zum Hauptinhalt
Der Melbourne Cup ist ein gesellschaftliches Ereignis.

© dpa

Galoppspektakel in Australien: Ausnahmezustand und drei Minuten für die Ewigkeit

Wenn die Pferde zum Melbourne Cup antreten, steht Australien still. In diesem Jahr zählt ein deutscher Starter zu den Favoriten.

First Tuesday in November. Die Bedeutung dieser vier Worte braucht man keinem Australier oder Neuseeländer zu erklären. Fast jeder auf dem fünften Kontinent weiß, was damit gemeint ist: der Melbourne Cup auf der Rennbahn Flemington Park. An jedem ersten Dienstag im November strömen nicht nur mehr als 100 000 Besucher auf die Rennbahn, vielmehr nimmt sich ein ganzer Kontinent Zeit, um dieses Pferderennen zu verfolgen. Nicht umsonst heißt es, der Melbourne Cup ist „das Rennen, das eine ganze Nation stoppt“.

Es ist nicht verwunderlich, dass auch die Politik sich der Sogwirkung eines solchen sportlichen Events nicht entziehen konnte. Da in Melbourne ohnehin Ausnahmezustand herrscht, erklärte man im Bundesstaat Victoria den ersten Dienstag im November einfach gleich zum gesetzlichen Feiertag. Damit wertete man den Status der Rennprüfung zusätzlich auf. Der Melbourne Cup ist eben nicht nur ein Pferderennen, sondern ein gesellschaftliches und politisches Ereignis. Obwohl das eigentliche Spektakel nur gut drei Minuten dauert, ist den ganzen Tag von nichts anderem die Rede.

Es gehört zum guten australischen Ton, sich an diesem Tag besonders herauszuputzen und schon tagsüber in Abendgarderobe durch die Straßen und in die Bars zu ziehen. Schätzungen haben ergeben, dass 80 Prozent der australischen Bevölkerung sich an Wetten auf den Sieger des Cups beteiligen. Man kommt an dieser Veranstaltung selbst dann nicht vorbei, wenn man an sich gar nicht an Pferderennen interessiert ist. Außerdem ist jedes Jahr die höchste Prominenz am Start.

Die sportliche Faszination des seit 1861 ausgetragenen Galopprennens liegt vor allem darin, dass es als Handicap ausgetragen wird. 24 Galopper mit unterschiedlichen Gewichten treten auf der Steherdistanz von 3 200 Metern gegeneinander an, wobei die besser eingeschätzten Vollblüter in der Regel 58 Kilogramm zu tragen haben, die schwächer eingeschätzten mit einem Gewichtsvorteil von bis zu 14 Kilogramm in die Startboxen einrücken. Schließlich soll die theoretische Gewinnchance in einem Ausgleichsrennen für alle Teilnehmer gleich sein, also auch der größte Außenseiter die Möglichkeit erhalten, sich in den Annalen dieses Rennens zu verewigen.

Der Melbourne Cup ist aber nicht nur ein beliebiges, gut dotiertes, Handicap: Mit einer Gewinnsumme von sechs Millionen Australischen Dollar (vier Millionen Euro) ist es das höchstdotierte Handicap im Galopprennsport weltweit und zählt damit zu den Top-Ten-Rennen im internationalen Turfkalender. Die internationalen Steher-Spezialisten unter den Vollblütern sind seit circa 40 Jahren regelmäßig zu Gast in Australien. Dass die Vollblüter aus Frankreich, Japan, Irland und auch aus Deutschland die weite Reise nicht nur antreten, um als Feldfüller mitzugaloppieren, beweist ein Blick in die Siegerlisten der letzten vier Jahrzehnte.

2014 gewann mit Protectionist zum ersten Mal ein in Deutschland trainiertes Pferd das renommierte Rennspektakel. Sein Trainer Andreas Wöhler will seinen Triumph in diesem Jahr mit dem fünfjährigen Hengst Red Cardinal wiederholen. Red Cardinal gewann dieses Jahr das Oleander-Rennen in Hoppegarten, anschließend den Belmont Gold Cup in New York und steht nunmehr vor seiner schwierigsten Aufgabe. Andererseits zählt er zur Favoritengruppe unter den zwei Dutzend Teilnehmern und wird vom letztjährigen Siegjockey Kerrin McEvoy geritten. „Der Sieg vor drei Jahren war der größte in meiner Karriere“, hat Trainer Wöhler vor dem diesjährigen Rennen gesagt. „Und wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, will man dieses Rennen immer wieder gewinnen.“

Ulrich Nickesen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false