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Kapitän Dennis Schröder spielt ein überragendes Turnier, konnte die Halbfinalniederlage gegen Spanien aber auch nicht verhindern.

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Deutscher Medaillentraum bei der Basketball-EM: Von Spanien lernen, heißt siegen lernen

Die DBB-Auswahl hat auch nach der bitteren Halbfinalniederlage gegen Vorbild Spanien noch ein Ziel vor Augen. Für die erste Medaille seit 2005 braucht es am Sonntag einen Sieg gegen Polen.

Die deutschen Basketballer schlichen mit hängenden Köpfen vom Parkett der Berliner Arena, als wenige Meter daneben ein Mann im reifen Sportleralter von seinen Teamkollegen immer wieder in die Luft geworfen wurde. Rodolfo Fernandez Farres, in der Basketballwelt nur als Rudy bekannt, war der gefeierte Spanier nach dem knappen 96:91-Erfolg in einem hochklassigen EM-Halbfinale gegen Gastgeber Deutschland.

Auf dem Feld waren andere Spieler dominanter gewesen. Der kurz vor der Europameisterschaft eingebürgerte Lorenzo Brown erzielte 29 Punkte, Usman Garuba zeigte mit sieben Assists erstaunliche Spielmacherqualitäten für einen Mann seiner Größe und die Hernangomez-Brüder waren mal wieder äußerst effizient in der Zone. Doch Fernandez stand im Zentrum der Feierlichkeiten.

Der 37 Jahre alte Mallorquiner ist neben Trainer Sergio Scariolo das letzte Überbleibsel der goldenen spanischen Generation und so etwas wie eine Brücke in die Zukunft. Fernandez ist seit 19 Jahren Nationalspieler, hat zwei WM- und drei EM-Titel gewonnen, dazu Silber und Bronze bei Olympia.

Rudy Fernandez gehört zu den erfolgreichsten Spielern der Basketballgeschichte.

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„Wir haben eine Medaille garantiert. Ich erinnere mich, wie jeder gesagt hat, dass wir im Achtelfinale rausfliegen“, sagte Fernandez mit einer gewissen Genugtuung. Es wird das elfte Mal sein, dass der Routinier von Real Madrid eines der drei großen Turniere auf dem Podium beendet – so überraschend wie in diesem Sommer kam der spanische Erfolg aber vermutlich noch nie.

Ab Mitte der 2000er Jahre hatte Spanien den europäischen Basketball eindrucksvoll dominiert. Mit den Brüdern Pau und Marc Gasol, Juan Carlos Navarro, Ricky Rubio, Jose Manuel Calderon, Sergio Rodriguez und Fernandez verfügte das Team über eine Qualität, die es in dieser Breite abgesehen von Team USA wohl noch nie gegeben hatte.

Bis auf Fernandez und den verletzten Rubio sind sie alle bereits aus der Nationalmannschaft zurückgetreten oder haben ihre Karrieren ganz beendet. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass Trainer Scariolo nach dem Halbfinalerfolg sagte: „Diese Medaille war die, die wir am wenigsten erwartet haben. Aber auch die, die uns am meisten zufriedenstellt.“

Was die individuellen Qualitäten angeht, war das deutsche Team in der Spitze vermutlich besser aufgestellt als die Spanier. Kein einziger Spieler der Iberer hatte in der vergangenen Saison eine tragende Rolle in der NBA und auch in der Euroleague gehören sie nicht zu den herausragenden Akteuren. Dennoch ist es Scariolo gelungen, aus einem unerfahrenen Kader ein echtes Team zu formen, das am Sonntag (20.30 Uhr, Magentasport) im Finale gegen Frankreich gute Chancen auf den Titel hat.

Es scheint fast so, als stecke die spanische Spielkultur und das unerschütterliche Vertrauen in die eigene Stärke nach Jahren der Dominanz tief verwurzelt in der DNA jeder Nationalmannschaft – ganz egal, welche Spieler auf dem Parkett stehen.

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„Ich bin sehr stolz auf das, was wir über Jahre geschaffen haben“, sagte Scariolo und nannte einen Fakt, der die Einzigartigkeit des spanischen Basketballsystems eindrucksvoll illustrierte. „In jedem Wettbewerb, an dem wir in diesem Sommer teilgenommen haben, sind wir ins Finale gekommen.“ Die acht männlichen und weiblichen Nachwuchsteams von der U 16 bis zur U 20, die in den vergangenen Monaten an Europa- oder Weltmeisterschaften teilnahmen, holten drei Mal Gold und fünf Mal Silber.

Genau hier liegt auch der größte Unterschied zum deutschen Basketball. Die A-Nationalmannschaft der Männer klopft mittlerweile an der europäischen Spitze an und zahlreiche Deutsche spielen in der NBA, Kapitän Dennis Schröder und Ausnahmetalent Franz Wagner sogar mehr oder weniger tragende Rollen. Im Nachwuchsbereich und in der Breite ist die Lücke zu Spanien und Basketballnationen wie Litauen trotz deutlicher Fortschritte aber noch sehr groß.

Bundestrainer Gordon Herbert hatte im Vorfeld immer wieder davon gesprochen, dass sein Team Deutschland durch die EM in der Basketballwelt „auf die Landkarte“ bringen wolle. Dass ein erfolgreiches Großereignis nicht reicht, um in einer Randsportart einen Hype auszulösen, ist bereits mehrfach zu beobachten gewesen, doch neuen Schwung hat der deutsche Basketball durch die begeisternden Leistungen des Teams zweifellos bekommen.

Dirk Nowitzki warf das deutsche Team 2005 zum letzten Sieg gegen Spanien und damit zu einer Medaille. Bei dieser EM ist er als Botschafter und TV-Experte tätig.

© imago/Eibner / IMAGO/Eibner-Pressefoto/Uwe Koch

Fast vier Millionen Menschen schalteten am Freitagabend beim Halbfinale auf RTL ein, dazu kommen noch die Zuschauer von Magentasport. Die Hallen in Köln und Berlin waren bei fast allen deutschen Spielen ausverkauft und die Stimmung phasenweise fantastisch. „Ich gratuliere Deutschland zu diesem Turnier“, sagte Scariolo. „Sie haben ein tolles Team und die Atmosphäre ist großartig.“

Der Traum vom ganz großen Wurf mit dem zweiten Europameistertitel nach 1993 zerplatzte am Freitagabend zwar, trotzdem bleibt den Gastgebern noch eine historische Chance. Bisher stehen für den DBB erst drei Medaillen bei großen Turnieren zu Buche, die letzte holte das Team um Superstar Dirk Nowitzki 2005 in Serbien mit Platz zwei – nach einem Sieg über Spanien im Halbfinale.

Die deutschen Spieler wirkten unmittelbar nach der bitteren Niederlage am Freitag schon wieder erstaunlich positiv. „Unser Ziel war es, eine Medaillen zu gewinnen, und das ist immer noch möglich“, sagte Schröder, der in der kommenden NBA-Saison wieder für die LA Lakers auflaufen wird.

Gegen die im Halbfinale gegen Frankreich chancenlosen Polen ist das deutsche Team im Spiel um Platz drei am Sonntag (17.15 Uhr, Magentasport und RTL) klarer Favorit. Als Trostpreis will Schröder das kleine Finale keinesfall verstanden wissen. „Mit Platz drei würden wir Geschichte schreiben. Wer da keine Motivation hat, sollte nicht hier sein.“

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