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Sport: Auf der Straße nach Süden

43 Fans und der Tagesspiegel-Reporter mussten umsteigen. Ein Reisebericht aus dem Alba-Fanbus

Zwischen Berlin und der baskischen Hauptstadt Vitoria liegen nicht einmal 2000 Kilometer, sondern nur 1961. Eine Entfernung, die wahre Fans nicht abschrecken kann, wenn ihr Team um den Europapokal spielt – nicht einmal, wenn eine Vulkan-Staubwolke den europäischen Luftraum blockiert. Kurzfristig stiegen 43 Anhänger von Alba Berlin – Alter zwischen 20 und 65, ungefähr gleich viele Männer und Frauen – am Freitagnachmittag vom Flugzeug in einen Bus um, damit sie rechtzeitig am Samstagabend zum Eurocup-Halbfinale der Berliner Basketballer in Vitoria ankommen. Schon während der Fahrt wurden die Alba-Fans im Internet von der europäischen Basketball-Gemeinde gefeiert. Die Reise währte bis kurz vor Spielbeginn. Der Tagesspiegel war dabei.

17 Uhr, Berlin-Nikolassee. Spinnerbrücke – der Name klang noch nie so passend. Was machen wir hier eigentlich? Noch 25 Stunden, schätzen die Busfahrer Manne, Thomas und Cengis (Spitzname im Bus: „Jenkins“).

18.25 Uhr, Belzig. Strahlend blauer Himmel. Wo ist denn die Vulkanasche, die uns alle in diesen Bus gezwungen hat? Albas Pressesprecher teilt per SMS mit, dass Europaliga-Chef Jordi Bartomeu jeden Berliner Fan in Vitoria per Handschlag empfangen wird. Auf den kleinen Bildschirmen im Bus läuft der Basketballfilm „Coach Carter“. In der Titelrolle sagt Samuel L. Jackson zu seinen Spielern Sätze wie: „Du schuldest mir 1000 Liegestütze und 1000 Liniensprints. Wir sehen uns morgen beim Training.“ Eine wahre Geschichte, basierend auf dem Leben von Luka Pavicevic?

19.10 Uhr, bei Magdeburg. Zeit für Fotos. Plötzlich ist das Businnere gelb, alle holen ihre Schals und Trikots raus, erste Schlachtgesänge. Frage an Busfahrer Cengis: „Kann in Aachen noch jemand zusteigen?“ Antwort: „Ist kein Sammeltaxi, Alter.“

20.30 Uhr, Garbsen/Seelze. Sonnenuntergang. Einer sagt: „Schade, dass das kein Sonnenaufgang ist.“ Bis zum nächsten Sonnenuntergang müssen wir in Vitoria sein.

21.30 Uhr, Tankstelle Barsinghausen, Zapfsäule 13. Erster Zwischenstopp. Nach dem Besuch bei McDonalds stimmt einer an: „Wer nicht springt, ist kein Berliner.“ Ein paar hüpfen, die anderen steigen ein. Erstes ernstes Problem: Wo ist der Tankschlüssel? Die drei Busfahrer durchwühlen Handschuhfächer und Stauräume – nichts. Ein gewisser Siggi wird angerufen. Siggi geht nicht ran. Merkliche Unruhe im Bus. Ein zweiter Anruf, ein Kollege verrät das Geheimnis: Der Zündschlüssel ist gleichzeitig der Tankschlüssel. „Es läuft alles scheiße, Alter“, sagt Cengis. Manne fügt hinzu: „Da ist der Wurm drin.“

1.30 Uhr, irgendwo in Belgien. Eine schnurgerade Autobahn, festliche Beleuchtung in BSR-Orange. Erschöpfte Stille im Bus.

6.30 Uhr, kurz hinter Paris. Frühstücksstopp. An der Raststätte gibt es keine frischen Croissants, aber das Baguette ist noch warm. Im Morgengrauen schlurft ein Fan mit blau-gelber Narrenkappe zurück zum Bus. Abfahrt? Drei Leute fehlen. Nach fünf Minuten werden die Nachzügler mit einem freundlichen „Ihr schuldet uns 50 Liegestütze“ begrüßt.

9.10 Uhr, Tours kommt in Sicht. „Hat was von Marzahn.“ Ein Leichtflugzeug zieht vorbei. Der Bus skandiert: „Umsteigen, umsteigen.“ Die Landschaft sieht immer noch aus wie in der Schorfheide.

11.50 Uhr, auf der A10 Richtung Bordeaux. Zur Einstimmung auf das Spiel wird die DVD von Albas letztem hohen Heimsieg gegen Bonn eingelegt. Nach dem ersten Viertel tauchen Weinreben am Straßenrand auf.

13.30 Uhr, bei Arcachon. Schilder weisen den Weg zum Strand und zur Riesendüne. Ein Bad täte jetzt wirklich gut, zumindest eine kleine Erfrischung. Aber der Bus rollt weiter unbeirrt Richtung spanische Grenze.

14.22 Uhr, letzter Zwischenstopp kurz vor der spanischen Grenze. Zwangspause für die Busfahrer, gelb gekleidete Menschen taumeln aus dem Wageninneren und irren bei 24 Grad um einen Kreisverkehr herum. Im gleißenden Sonnenlicht des Südens leuchten ihre T-Shirts. Auf ihnen steht: History will be made.

16.01 Uhr, irgendwo im Süden. Eine gute Stunde noch, heißt es im Bus. Alle sehen fertig aus und fühlen sich auch so. Aber das Wichtigste ist: Das Halbfinale kann mit Albas Fans stattfinden. Stolz erfüllt den Bus. Und die Frage: Gibt’s in der Halle auch eine Dusche?

16.30 Uhr, in Spanien. Die Grenze ist passiert, durchs Fenster ist kurz der Atlantik zu sehen. Erschöpfte „Aahs“ und „Oohs“ gehen durch den Bus.

17.22 Uhr, Abfahrt nach Vitoria. Nach der letzten Etappe über viele Brücken und durch viele Tunnel der Pyrenäen nimmt der Bus noch einmal die falsche Ausfahrt und landet unversehens wieder auf der Autobahn. Eine letzte Ehrenrunde.

17.30 Uhr, die Ankunft. 43 Alba-Fans erreichen das Hotel. Eine Stunde zum Einchecken, Duschen, Durchatmen. Dann geht’s erst richtig los.

20.00 Uhr, Fernando-Buesa-Arena. Europaliga-Chef Jordi Bertomeu tritt vor den übersichtlichen Alba-Block und deutet eine kleine Verbeugung an. Er schüttelt zwar nicht jedem Berliner einzeln die Hand, lädt aber alle auf Chips, Sandwiches und Cola ein. Das ganze Publikum würdigt die strapaziöse Anreise mit Standing Ovations. Das Spiel kann beginnen.

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