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Das italienische Luna Rossa Team bejubelt seine Qualifikation für den 36. America's Cup.

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America's Cup – Italiener setzen sich durch: Luna Rossa gewinnt Duell der Kampfpiloten

Das Syndikat von Modezar Ernesto Bertelli ist die treibende Kraft hinter diesem America's Cup. Nun darf es gegen Titelverteidiger Neuseeland antreten.

Dass Italiener einen wichtigen Sieg erringen und dabei nicht laut werden, ist eigentlich unvorstellbar. Und so platzt es auch am Sonntagnachmittag Ortszeit aus Francesco Bruni heraus, als er und sein australischer Co-Steuermann Jimmy Spithill als erste über die Ziellinie fahren und den entscheidenden siebten Sieg im Duell der Herausforderer gegen das britische Ineos-Team holen.

Bruni umarmt und herzt seinen stets unterkühlten Nebenmann, und es zeigt sich sein vulkanisches Temperament, das sich sofort auf das gesamte italienische Team überträgt. Es wird gejubelt und gebrüllt. Also hat dieser Sport doch etwas mit Emotionen zu tun.

Man hätte meinen können, dass es nicht so ist - bei all den coolen, aufs Nötigste reduzierten Äußerungen der an diesem Wettbewerb beteiligten Segler, bei all den technologischen Herausforderungen der hybriden AC75-Klasse. Schneller waren Yachten in der 170-jährigen Geschichte des America's Cups nie unterwegs. Sie kratzen regelmäßig an der 50-Knoten-Marke.

Diese Geschwindigkeitsrausch scheint alles Menschliche aus dem Wettbewerb zu ziehen, der den Besten der Besten ein gutbezahltes Auskommen bietet und sie auf die Rolle nervenstarker Kampfpiloten reduziert. "Ok, Jungs", sagt Spithill in den Triumph hinein knapp, "lasst uns die Segel einpacken und an Land ein paar Biere trinken." Wenigsten brüllt Bruni vor Erleichterung.

Luna Rossa ließ den Briten kaum je eine Chance, die Führung zu erobern. Am Ende steht es 7:1.
Luna Rossa ließ den Briten kaum je eine Chance, die Führung zu erobern. Am Ende steht es 7:1.

© AFP

Vier Wochen lang haben die Segler des Prada-Pirelli-Syndikas um das Recht gekämpft, gegen Titelverteidiger Emirates Team New Zealand antreten zu dürfen. Der von dem Mailänder Mode-Tycoon Ernesto Bertelli gegründete Segelrennstall Luna Rossa greift schon seit über zwanzig Jahren nach der Krone des Segelsports. Am erfolgreichsten war es bei seinem Debüt im Jahr 2000, als es sich ebenfalls in den Ausscheidungsregatten durchsetzte, im Cup-Duell aber deutlich gegen "Black Magic" aus Neuseeland mit seinem Superskipper Roussell Coutts unterlag.

Dem waren bereits zwei erfolglose Kampagnen anderer italienischer Konsortien vorausgegangen, doch Bertelli blieb hartnäckiger. Er finanzierte weitere Versuche. Nachdem Luna Rossa 2007 über die Ausscheidungsphase nicht hinausgelangte - abermals waren die Neuseeländer stärker -, scheute Bertelli zunächst den Sprung in die Katamaran-Ära.

Für den America's Cup fanden sich zuletzt kaum noch Geldgeber

2013 und 2016 zog er sich jeweils kurzfristig aus dem kostspieligen Wettkampf zurück, weil ihm die Entwicklungskosten der Boote zu hoch wurden. Tatsächlich dünnte der America's Cup in diesen Jahren deutlich aus. Es fanden sich kaum noch Geldgeber.

Als sich vor vier Jahren mit der Entthronung von Larry Ellison als Titelverteidiger die Möglichkeit bot, wieder zu einem eher klassischen Format zurückzukehren, ergriff Bertelli seine Chance. So war es seine Bedingung, zu Einrümpfern zurückzukehren und sie einen konventionellen Up-and-Down-Kurs segeln zu lassen - nur eben mit dreifacher Geschwindigkeit.

Ineos-Skipper Ben Ainslie hofft, dass die britischen Bemühungen nach der Niederlage nicht enden müssen. Noch nie habe sein Land, den Cup gewinnen können, das sei Anreiz genug.
Ineos-Skipper Ben Ainslie hofft, dass die britischen Bemühungen nach der Niederlage nicht enden müssen. Noch nie habe sein Land, den Cup gewinnen können, das sei Anreiz genug.

© AFP

Früh zählten die Italiener zu den Mitfavoriten. Doch ausgerechnet mit Beginn des von Bertellis Familie finanzierten Prada-Cups, stockte die Entwicklung seines Bootes eine Weile, so dass Luna Rossa den Umweg über das Halbfinale nehmen musste. Schließlich sollten die Italiener im Finale abermals auf das britische Team treffen, dem sie in der Vorrunde noch unterlegen gewesen waren.

Doch diesmal ist die Sache eindeutig. 7:1 lautet die Bilanz am vierten Renntag. Ineos Team UK um Steuermann Ben Ainslie und Taktiker Giles Scott ist einfach zwei Knoten zu langsam, um bei den schwächeren Winden dieses Wochenendes ernsthaft Paroli zu bieten.

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Nur in den zwei Minuten unmittelbar vor dem Start, da die Kontrahenten um die beste Position an der Linie ringen, weiß sich das Duo jedesmal geschickt der Attacken von Spithill zu erwehren. Es geht mit leichten Vorteilen auf die Strecke, doch die schmelzen zu schnell dahin.

Luna Rossa hat die wichtigste Aufgabe besser gelöst: Das Boot segelt höher am Wind und verkürzt damit Wegstrecke. Aber es hat auch die schwierige Hürde genommen, zwei so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Bruni und Spithill zu einer Einheit zusammenzuschweißen, der die restlichen neun Italeiner an Bord mit Hingabe folgen. Der eine ein abgebrühter "Killer", der Gefühle außerhalb seines Egos nicht zu kennen scheint, der andere ein zur Disziplin verdonnerter Gemütsmensch.

INEOS Team UK zwingt Luna Rossa in der Vorstartphase aus der Flugphase.
INEOS Team UK zwingt Luna Rossa in der Vorstartphase aus der Flugphase.

© AFP

Durch seinen Sieg hat sich Luna Rossa das Privileg erworben, ab 5. März gegen die Kiwis anzutreten. Die drehen am Wochenende vor und nach den Rennen einsam ihre Runden über ihr Heimatrevier und nähren damit Spekulationen, wie stark sie im Vergleich zu dem Herausforderer sind, der nun 18 Rennen mehr auf dem Konto hat.

Für die Attraktivität dieses Zeitraffer-Segelns ist zu wünschen, dass sich beim eigentlichen America's Cup in zwei Wochen mehr jener engen Positionskämpfe und Führungswechsel ereignen, die es in der Endphase des Prada Cups gelegentlich gab. Denn Fehler, so ist zu erwarten, leistet sich keines der beiden Teams mehr. Ob das noch Raum für Emotionen lässt?

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