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Die Null steht. Thomas Müller ist noch ohne Tor und ohne Vorlage.

© Frank Hoermann/Imago

Anführer der deutschen Fußballer: Thomas Müller macht Schluss mit lustig

Thomas Müller ist eigentlich für jede Albernheit zu haben, bei der EM aber versucht er sich jetzt im seriösen Fach – der Erfolg geht vor.

Thomas Müller wird im Herbst 32, er hat 105 Länderspiele bestritten, und natürlich ist es nicht mehr allzu lange hin, bis seine Karriere als Fußballer definitiv zu Ende gehen wird. Von Jens Grittner, dem Pressesprecher der deutschen Nationalmannschaft, wurde Müller am Samstag bei der Pressekonferenz bereits als Veteran eingeführt, was Müller selbst offenbar nicht ganz so lustig fand. Gelacht hat er jedenfalls nicht.

Aber der Abschied aus dem aktiven Dienst ist nicht mehr fern, und damit auch nicht die Zeit, in der Thomas Müller sich als Experte verdingen könnte. Dass er dazu in der Lage wäre, hat Müller am Samstag gezeigt, als seine Expertise explizit verlangt wurde. Aus England wurde an den Offensivspieler der deutschen Nationalmannschaft die Bitte herangetragen, sich zu Harry Kane zu äußern, dem erwiesenermaßen hochklassigen Stürmer der Engländer, der bisher noch keine hochklassige EM spielt. Kane, 28 Jahre alt, Kapitän des englischen Teams und vor drei Jahren Torschützenkönig bei der WM in Russland, hat in den drei Vorrundenspielen kein einziges Tor erzielt.

„Große Stürmer sind die Besten darin, geduldig zu sein“, sagte Thomas Müller. Obwohl das gezielt auf Harry Kane gemünzt war, sprach er natürlich auch ein bisschen über sich selbst. Der Münchner hat ebenfalls noch kein Tor bei der EM erzielt. Nicht bei dieser EM. Nicht bei der EM vor fünf Jahren in Frankreich. Und auch nicht bei seiner ersten EM im Sommer 2012. Nach 14 Einsätzen bei Europameisterschaften liegt die Zahl seiner Tore weiterhin bei null.

Er sei „immer weiter auf der Jagd“, sagt der Münchner. Aber weil er kein klassischer Mittelstürmer ist wie Harry Kane, der sich ausschließlich über die Zahl seiner Tore definiert, ist die Situation nicht ganz vergleichbar. „Ich versuche, das zu tun, was verlangt wird, damit wir gewinnen“, erklärt Müller. Seine Rolle hat sich verändert. Und das gilt nicht nur für seine Rolle auf dem Fußballplatz.

Thomas Müller hat bei Europameisterschaften noch nie getroffen

Nach dem Einzug der Deutschen ins Achtelfinale, in dem sie am Dienstag im Wembleystadion auf England treffen, hat Müller auf seinem Instagram-Account einen Beitrag veröffentlicht. Darin kalauert er mit seinem Teamkollegen Joshua Kimmich herum und bedient vor allem sein Image vom dauerlustigen Klassenclown. Bei der Pressekonferenz am Samstag dann hat er genau dieses Image entschlossen konterkariert. Thomas Müller riss keinen einzigen Witz.

Die Sache ist ernst: Das war die latente Botschaft, die er offenbar verbreiten wollte. Schon vor drei Wochen war das so, als Müller gleich zu Beginn der EM-Vorbereitung und erstmals nach seiner Wiedereingliederung in die Nationalmannschaft vor die Presse trat. Auch da gab er sich gewollt seriös. Dieses Turnier, das ihm vom Bundestrainer Joachim Löw beinahe verwehrt worden wäre, ist ihm offenbar zu wichtig, um es für einen billigen Kalauer aufs Spiel zu setzen.

Hinzu kommt, dass die Tage für die Nationalmannschaft derzeit nicht von unbeschwerter Heiterkeit durchzogen sind. Das zähe Spiel gegen Ungarn wirkt nach, auch wenn Müller in seinem albernen Instagram-Video davon gesprochen hat, dass man locker ins Achtelfinale geschaukelt sei.

Sind sie natürlich nicht. Und dass es danach ein paar kritische Worte gegeben hat, das hat er sogar als durchaus berechtigt empfunden. „Man wünscht sich natürlich, dass man in jedem Spiel überzeugend agiert und den Gegner total dominiert“, sagt Müller. „Das funktioniert aber nicht.“ Doch wer weiß, wozu es gut ist, dass die Deutschen schon jetzt einige Widerstände überwinden mussten? „Wir haben Selbstvertrauen, wir haben Lust“, sagt Thomas Müller.

Gegen Ungarn saß er zunächst auf der Bank, weil sein Knie zwickte. Aber die Umstände ließen keine eingehende Schonung zu. Mitte der zweiten Hälfte schickte Löw den Münchner aufs Feld. Inzwischen macht das Knie keine Probleme mehr, Müllers Einsatz im Achtelfinale steht nichts im Wege. Und natürlich wird er in die Startelf zurückkehren.

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Im Verein, beim FC Bayern München, hat Müller anderthalb Jahre mit herausragenden Werten hinter sich. Auch deshalb hat Löw ihn zurückgeholt. Nach dem Trainerwechsel bei den Bayern von Niko Kovac zu Hansi Flick war Müller in 77 Pflichtspielen an 72 Toren beteiligt. Bei der EM aber ist er nicht nur ohne Treffer, sondern auch ohne Assist.

Müller selbst führt das auf eine etwas andere Spielanlage im Nationalteam zurück. Er spielt leicht zurückgezogen, kommt dadurch in einer tieferen Position an den Ball und sieht sich eher „in einer einleitenden, initiierenden Rolle“. Müller hat das Gefühl, „dass ich noch nicht so oft in Abschlusssituationen gekommen bin, wie es mir lieb wäre“. Vier Torschüsse sind bei ihm bisher gezählt worden. Harry Kane, der ganz vorne drin spielt, hat auch nur einen mehr gehabt.

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