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Kurz schienen die Winterspiele 2022 in Peking infrage gestellt, doch die amerikanische Regierung erwägt keinen Boykott.

© Kyodo/dpa

WM, Olympische Spiele und Gendersternchen: Der Sport sollte sein Paralleluniversum schnell verlassen

Der Profisport bleibt hinter dem modernen gesellschaftlichen Diskurs zurück. Das zeigt sich bei der Vergabe von Veranstaltungen, aber auch im Kleinen.

Kurzzeitig schienen die Winterspiele 2022 von Peking vergangene Woche infrage gestellt. Ein Sprecher des amerikanischen Außenministeriums hatte angedeutet, die USA würden wegen der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren einen Boykott für möglich halten. Kurze Zeit später stellte dieselbe amerikanische Regierung klar: Nein, man erwäge keinen Boykott. Die Zeit reichte gerade, damit China empört reagieren konnte und Sportfunktionäre zusammenzuckten.

In der Sportwelt war die Erleichterung groß. Schließlich hat man schon genug Ärger mit den geplanten Hochglanzveranstaltungen angesichts der Sommerspiele in Tokio, von denen inmitten der Corona-Pandemie keiner so recht weiß, wie sie ablaufen werden und angesichts des Gezerres um die Fußballweltmeisterschaft in Katar im kommenden Jahr. Weitere weltpolitische Verwicklungen sind da nicht willkommen.

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Dass Peking und Katar zur Disposition gestellt werden (oder es zumindest plausibel erscheint, dass Staaten wie die USA es tun könnten) liegt aber nicht an einer überempfindlichen Politik. Schuld ist der Profisport selbst. Er hat sich eine archaische Parallelwelt gebaut.

Angefangen hat das, als das Internationale Olympische Komitee und der Fußball-Weltverband Fifa aus organisatorischer Not und finanzieller Gier ihre Großveranstaltungen in Länder vergaben, die in Fragen der Menschenrechte die Ansprüche der westlichen Welt nicht erfüllen. Protest gab es deshalb nicht. Alle waren zufrieden.

Hinter dem modernen gesellschaftlichen Diskurs

Nach der Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar änderte sich das. Es gab Berichte über Tausende Tote bei den Bauarbeiten für die benötigten Stadien. Das zog Proteste nach sich, etwa die der deutschen Nationalspieler. Sie pinselten „Human Rights“ auf ihre Trikots, Konsequenzen hatte auch das nicht.

Karl-Heinz Rummenigge, der Aufsichtsratsvorsitzende von Bayern München, sprach noch vor ein paar Wochen unlängst davon, dass in Katar eben „eine andere Kultur“ gegeben sei.

Das Problem ist, dass diese „andere Kultur“ vielen Großsportfunktionären zu liegen scheint: eine „alte“ Welt, unmodern und hart, in der die Stärkeren sich durchsetzen. Im Grunde ist der Profisport in seinem Denken und in seinen Strukturen genauso. Er ist hinter dem modernen gesellschaftlichen Diskurs zurückgeblieben. Das zeigt sich nicht nur im Großen bei der Vergabe von Veranstaltungen an autoritäre Staaten wie Katar oder China.

Es zeigt sich auch im Kleinen, wenn die Gesellschaft mehr denn je über Gleichstellung und Gendersternchen debattiert, im Paralleluniversum Sport aber weiter das Naturgesetz gelten soll, dass die Bundesliga männlich sei und Frauenfußball eine Unterart mit eigener Liga.

Ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft

Alte Strukturen werden im professionellen Sport viel zu oft so wenig infrage gestellt, dass es nicht verwundert, wenn dessen Vertreter sich jedes Mal wieder unvorbereitet getroffen sehen, wenn ihnen gesellschaftliche Gewissenlosigkeit vorgeworfen wird. Gute Argumente haben sie schon lange nicht mehr. Die guten Argumente haben die anderen.

Der Sport sollte sein Paralleluniversum so schnell wie möglich verlassen und in der Gegenwart ankommen, wenn er nicht als gesellschaftliche Größe aus dem Spiel fliegen will. Noch wäre genug Zeit, um die kommenden Großveranstaltungen zu verlegen. Es wäre ein erster Schritt zurück in die Gesellschaft. Leider ist kaum zu erwarten, dass das dafür nötige Umdenken so schnell in Gang kommt.

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