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Euroleague-Star: Auch Alba Berlins Luke Sikma (rechts) hatte es in der vergangenen Saison mit Tornike Shengelia zu tun.

© Tilo Wiedensohler/Imago

Staatspräsidentin kritisiert Tornike Shengelia: Armeeklub ZSKA Moskau? Wirbel um Wechsel georgischer Basketball-Ikone

Tornike Shengelia zählt zu den besten Spielern Europas. Nun sorgt sein Wechsel zu ZSKA Moskau in Georgien für Kritik – wegen der Nähe zur russischen Armee.

Der Name ZSKA Moskau hat in der Welt des Sports Klang. Vom Turnen übers Fechten bis hin zum Eiskunstlauf hat der Klub eine Reihe Olympiasiegerinnen und -sieger hervorgebracht. Im russischen Fußball ist ZSKA eine Instanz, im Eishockey sowieso, und auch im Basketball geht es europaweit nicht mehr viel größer.

Der Name ZSKA Moskau ist einigen Menschen jedoch auch ein Rotes Tuch. Denn die Abkürzung ZSKA steht für „Zentraler Sportklub der Armee“. Der Verein besitzt nicht nur eine Vergangenheit als Sportabteilung der Roten Armee, sondern hält bis heute Verbindungen zum russischen Verteidigungsministerium. In einem Land wie Georgien, in dem Russland vor allem als Bedrohung für die eigene Unabhängigkeit wahrgenommen wird, sorgt das für wenig Freude.

Tornike Shengelia ist nicht nur in Georgien ein Star

Diese Erfahrung hat zuletzt auch Tornike, genannt „Toko“, Shengelia gemacht. Der 28-jährige Kapitän des georgischen Basketball-Nationalteams zählt zu den besten Spielern des Kontinents. In der Euroleague, dem höchsten aller europäischen Wettbewerbe, gilt er als einer der absoluten Stars. Und in seiner Heimat ist Shengelia ohnehin eine Ikone. Doch die Liebe kennt auch Grenzen. Etwa dann, wenn man als georgischer Nationalheld zum unwillkommenen russischen Armeeklub ZSKA Moskau wechselt.

Am vergangenen Donnerstag unterschrieb Shengelia, gerade noch mit dem baskischen Klub Baskonia Vitoria-Gasteiz Spanischer Meister geworden, beim russischen Rekordchampion einen Dreijahresvertrag. „Ich freue mich bekanntzugeben, dass ich mich dem Titelverteidiger der Euroleague anschließen werde“, schrieb Shengelia auf Twitter. „Ich hoffe, mit ZSKA erfolgreich unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.“

Dafür gab es in den sozialen Medien von vielen Fans und Kollegen Gratulationen und Zuspruch. Einigen seiner Landsleute schmeckte der Wechsel jedoch gar nicht. Vor allem eine höchstprominente Georgierin hatte überhaupt kein Verständnis: Staatspräsidentin Salome Surabischwili. „Die Entscheidung des Kapitäns der georgischen Basketball-Nationalmannschaft, sich ZSKA Moskau anzuschließen, ist bedauerlich, und als Präsidentin von Georgien finde ich es inakzeptabel“, schrieb sie bei Facebook. Das saß.

Denn die Frage, wie sich die oder der Einzelne gegenüber Russland positioniert, ist eine, die in Georgien gesellschaftliche wie politische Sprengkraft besitzt. Das hat Surabischwili selbst erfahren müssen. Im Wahlkampf 2018 um das Amt als Präsidentin hatte sie es lange vermieden, Russland den Beginn des Fünf-Tage-Kriegs im August 2008 anzulasten. Die russische Armee war damals bis ins georgische Kernland vorgedrungen und hatte dabei die Abspaltung der abtrünnigen Separationsgebiete Südossetien und Abchasien weiter zementiert, bis heute sind dort russische Truppen stationiert.

Der Dirigent: Tornike Shengelia (rechts) ist der Kapitän des georgischen Nationalteams.
Der Dirigent: Tornike Shengelia (rechts) ist der Kapitän des georgischen Nationalteams.

© Michele Longo/Imago

Erst als Surabischwili erkannte, dass ihre uneindeutige Haltung ihre Erfolgsaussichten gefährden würde, schwenkte sie doch um und gewann – mit großer Unterstützung der Regierungspartei Georgischer Traum und des Milliardärs Bidsina Iwanischwili – die Wahl am Ende noch.

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Dies mag auch ein Stück weit erklären, warum die georgische Präsidentin nun besonders russlandkritisch auftritt. Die Stimmung ist ohnehin angespannt, seitdem es vor einem Jahr große Straßenproteste gab, die sich zu einem erheblichen Teil auch gegen Russland richteten.

Dazu hatte die Opposition aufgerufen, aus deren Sicht die Regierung dem großen Nachbarstaat gegenüber viel zu freundlich auftritt. Der Besuch einer russischen Abgeordnetendelegation zu einer Tagung im georgischen Parlament gab den passenden Anlass. In der Folge gingen auch einige georgische Prominente auf Abstand zu Russland. Die international bekannte Jazzsängerin Nino Katamadze kündigte etwa an, dort nicht mehr auftreten zu wollen.

Zu Besuch: Georgiens Staatspräsidentin Salome Surabischwili (rechts) an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Zu Besuch: Georgiens Staatspräsidentin Salome Surabischwili (rechts) an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Tornike Shengelia soll weiter für Georgien spielen

Für Tornike Shengelia kommt das nicht infrage. „Ich werde mich nicht rechtfertigen, ich werde Basketball spielen“, sagte er nach der Unmutsbekundung der Präsidentin im georgischen Fernsehen. „Mein Verhältnis zu Georgien wird sich nicht ändern.“ Im Sommer 2022 ist Georgien neben Deutschland, Italien und Tschechien einer der vier Gastgeber der um ein Jahr verschobenen Basketball-EM. Shengelia soll das Team dann anführen.

Entsprechend schnell sprang ihm der georgische Basketball-Verband zur Seite und betonte seine weiterhin wichtige Rolle für das Nationalteam. Auch der Vorsitzende des parlamentarischen Sportausschusses verteidigte Shengelia. Und sogar ZSKA-Präsident Andrej Watutin hob hervor, für Shengelia sei es „vom ersten Tag der Verhandlungen an unerlässlich“ gewesen, weiterhin für das Nationalteam spielen zu können. Der georgische Kapitän könnte nun sogar ein Sondergenehmigung erhalten, um auch an Länderspielen teilzunehmen, die sich eigentlich mit dem Spielplan der Euroleague überschneiden.

Am Sonntag sah sich Shengelia dann aber offenbar doch genötigt, in der Angelegenheit noch einmal ein paar Takte anzumerken, und veröffentlichte ein längeres Statement auf Facebook, das von Patriotismus nur so trieft: Wie er als Kind während der Hymne davon geträumt habe, das Nationaltrikot zu tragen. Wie schrecklich es für ihn sei, Länderspiele nur im Fernsehen verfolgen zu können. Und wie glücklich es ihn mache, die georgische Flagge nach Titelgewinnen mit seinen Klubs schwenken zu können. „Ich, Tornike Shengelia, war, bin und werde überall der Träger des georgischen Geistes sein“, schrieb er. Sogar in einem russischen Armeeklub.

Leonard Brandbeck

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