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Lieber nicht hinschauen. Lucas Tousart war nach dem späten Ausgleich der Mainzer sichtlich frustriert.

© Foto: IMAGO/Matthias Koch

„Das ist dumm“: Hertha BSC lässt in Mainz zwei Punkte liegen

Beim Auswärtsspiel gegen Mainz 05 verliert Hertha BSC nach der Pause die Linie. In der Nachspielzeit kassieren die Berliner den Ausgleich zum 1:1.

Als sich der letzte Angriff der Mainzer anbahnte, ahnte Jean-Paul Boetius, der frühere Mainzer, dass er keine Chance mehr haben würde. Instinktiv nahm der Mittelfeldspieler von Hertha BSC, eine Abwehrhaltung ein. Er machte sich klein und nahm den Kopf zwischen die Schultern.

Der Mainzer Danny da Costa näherte sich von der Seite, er legte den Arm um Boetius, schaute ihn eindringlich an. Dann fingen beide an zu lachen.

Als sich der letzte Angriff der Mainzer auf dem Feld angebahnt hatte, saß Marc Kempf, der Innenverteidiger von Hertha BSC, bereits draußen. Gleich zu Beginn des Spiels hatte er sich bei einer Abwehraktion am Sprunggelenk verletzt, in der Pause wurde er ausgewechselt.

Ob es mit ihm in der letzten Aktion des Spiels anders verlaufen wäre und Hertha das Mainzer Stadion als Sieger verlassen hätte, das ist natürlich Spekulation. Aber Kempf ist in den vergangenen Wochen zu einem stabilen Faktor in Herthas Viererkette geworden.

Auch in Mainz war er wieder „sehr robust in den Zweikämpfen, in den Luftduellen sehr aktiv und sehr konsequent“, wie Sandro Schwarz, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten, später feststellte.

Robust, konsequent, aktiv: Vieles von dem hatte Hertha in der zweiten Hälfte gefehlt.

Und so kam es, wie es aus Berliner Sicht nicht hätte kommen dürfen: Dreißig Sekunden vor Ablauf der vierminütigen Nachspielzeit traf der eingewechselte Anthony Caci zum 1:1 (0:1)-Endstand, weil der Mainzer an Herthas Fünfmeterraum recht unbehelligt zum Schuss gekommen war.

„Das ist ein Stück weit Angst“

„Das ist ein Stück weit Angst, das Tor zu kassieren“, sagte Kempf. „Von uns standen gefühlt sieben Spieler vor der Torlinie, aber wir decken den Raum nicht mehr genug ab.“

Es hatte sich angedeutet, die ganze zweite Hälfte hindurch, in der Hertha immer mehr die Kontrolle über das Spiel eingebüßt hatte. „Wir haben uns hinten reindrängen lassen und nicht mehr so die Meter nach vorne gesucht und gemacht. Das hat die Mainzer aufgebaut“, sagte Marvin Plattenhardt, der Kapitän der Berliner.

Fußballerisch bewegte sich die Veranstaltung im Mainzer Stadtteil Bretzenheim am Rande der ästhetischen Zumutung. Viele Zweikämpfe, viele Ballverluste, wenig Fluss. Aber das konnte den Gästen aus Berlin spätestens nach dem Führungstreffer durch Lucas Tousart herzlich egal sein.

Hertha hielt die Mainzer effizient von ihrem Tor fern, geriet defensiv kaum einmal in Not. Zumindest vor der Pause war das so. „In der ersten Halbzeit haben wir oft die Ruhe behalten, ruhig aufgebaut“, sagte Boetius. „In der zweiten Halbzeit gar nicht mehr. Das ist dumm.“

Trainer Schwarz sah, dass sein Team in der zweiten Hälfte immer größere Probleme bekam, „weil wir uns auf den Ringkampf eingelassen haben“. Hertha ließ sich vom einfachen Spiel der Mainzer mit vielen langen Schlägen und intensiven Duellen um die zweiten Bälle mitreißen, geriet vor allem in der Schlussphase in der immer hitzigeren Atmosphäre zunehmend unter Druck.

Hertha ließ sich das Spiel der Mainzer aufzwingen

„Ich weiß natürlich, dass das Mainz ein bisschen mehr Kraft gibt“, sagte der Ex-Mainzer Boetius über die Stimmung im Stadion. „Aber am Ende sind wir verantwortlich, dass wir noch das Gegentor kassieren.“

Warum das so war? Warum Hertha die Linie verlor? „Keine Ahnung. Wirklich“, antwortete Boetius. „Wir müssen es miteinander auf dem Platz regeln. Das haben wir nicht geschafft“, sagte er. „Wir müssen unser Spiel spielen, uns auf unsere Taktik fokussieren. Wenn jeder eine andere Idee hat, dann geht es schief.“

Sie wollen ja, aber sie können nicht immer, wie sie wollen. Das ist ein bisschen das Thema bei Hertha BSC in dieser Phase der Saison. „Die Art, wie wir Fußball spielen wollen, die sieht man. Das ist wichtig“, sagte Trainer Schwarz. Aber es gibt eben auch immer wieder Phasen, in denen die Mannschaft ihre Linie verliert.

Nach dem 1:1 in Mainz ist Hertha seit inzwischen drei Spielen unbesiegt. Einerseits. Andererseits haben die Berliner von den acht Pflichtspielen dieser Saison nur ein einziges gewonnen. Der Punkteschnitt in der Liga liegt damit immer noch unter eins.

„Wenn du in der letzten Aktion des Spiels das Gegentor kassierst, fühlt sich das natürlich scheiße an“, sagte Marvin Plattenhardt. „Das darf so auch nicht passieren.“

So fehlten am Ende wieder zwei Punkte. Wie eine Woche zuvor aus dem Heimspiel gegen Leverkusen, als sich Hertha kurz vor Schluss um einen Elfmeter und damit um womöglich zwei weitere Punkte betrogen fühlte. „Hätten wir diese Punkte gehabt, wäre es natürlich überragend“, sagte Herthas Kapitän.

Aber sie haben sie nicht, und so bleibt die Situation für die Berliner erst einmal prekär. Das große Ganze sollte man bei allen positiven Entwicklungen nicht völlig aus dem Blick verlieren. Findet zumindest Marc Kempf: „Wenn dir das zu oft passiert, fehlen dir am Ende ganz wichtige Punkte.“

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