zu einer starken, turnierreifen Leistung gehört, so viel Inspiration und Geschick und Einsatz.

Eine emotionale Leerstelle mag die Nationalelf durch ihr Ausscheiden bei den deutschen Fans hinterlassen haben – aber sonst? Wer gerade die leidenschaftliche Leistung von Uruguay gesehen hat oder den furiosen Sieg der Belgier gegen Japan, wird die deutsche Mannschaft im Turnier kaum noch vermissen.

Macht der Erfahrungsschatz unbeweglich?

Ein Rücktritt Löws wäre daher nicht nur verständlich gewesen, sondern hätte auch die Möglichkeit einer Neuausrichtung eröffnet. Denn der Bundestrainer gibt nicht nur die Richtung für die Nationalelf vor, an ihm orientieren sich bis hinunter in den Nachwuchs Tausende von Trainern, an seiner Taktik, aber auch an der Art und Weise, wie er die Spieler anspricht.

Löws Erfolge sind eindrucksvoll, nicht nur mit dem Gipfelsturm 2014 bei der WM und dem Jahrhundertspiel gegen Brasilien, sondern auch in der Konstanz. Die allzu menschliche Frage lautet nun: Kann ein Erfahrungsschatz irgendwann so schwer wiegen, dass er die geistige Beweglichkeit einschränkt? Auch weil es nicht allein ums kluge Planen geht, sondern ums blitzschnelle Umstellen der Taktik, wie das erfolgreiche Coachen des belgischen Trainers gezeigt hat.

58 Jahre sind doch heute kein Alter mehr

Vielleicht ist das die Kernfrage, und man darf besonders gespannt sein, ob Löw gerade darauf eine Antwort gibt, im Idealfall die, dass es immer wieder möglich ist, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, trotz eigener Überzeugungen flexibel zu bleiben und Neues zu schaffen. Wo sonst jedenfalls wird das Sinnbild des Aufstehens nach dem Hinfallen so gefeiert wie im Sport? Wo sind die beeindruckendsten Comebacks zu erleben, wenn nicht hier? 58 Jahre gelten einerseits für einen Neuanfang auf dem Arbeitsmarkt als schwierig, andererseits sind 58 Jahre heute doch kein Alter mehr.

Das Marketing-Gedöns muss aufhören

Mit seiner Entscheidung stellt Joachim Löw sich einer völlig neuen Herausforderung. Man könnte auch sagen, er setzt sich ohne Not selbst unter Druck. Löws Neuanfang wird mit der Einstellung beginnen müssen. Die muss so viel mehr sein als Trotz und Pflichterfüllung, bloß weil sein Vertrag bis 2022 läuft. Löw muss selbst derart große Überzeugungskraft ausstrahlen, dass sich die satte Behäbigkeit der Nationalelf wieder in Spielfreude verwandelt. Davon war er, davon war die Mannschaft zuletzt sehr weit entfernt.

Einen Schritt könnte Löw sogar davor schon einmal unternehmen: die Ent-Ökonomisierung seiner Mannschaft. Denn all das Marketing-Gedöns von Teammanager Oliver Bierhoff, all die Twitter- Hashtags, all die aufgeblasenen Botschaften und Inszenierungen sehen ziemlich peinlich aus, wenn einem gegen Südkorea kein Tor gelingt und vor allem nicht die richtige Einstellung. Die Marke der Mannschaft muss ihr Fußballspiel sein. Dafür muss sich Joachim Löw nun einiges einfallen lassen.

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