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Licht und Schatten. Dieter Hecking (vorne) hat am Montag von Max Eberl erfahren, dass er im Sommer seinen Job los ist.

© dpa

Dieter Hecking und Borussia Mönchengladbach: Das Ende keiner Liebesheirat

Dieter Hecking muss Borussia Mönchengladbach nach der Saison verlassen. Das kommt überraschend, ist aber eine verständliche Entscheidung. Eine Analyse.

Max Eberl ist für seine Arbeit als Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach oft und ausgiebig gelobt worden. Er hat in dieser Funktion ganz sicher einiges richtig gemacht. Die wichtigste Phase für ihn und seinen Werdegang war aber vermutlich die, in der Eberl und der Klub Borussia Mönchengladbach am Abgrund wandelten. Etwas mehr als acht Jahre ist das her: Die Mannschaft schien dem Abstieg geweiht, Eberl galt seinen zahlreichen Kritikern wahlweise als Nichtskönner oder als absolute Fehlbesetzung.

Der Zorn des Publikums entzündete sich unter anderem an seinem Umgang mit Michael Frontzeck, dem damaligen Trainer der Gladbacher. Die Ergebnisse sprachen längst nicht mehr für Frontzeck – und trotzdem hielt Borussias Sportdirektor scheinbar unbeirrt an ihm fest. Weil er glaubte, dass Kontinuität auf der Trainerposition wichtig und wertvoll sei. Eberl wurde für dieses Beharrungsvermögen heftig attackiert. Unter anderem wurden ihm private Interessen unterstellt: Seine und Frontzecks Frau seien schließlich dicke Freundinnen (was gar nicht stimmte).

Richtig ist, dass Eberl sich mit Frontzeck sehr gut verstanden hat, dass er die Zusammenarbeit mit ihm als durchaus angenehm und unkompliziert empfunden hat. So wie er sich auch mit Dieter Hecking sehr gut versteht und die Zusammenarbeit mit ihm als angenehm und unkompliziert empfindet. Als beide am späten Dienstagnachmittag vor der Presse saßen und sich gegenseitig ihre Wertschätzung versicherten, war das keineswegs eine Schmierenkomödie, die allein für die Öffentlichkeit inszeniert wurde. Der gegenseitige Umgang war von Respekt und Fairness geprägt. Und trotzdem hat Eberl nun die Entscheidung getroffen, Hecking zum Saisonende zu entlassen – obwohl er dessen Vertrag erst im November um ein Jahr verlängert hat. So wie er bei Frontzeck scheinbar zu spät gehandelt hat, so tut er es jetzt scheinbar zu früh.

Kontinuität ist kein Selbstzweck

Kontinuität ist gut, aber sie ist kein Selbstzweck – das ist es, was Eberl vor acht Jahren gelernt hat, als er viel zu lange an Frontzeck festhielt und dessen Nachfolger Lucien Favre die Mannschaft erst auf den letzten Drücker überhaupt noch vor dem Abstieg bewahren konnte. Die Entscheidung gegen Hecking kommt ein wenig überraschend, aber sie ist nicht aus der Emotion der vergangenen Wochen mit nur einem Sieg aus den jüngsten sieben Spielen gefallen und erst recht nicht aus der Enttäuschung über die peinliche 1:3-Niederlage am vergangenen Wochenende in Düsseldorf. Sie ist – so zumindest hat es Eberl dargestellt – das Ergebnis eines intensiven Denkprozesses. Wenn man sich noch einmal daran erinnert, wie lange Borussias Sportdirektor die Vertragsverlängerung mit Hecking seit dem vergangenen Frühjahr vor sich hergeschoben hat, ist es schwer, ihn der Lüge zu bezichtigen. Viel länger konnte Eberl gar nicht warten, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, er vertraue Hecking wohl nicht mehr.

„Dieter hat uns wieder Halt gegeben“, hat Eberl bei der Verkündung des bevorstehenden Abschieds gesagt. Als er Hecking vor etwas mehr als zwei Jahren verpflichtete, ging es darum, den Klub, der gerade noch in der Champions League gespielt hatte, vor dem Absturz in die Zweite Liga zu bewahren. Hecking erledigte diesen Job souverän und unaufgeregt, so, wie es seine Art ist. Und nach einem eher zähen zweiten Jahr hat er es geschafft, sich in dieser Saison noch einmal ein Stück weit neu zu erfinden. Bis auf Platz zwei führte er die Mannschaft. Dort stand sie noch Anfang Februar – seitdem aber findet sie keinen Halt mehr.

Der Zauber von Lucien Favre wirkt immer noch

Dass Eberl Hecking nun das Vertrauen entzieht, mag überstürzt erscheinen. Man muss allerdings dazu wissen, dass die Liaison keine Liebesheirat war, dass es vor allem um die Bewältigung des Alltags ging. Dazu stand der Klub bei Heckings Verpflichtung noch zu sehr unter dem Einfluss von Lucien Favre. Im Grunde tut er das immer noch. Favres Zauber wirkt bis heute. Ohne den Schweizer wäre die Borussia nicht das, was sie aktuell ist. Und so einen wie Favre, den wünschen sich nicht nur die Fans, den wünscht sich auch Eberl. Einen Trainer, der sowohl die einzelnen Spieler als auch die gesamte Mannschaft besser macht, der für eine klare Idee steht und dann gerne auch ein bisschen verrückt sein darf. Verrückt war und ist Dieter Hecking ganz sicher nicht.

Eberl hat seine Entscheidung gegen Hecking mit dem Wunsch begründet, den Klub strategisch neu aufzustellen. Das konnte er nicht, als er im Sommer 2015 nach dem fünften Spieltag quasi über Nacht einen Nachfolger für Lucien Favre finden musste. Das konnte er auch eineinviertel Jahre später nicht, als er nach der Hinrunde einen Nachfolger für Favres Nachfolger finden musste. Die Entscheidung reduzierte sich in beiden Fällen vor allem auf das Kriterium: Wer ist überhaupt verfügbar? Die Chance, einen möglichen Wunschkandidaten zu bekommen, ist zu Beginn einer Saison naturgemäß deutlich größer als mitten in einer Spielzeit. Auch deshalb ist Eberls Entscheidung, die Zusammenarbeit mit Dieter Hecking zu beenden, nur folgerichtig.

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