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Johannes Thingnes Bö siegte auch am letzten Saisonwochenende in Oslo.

© dpa

Biathlon: Johannes Bö: Der Ausnahmeathlet

Kein Biathlet hat jemals so viele Rennen in einer Saison gewonnen wie der Norweger Johannes Bö. Dabei hatte er eigentlich andere Pläne.

Von Katrin Schulze

Eine reine Spaßveranstaltung war der Biathlon-Weltcup noch nie gewesen. Jedenfalls nicht für die Athleten, die sich durch die Loipen der Wintersportwelt quälen und zwischendurch immer wieder genau ins Schwarze treffen müssen. Seit ein gewisser Johannes Thinges Bö unterwegs ist, hat der Vergnügungsfaktor allerdings noch einmal abgenommen. „Es macht wenig Spaß mit mir im Weltcup“, hat der 25 Jahre alte Norweger vor kurzem in der ARD gesagt. Er bezog das auf sich selbst, weil er „etwas langweilig“ geworden sei. Doch es gilt gleichermaßen für seine Konkurrenten, die sich anstrengen können wie sie wollen – und meistens trotzdem maximal nur auf dem zweiten Rang landen.

Bö hat jetzt etwas geschafft hat, wozu nicht einmal sein populärer Landsmann, der ewige Ole Einar Björndalen, oder irgendein anderer Biathlet jemals imstande war: Ganze 16 Rennen konnte er in diesem Winter für sich entscheiden, zuletzt triumphierte er am Wochenende vor heimischem Publikum in Oslo zweimal. Dass er mit riesigem Abstand auch den Gesamtweltcup holen würde, stand sowieso schon lange fest. Außerdem hat er bei der WM in Östersund zuletzt viermal Gold gewonnen. Wer es böse meint, der könnte also behaupten, dass dieser Biathlon-Winter genauso langweilig ist wie sein Held. Doch das würde dem Norweger nicht gerecht werden.

„Was er macht, macht er doppelt so gut wie wir“, sagt zum Beispiel der Deutsche Erik Lesser. Vor gar nicht allzu langer Zeit war das noch anders. In der Loipe war Bö den anderen schon immer weit voraus, am Schießstand jedoch patzte er schon so manches mal. Damals feierte der Biathlet noch kräftig und hatte während der Saison deutlich mehr Spaß. Im Internet kursiert ein Video, das ihn zeigt, wie er mit offenem Hemd einen Rocksong performt, mit sichtlich viel Freude daran und wohl auch mit ein bisschen Alkohol dabei.

Früher war’s. Bö trainiert jetzt konzentrierter – und trifft zuverlässiger die Scheiben. Er selbst sagt, dass er nicht einmal zu Hause aufhört, sich mit dem Sport zu beschäftigen. Seine Frau beschwere sich schon, weil er im Bett die Laufschritte imitiere. Kommt beides – Laufen und Schießen – gut zusammen, sind die Abstände zu den Kollegen riesig. „Es ist besonders, jetzt eine von viele Legenden zu sein“, sagte Bö nach seinem Rekordsieg.

Bö hatte eigentlich eine andere Karriereplanung

Dabei wäre es beinahe gar nicht zu dieser erstaunlichen Karriere gekommen. Der kleine Johannes Thinges Bö hatte andere, wohl spaßigere Vorstellungen von seinem Leben, aber er hatte eben auch seinen älteren Bruder. „Wäre er nicht gewesen, hätte ich mit 16 mit dem Biathlon aufgehört“, sagt Johannes Bö. Tarjei jedoch habe ihn immer mitgerissen – und so die Konkurrenz aus dem eigenen Hause geradezu herangezüchtet. Gewusst hat es der Kleinere schon immer. Als er noch den Weltcup beherrschte, sagte er mal: „Ich weiß, dass es noch einen besseren gibt:  Meinen jüngeren Bruder Johannes. Da hab ich schon Angst, wenn er mal weltcuptauglich ist.“

Nicht nur wegen des Bruderduells, auch sonst ist der Wettbewerb in kaum einer anderen Mannschaft so groß wie bei den Norwegern. Und natürlich kommen sie dann auch auf, die Zweifel, wenn jemand so schnell durch den Schnee wetzt. Geht es mit rechten Dingen zu? Bö, und das entkräftet die Zweifel womöglich, soll das größte Herzvolumen haben, das im Biathlonsport seit Jahrzehnten gemessen wurde. Vielleicht ist in diesem Herzen dann nach der Saison auch wieder Platz für ein wenig Spaß.

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