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So sehen Siegerinnen aus: Gina Lückenkemper jubelt nach ihrem EM-Gold.

© Sven Hoppe/dpa

Deutsche Sprinterin gewinnt EM-Gold: Gina Lückenkemper und der Pep-Talk ihres Lebens

Lückenkemper bedankt sich nach dem Sieg über 100 Meter bei ihrem Trainer. Brauman kennt alle Tricks, gilt als Koryphäe – allerdings mit dunkler Vergangenheit.

Lance Brauman hat auf seinem Instagram-Kanal ein – zumindest für die deutsche Leichtathletik – sporthistorisches Bild gepostet. Es zeigt das Foto-Finish des 100-Sprints der Frauen bei den diesjährigen Europameisterschaften in München. Und erst nach mehrmaligem Betrachten des Bildes ist mit Hilfe eingezeichneter Linien zu erkennen: Die Siegerin ist die Frau ganz unten auf dem Foto, die ihre Brust am weitesten nach vorne streckt: Gina Lückenkemper.

In 10,99 Sekunden stürmte die Deutsche am sehr späten Dienstagabend zur Goldmedaille, zeitgleich mit der Schweizerin Mujinga Kambundji und nur eine Hundertstelsekunde vor der Britin Neita Daryll. Die große Favoritin Dina Asher-Smith musste verletzungsbedingt aufgeben.

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Offensichtlich hat Lance Brauman wesentlichen Anteil daran, dass Lückenkemper diese Winzigkeit vor den anderen lag. Der US-Amerikaner ist seit einigen Jahren der Trainer der deutschen Sprinterin. Lückenkemper hatte schon im Halbfinale mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen. Sie habe nicht gewusst, ob sie überhaupt starten könne, erzählte sie. „Aber mein Trainer Lance Brauman hat mir vor dem Finallauf den Pep-Talk meines Lebens gegeben.“ Welche Worte Brauman zur Motivationshilfe wählte, war zunächst nicht zu erfahren.

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Lückenkemper war nach dem Sieg noch gut beschäftigt, mit dem Jubeln, aber auch mit einer Schnittwunde, die sie sich direkt bei einem Sturz nach dem Zieleinlauf zugezogen hatte. Die 25-Jährige stürzte zu Boden, fiel dabei auf ihren Spike-Schuh und zog sich vermutlich dadurch eine Risswunde im Oberschenkel zu. Diese musste noch in der Nacht in einem Krankenhaus genäht werden.

Lückenkemper wehrte sich gegen Kritik an Leichtathleten

„Mission Händchenhalten war erfolgreich“, schrieb sie bei Instagram. „Darf wieder zurück ins Hotel.“ Am heutigen Mittwoch um 18.25 Uhr, das teilte sie schon einmal mit, werde sie wieder im Olympiastadion sein – zur Medaillenvergabe.

Mehr ins Ziel gehechtet als gesprintet: Gina Lückenkemper (rechts vorne).
Mehr ins Ziel gehechtet als gesprintet: Gina Lückenkemper (rechts vorne).

© Imago Images/Philippe Ruiz

Was war im Vorfeld nicht alles geredet worden über Gina Lückenkemper. Sie hatte sich lautstark gegen die Kritik an den deutschen Leichtathletinnen und Leichtathleten gewehrt, Defizite des Fördersystems hierzulande angesprochen, woraufhin sie angegangen wurde. Im Tagesspiegel-Interview etwa von der ehemaligen Olympiasiegerin Ulrike Nasse-Meyfarth.

Lückenkemper ist eine der wenigen deutschen Leichtathletinnen mit Strahlkraft über die Grenzen hierzulande hinaus. Auch deswegen kann sie es sich leisten, von Brauman angeleitet zu werden. In dessen Trainingscamp in Clermont im US-Bundesstaat Florida befinden sich Top-Sprinter wie Shaunae Miller-Uibo oder der schillernde Olympiasieger Noah Lyles, die sich beide unter den 40.000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion befanden.

Unter Trainer Brauman kam Lückenkemper wieder in Schwung

Brauman gilt als Trainer-Koryphäe mit sehr ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Dieses gibt er auch an seine Athleten weiter. Er gehe fest davon aus, dass Lückenkemper in diesem Jahr eine neue persönliche Bestzeit laufen werde, teilte er dem Tagesspiegel vor zwei Monaten mit (diese beträgt 10,95 Sekunden). Man arbeite weiter an ihrem Start und sei mit den Fortschritten schon sehr zufrieden.

Einige Beobachter hatten Lückenkemper schon abgeschrieben. Sie hat schwierige Jahre hinter sich, wurde von Verletzungen zurückgeworfen. Ein Wirbel saß schief, Muskelverletzungen folgten und die Corona-Pandemie erschwerte ihren geplanten Neustart bei Braumans Trainingsgruppe. In der Folge blieb Lückenkemper weit hinter ihren Bestzeiten zurück.

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Aber mit Coach Brauman kam sie wieder in Schwung. Brauman lässt weniger, dafür härter trainieren, als das in Europa und speziell in Deutschland der Fall ist. Er könne das Trainingssystem in Deutschland nicht genau beurteilen, sagt er. „Aber was ich von den Leuten so höre, ist unser Trainingsprogramm vergleichsweise ziemlich intensiv.“

2006 verbüßte Braumann eine zehnmonatige Haftstrafe

Nun genießt Brauman in der Leichtathletik-Szene einen guten Leumund. Doch seine Vergangenheit ist alles andere als skandalfrei. 2006 musste er eine zehnmonatige Haftstrafe im US-Bundesstaat Texas absitzen, weil er talentierten Sportlern am College illegale Stipendien verschaffte. Zu jener Zeit war Brauman Coach von Tyson Gay, der damals größten Sprinthoffnung der Welt.

2013 wurde Gay wegen Dopings gesperrt. Brauman wollte von den Betrügereien seines Schützlings nichts gewusst haben. Auch Gay beteuerte, dass Brauman nicht in die Dopingpläne eingeweiht gewesen sei.

Der US-Leichtathletik-Coach Lance Brauman – hier im Jahr 2010.
Der US-Leichtathletik-Coach Lance Brauman – hier im Jahr 2010.

© imago images/Belga/Jörg Dirk

Lance Brauman hat es jedenfalls geschafft, Gina Lückenkemper wieder Beine zu machen. Das Sprintrennen der Frauen bei dieser EM war so dramatisch wie der ganze Abend. Lückenkemper lag nach dem Start – wie man es von ihr kennt – zurück. Mujinga Kambundji sah schon wie die sichere Siegerin aus, aber auf den letzten Metern kam mit aller Gewalt Lückenkemper auf und schmiss sich energisch ins Ziel.

Die Schweizerin Kambundji erwies sich später als tapfere Verliererin. Als sie das Stadion verließ, versuchten sie Schweizer Fans mit lautem Kuhglocken-Gebimmel zu trösten. „Es ist hart, so knapp zu verlieren“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Aber ich gönne das Gina bei ihrer Heim-EM.“

Das taten auch die vielen Zuschauerinnen und Zuschauer im Olympiastadion. Der Stadion-Evergreen „Oh, wie ist das schön“ schallte durch das Rund. „Das Stadion ist heute der absolute Wahnsinn. Ich bin Euch so unfassbar dankbar“, rief Lückenkemper den Fans zu. Und die waren ihr sehr dankbar für einen zauberhaften Abend.

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