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Wenn gar nichts geht, dann geht wenigstens ein Spiel.

© Wiedersich

Radkolumne „Abgefahren“: Der Winter ist die Zeit der Ausreden für Fahrradfahrer

Unser Kolumnist lässt sein Rad im Winter auch schon mal stehen. Dann ist Kreativität gefragt. Doch die Alternativen sind nicht wirklich prickelnd.

Michael Wiedersich ist Sportjournalist und Radsporttrainer. Hier schreibt er im Wechsel mit Läuferin Jeannette Hagen.

Der Winter naht und mit viel Fantasie rieselten in den letzten Tagen sogar schon Schneeflocken vom Himmel. Für viele Radsport-Enthusiasten beginnt nun die schwerste Zeit des Jahres: die Zeit der Ausreden. Denn draußen bei Nieselregen, leichtem Schneegriesel und kaltem Gegenwind sitzt niemand wirklich gerne länger auf seinem Rad.

Ganz abgesehen davon ist es dunkel, wenn man nach getaner Arbeit eine Runde drehen wollen würde. Die schweißtreibende Variante im Keller auf dem Rollentrainer fordert ein gewisses Maß an Investition und anschließender Motivation. Und das Alternativprogramm mit Stabilisationsübungen, Yoga, Krafttraining oder Ausgleichssportarten haut auch nicht jeden vom Hocker, noch dazu, wenn das Lieblings-Sportstudio coronabedingt derzeit geschlossen ist.

Um dem Sport auch über die Wintermonate verbunden zu bleiben, muss die Überbrückung der dunklen Jahreszeit subtiler angegangen werden. Zum Beispiel mit dem radfahreraffinen Brettspiel „Um Reifenbreite“.

Vor über 25 Jahren bekam ich dieses Spiel zu Weihnachten geschenkt. Die Spielregeln sind relativ einfach und eignen sich sogar dazu, das Windschattenfahren zu erklären. Als Teamchef muss man seine vier Fahrer möglichst gut platziert mit Würfeln und Ereigniskarten über den Spielplan ins Ziel bringen.

Auf dem Rad ist unser Kolumnist erfolgreicher als auf dem Brett

Wie im wirklichen Rennfahrer-Leben bremsen einen dabei Reifenschäden, nasser Asphalt und Stürze aus. Oder ein Fahrer kommt zusätzliche Felder voran, weil der Sturzhelm leicht und locker sitzt und der Trainingszustand gut ist. Wer am Ende die meisten Punkte für seine platzierten Fahrer erreicht hat, ist der Sieger.

Und Sieger gab es im Laufe der Jahre sehr viele bei diesem Spiel. Die eigenen Erfolge in dieser Sache kann ich an einer Hand abzählen, sehr zu meinem Leidwesen. Irgendwann ist mir die Lust an diesem Spiel vergangen und es landete in einer Kiste im Keller.

Als mir der Spielkarton neulich beim Aufräumen wieder in die Hände fiel, sah ich die Chance gekommen, meine Bilanz aufzubessern. Das Wetter erfüllte alle Kriterien, auf keinen Fall aufs Rad zu steigen. Noch nicht mal ein Cyclocross-Rennen wurde per Livestream übertragen. Was lag da näher, als sich spielerisch mit dem Thema Radfahren zu beschäftigen. Die Kulturbeauftragte des Hauses war schnell überredet.

Anfangs sah es auch nach einem Start-Ziel-Sieg für mich aus. Als gewiefter Taktiker manövrierte ich geschickt mein Vierer-Team über das Spielfeld. Dann kippte die Partie.

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Offensichtlich scheint das Würfel- und Kartenglück einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Ausgang zu haben. Anders lässt sich die am Ende doch wieder deutliche Niederlage nicht erklären. Als das nachfolgende Revanche-Spiel ebenfalls mit der aus meiner Sicht falschen Siegerin endete, packte ich es sorgfältig wieder in die Kiste im Keller.

Eine Anmerkung noch zum Schluss. Obwohl das Spiel als Kopfsteinpflaster-Klassiker, Berg-Rennen oder Etappenfahrt gespielt wird, auf die eigene radsportliche Formkurve hat das alles leider keinen Einfluss. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als bei Nieselregen, leichtem Schneegriesel und kaltem Gegenwind doch wieder aufs Rad zu steigen und loszufahren.

Michael Wiedersich

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