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Flinkes Trio. Dennis Jastrzembski (links) und Mathew Leckie rahmen Ondrej Duda, der in der Vorbereitung glänzte.

© Foto: Tim Rehbein/dpa

Bundesliga-Saisonvorschau (8): Hertha BSC: Trainierte Variabilität

Pal Dardai hat das taktische Portfolio von Hertha erweitert. Bisher haben die Berliner drei neue Profis verpflichtet – eine Verstärkung für die Spielgestaltung fehlt aber.

Am 24. August startet die Fußball-Bundesliga in die neue Saison. In unserer Serie testen wir die Vereine. Heute Teil 9:  Hertha BSC.

Was hat sich verbessert?

Wenn alles halbwegs nach Plan läuft: die Variabilität der Mannschaft. In die beiden Trainingslagern in Neuruppin und Schladming ist Herthas Stab mit dem Ziel gegangen, das taktische Portfolio zu erweitern. Das bewährte 4-2-3-1 ist künftig nicht mehr in Stein gemeißelt. Ziel ist es, innerhalb eines Spiels mit derselben Elf von einem aufs andere System wechseln zu können“, sagt Rainer Widmayer, Herthas Co-Trainer und Taktik-Beauftragter. „Niemand soll mehr sagen können: Ach, das ist Hertha BSC, die kennen wir, die spielen so und so.“

Allerdings ist die praktische Umsetzung dieser Idee auch mit einem gewissen Risiko verbunden. „Wir werden das nicht von heute auf morgen stabil hinbekommen, das muss jedem klar sein“, sagt Widmayer. Andererseits klingt das neue System mit zwei echten Stürmern wie ein Versprechen nach offensiverem und attraktiverem Fußball. Bei einem Blick auf den Zuschauerschnitt der Saison 2017/18 (41 000 im Vergleich zu 48 000 im Vorjahr) sicher nicht die schlechteste Idee. Um dem erschreckenden Besucherschwund entgegenzuwirken, erhalten Kinder unter 14 Jahre künftig zu allen Heimspielen freien Eintritt ins Olympiastadion. Ausgenommen sind nur die Topspiele gegen Bayern und Dortmund.

Wer sind die Neuen?

Zunächst einmal die positive Nachricht aus Berliner Sicht: Abgesehen von Mitchell Weiser hat Hertha im Sommer keinen Kicker außergewöhnlichen Formats abgegeben. Selbst Nationalspieler Marvin Plattenhardt, dem Vernehmen nach Spekulationsobjekt englischer Klubs, trägt weiter das viel besungene blau-weiße Trikot. Neu anzutreffen auf dem Schenckendorffplatz und im Olympiastadion sind vor allem Perspektivspieler: Rechtsverteidiger Lukas Klünter, 22, kam vom 1. FC Köln und soll das Berliner Spiel mit seiner Schnelligkeit beleben (100-Meter-Zeit: 10,6 Sekunden).

Pascal Köpke, ebenfalls 22 Jahre jung und Sohn von Bundes-Torwarttrainer Andreas, soll den arrivierten Stürmern Vedad Ibisevic und dem nach einer Lungen-OP abwesenden Davie Selke auf lange Sicht Beine machen. Der 19 Jahre alte Niederländer Javairo Dilrosun, vormals für die zweite Mannschaft Manchester Citys aktiv, komplettiert die Liste der Zugänge. Einzig aus dem Wunsch, einen torgefährlichen Mittelfeldspieler mit gestalterischen Fähigkeiten zu verpflichten, ist bisher nichts geworden.

Wer hat das Sagen?

Sportlich ganz klar: Pal Dardai. Unter allen 18 Bundesliga-Trainern gibt es nur einen, der länger im Amt ist als der Ungar: Freiburgs Unikat Christian Streich. Der letzte Hertha-Trainer, der es in Berlin noch länger aushielt als Dardai bisher, war von 1996 bis 2002 Jürgen Röber.

Dardai hat den Verjüngungskurs der letzten Jahre auch in diesem Sommer fortgesetzt und eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen zusammengebaut: mit zahlreichen Jungs aus der Vereinsakademie, die Schritt für Schritt ans Profitum herangeführt werden sollen. Aber auch mit erfahrenen Kräften wie Rune Jarstein, Per Skjelbred oder Kapitän Vedad Ibisevic, die den Nachwuchs anleiten sollen. Allerdings hat Dardai in seinen nunmehr dreieinhalb Jahren als Cheftrainer auch nie ernsthaften Gegenwind erfahren. Wenn es sportlich schlecht läuft, neigt er bisweilen zur Dünnhäutigkeit. Bleibt im Sinne der Profis zu hoffen, dass es gar nicht erst so weit kommt.

Was erwarten die Fans?

Kannste nich meckern – so lautet das höchste Lob, das der Berliner kennt. Auf Herthas Anhang trifft das nur bedingt zu: Erfahrungsgemäß finden die Fans immer Punkte, die sie auf die Palme bringen – selbst wenn es sportlich so störungsfrei läuft wie zuletzt. Im Trainingslager in Schladming etwa fasste das Paradeexemplar eines Wutbürgers seine Erwartungen für die neue Spielzeit wie folgt zusammen: „Fünf Stunden zum Spiel fahren, zwei Stunden ärgern und dann fünf Stunden wieder zurückfahren – warum soll es in der neuen Saison anders laufen?“ Wenn man dem Mann Glauben schenken darf, muss sich die Mannschaft allerdings keine Sorgen machen, auswärts auf sich allein gestellt zu sein: „Wir sind ja bekloppt genug und fahren trotzdem weiter zu jedem Spiel mit.“ In diesem Sinne: Allzeit gute Fahrt.

Was ist in dieser Saison möglich?

Mit Zielvorgaben haben sich Spieler, Trainer und Manager zurückgehalten. „Vieles wird vom Start abhängen“, sagt Trainer Pal Dardai. Das Auftaktprogramm (unter anderem Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, Bayern München und der VfL Wolfsburg) hat es durchaus in sich. „Die Bundesliga war in der vergangenen Saison so ausgeglichen besetzt, dass es auf jede Kleinigkeit ankommen kann“, sagt Manager Michael Preetz.

In der Spielzeit 2017/18 zeigten die Berliner zumindest in einer Hinsicht traumwandlerische Konstanz: Immer wenn sie die Chance besaßen, mit einem Sieg ins obere Tabellendrittel vorzustoßen und den Kampf um die Europapokalplätze noch einmal spannend zu gestalten, versagten ihnen die Nerven. Deshalb lautet die Devise für die Saison 2018/19: erst einmal sicher stehen – und dann schauen, welche Perspektiven sich möglicherweise auftun.

Und sonst?

Abseits des Fußball-Feldes bleibt vor allem eine Frage spannend: Wie geht es mit dem geplanten Stadion-Neubau weiter? Kurz vor Ende der letzten Saison hat Hertha ja zum ersten Mal konkrete Pläne öffentlich gemacht und damit seinen Wunsch bekräftigt, spätestens 2025 aus dem Olympiastadion in eine neue Arena umzuziehen. Mit konkreten Eröffnungsterminen ist das allerdings so eine Sache. Das sollte inzwischen jeder wissen, der nur mal mit dem Auto durch Berlin gefahren ist.

Bisher erschienen: 1. FC NürnbergFortuna Düsseldorf, VfL Wolfsburg, SC Freiburg, FSV Mainz 05, Hannover 96, FC Augsburg, Werder Bremen. Nächste Folge 10: Borussia Mönchengladbach.

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