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Xenia Smits (Mitte) und die deutsche Mannschaft zitterten sich in die Hauptrunde.

© Stanko Gruden/Imago

Deutsche Handballerinnen bei der EM: „Der Nationalmannschaft fehlen Typen, die vorangehen“

Spreefüxxe-Trainerin und Ex-Nationalspielerin Susann Müller über das deutsche Handball-Team bei der EM und ihre hohen Ziele mit den Berlinerinnen.

Susann Müller, 32, hat für Deutschland 97 Länderspiele bestritten. 2013 wurde sie Handballerin des Jahres. Seit 2019 ist sie Trainerin des Berliner Zweitligisten Spreefüxxe.

Frau Müller, die deutsche Handball-Nationalmannschaft der Frauen ist am Montag knapp in die Hauptrunde der EM eingezogen – mit einem Unentschieden gegen Polen. Wie bewerten Sie den Spielausgang?
Leider konnte ich nicht das ganze Spiel verfolgen, da wir selbst trainiert haben. Aber ich habe den Anfang gesehen und mich später eingelesen. Ich bin nicht mehr so nah dran an der Mannschaft und natürlich ist es schwierig mit der ganzen Corona-Situation, aber man hätte sich mehr erhoffen können. Bei Gegner Polen haben drei Leistungsträgerinnen gefehlt und da hätte man sich besser präsentieren müssen – vor allem nach so einem Spiel wie gegen Norwegen.
Das sehr enttäuschend mit einer historischen 23:42-Niederlage endete.
Ja, es muss eine Antwort aus der Mannschaft kommen und wenn man Anschluss an die Weltspitze kriegen will, dann müssen auch solche Spiele besser gestaltet werden.

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Wie erklären Sie sich diese deutliche Pleite gegen den EM-Mitfavoriten Norwegen im zweiten Gruppenspiel?
Das ist schwer zu sagen. Ich finde, der deutschen Mannschaft fehlen Typen, also Spielerinnen, die vorangehen, präsent sind und das Spiel in die Hand nehmen, wenn es darauf ankommt. Die Mannschaft wirkt nicht wie eine Einheit und es ist mir persönlich zu viel Individualität. Jede Spielerin denkt mehr über sich selbst und ihre Fehler nach als das Ganze zu sehen.
Wie schätzen Sie die Chancen auf einen Halbfinal-Einzug ein?
Man kann mit Glück natürlich viel erreichen, aber wenn man von den Leistungen bisher ausgeht, ist das Halbfinale weit weg. Immerhin gehen sie mit zwei Punkten in die Hauptrunde, aber es wird nicht einfacher und ich denke, es muss noch viel passieren, damit die Mannschaft ins Halbfinale kommt. Da gehört harte Arbeit dazu und es muss mehr von Spielerinnen kommen, die bisher wenig präsent waren.
Sie selbst haben 97 Spiele in der Nationalmannschaft absolviert. Vermissen Sie diese Zeit manchmal?
Für die Nationalmannschaft zu spielen ist immer etwas Besonderes – auch wenn das Erlebnis unter Corona-Bedingungen sehr anders ist. Ich selbst habe viele gute und schlechte Erinnerungen und hatte es in Deutschland nicht immer leicht. Ich bin oft angeeckt und habe mich zum Teil falsch verstanden oder ungerecht behandelt gefühlt. Aber die Zeit ist vorbei, ich habe da einen Haken gemacht und mir eine neue Aufgabe gesucht. Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich diesen Weg mal gehen würde, aber ich bin sehr froh darüber.

Susann Müller hat eine bewegte Spielerkarriere hinter sich und als Trainerin noch viel vor.

© Spreefüxxe

Mittlerweile sind Sie seit über einem Jahr Trainerin beim Zweitligisten Spreefüxxe. Was gefällt besonders an Ihrer Arbeit in Berlin?
Ich bin da mehr aus Zufall reingerutscht, aber mir gefällt es sehr: Ich kann meine Ideen einbringen, Strategien entwickeln und miterleben, wie die Mädels sich weiterentwickeln. Es macht mir total Spaß, meine Erfahrungen und mein Wissen weiterzugeben. Das hätte ich nie gedacht.
Ende November musste Ihre Mannschaft aufgrund eines positiven Corona-Tests im Mannschaftsumfeld in Quarantäne. Wie hat sich das auf die Vorbereitung und das Training ausgewirkt?
Es war klar, dass das irgendwann passieren wird, denn andere Mannschaften hat es genauso betroffen. Optimal ist das natürlich nicht, aber ich denke, wir sind trotzdem alle froh, dass wir überhaupt spielen dürfen. Das ist angesichts der Tatsache, dass der Breitensport gar nicht trainieren darf, keine Selbstverständlichkeit und man muss das Beste daraus machen.
Inwiefern hat sich die Coronakrise sonst auf den Verein ausgewirkt?
Es ist natürlich immer schöner vor Zuschauern zu spielen, weil es sonst diesen Trainingscharakter hat und der Push von den Zuschauerrängen fehlt. Wir sind aber ansonsten noch ganz gut weggekommen, da wir aufgrund unseres leider recht kleinen Publikums nicht wirklich abhängig von Zuschauereinnahmen sind. Unsere Sponsoren sind uns zum Glück treu geblieben, das finde ich toll.
Was erhoffen Sie sich von dem Rest der Saison, vor allem im Hinblick auf die anstehenden Spiele der Spreefüxxe Anfang nächsten Jahres?
Wenn alles gut läuft, würde ich gern da bleiben, wo wir jetzt sind – also auf Platz eins. Wir haben im Januar drei sehr wichtige Spiele, bei denen ich denke, dass das ein Wink sein wird, wo es zukünftig hingeht. Ich bin aber auch vorsichtig, denn man weiß nicht, wie sich das mit Corona weiterentwickelt und eine Prognose zu stellen ist in diesem Jahr sehr schwierig.

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