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Keita Tokunaga, 34, ist Mode-Journalist, Model, Aktivist – und war DJ bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele.

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Der japanische DJ Keita Tokunaga im Interview: „Also dachte ich: Das ist die Chance meines Lebens“

Keita Tokunaga war DJ bei der Eröffnungsfeier der Paralympics. Ein Gespräch über Musik und Sport, seine Emotionen während der Show und Pläne für die Zukunft.

Keita Tokunaga, 34, ist Mode-Journalist, Model, Aktivist – und war DJ bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele. Der Japaner wurde mit Zerebralparese geboren und sitzt im Rollstuhl. Nachdem er bei der Eröffnung zu sehen war, wollten viele Japanerinnen und Japaner wissen, wer er ist. Dabei hatte er das Organisationskomitee gebeten, ihm nicht zu viel Platz einzuräumen – weil er den Athletinnen und Athleten den Vortritt lassen wollte, wie er sagt. Hier spricht er über Musik und Sport, seine Emotionen während der Show und Wünsche für die Zukunft.

Welche Musik passt zu den Paralympics?

Da habe ich lange drüber nachgedacht. Als ich angefragt wurde, an der Eröffnungszeremonie dieser Paralympischen Spiele teilzunehmen, da waren die Spiele bereits um ein Jahr verschoben worden. Und natürlich war auch Corona ein großes und schweres Thema. Ich habe mich für eine eher leichte Pop-artige, sogar Club-artige Musik entschieden, um die Spielerinnen und Spieler aus der ganzen Welt in Japan willkommen zu heißen.

 Sind Sie zufrieden mit Ihrem Auftritt bei der Eröffnungsfeier?

Ja, klar, ich bin zufrieden.

Wie kam es dazu, dass Sie da aufgetreten sind?

Noch vor dem Ausbruch von Corona wurden die Performer öffentlich ausgeschrieben. Und da ich mich in den letzten paar Jahren in meinem Leben mit der Musik beschäftigt haben, habe ich mich als Musiker beworben und dem Organisationskomitee ein paar Dateien geschickt, in denen ich performances mache. Dann wurden die Spiele verschoben und ich hörte ganz lange nicht mehr von denen.

Haben Sie sie nicht einmal angeschrieben?

Ich selbst hatte Zweifel daran, ob man in der Coronakrise diese Eröffnungsfeier machen sollte. Deshalb habe ich auch von meiner Seite aus das Organisationskomitee nicht kontaktiert. Aber im Juni dieses Jahres wurde entschieden, dass ein DJ für die Eröffnungsfeier gebraucht wird. Dann haben sie mich angesprochen, weil sie meine Dateien gesehen haben.

Was war die Motivation, sich überhaupt zu bewerben?

Weil ich davon ausgegangen bin, dass es in meinen Lebzeiten nicht noch einmal so eine Chance geben wird, dass in meinem Heimatland die Olympischen und Paralympischen Spiele stattfinden. Ich würde auch nicht ins Ausland gehen, um sie dort zu sehen. Also dachte ich: Das ist die Chance meines Lebens.

Wie hat es sich angefühlt, dort auf der Bühne zu sein?

Ich war ein bisschen aufgeregt, natürlich auch nervös. Aber es hat mir großen Spaß gemacht, dort als DJ am Pult zu stehen. Allerdings habe ich in meiner Rolle viel Wert darauf gelegt, dass auch die Spielerinnen und Spieler Spaß haben. Die Zeit, in der ich gespielt habe, war die Zeit, in der die Spielerinnen und Spieler reinkamen, und das war ihre Zeit und ihre Chance, sich zu präsentieren. Mir war es wichtig, sie zu inspirieren und zu motivieren.

Was bedeuten Ihnen die Paralympics?

Für mich sind die Paralympics sehr, sehr wichtig. Auf diese Weise können die, die das betrifft, die Menschen mit Behinderung, in der Gesellschaft sichtbar werden. Auch die Entstehungsgeschichte: Die Anfänge der paralympischen Spiele geht auf zurück, dass Menschen mit Einschränkungen den Sport für sich erschlossen haben, angefangen haben, zu trainieren und sich zu bewegen. Die Spiele sind für viele Spielerinnen und Spieler die Chance, einmal in vier Jahren ihren Sport vor großer Bühne auszuüben. Es ist für Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder vielleicht auch krank sind, sehr wichtig, dass sie sich zeigen können.

Machen Sie selbst Sport?

Nein, leider nicht. Ich mache gar nichts.

Sport und Musik, passt das überhaupt zusammen?

Das ist eine sehr schwierige Frage … (macht eine Pause) Teilweise gehören Musik und Sport zusammen. Zum Beispiel bei Sportarten wie Synchronschwimmen. Damit dem Körper Ausdruck verliehen wird, muss Musik da sein. Aber Sport und Musik, da gibt es Bereiche, etwa in vielen Team-Sportarten, da passt das eigentlich nicht zusammen.

Wie erleben Sie die Paralympics in Japan?

Hauptsächlich durchs Fernsehen und Eilmeldungen, die auf dem Handy aufploppen. Ich wäre natürlich sehr gerne selbst vor Ort gewesen. Aber leider ist es so, wie es ist, dass man es durch Corona nur durchs Netz oder Fernsehen mitbekommt.

Haben Sie gemerkt, dass die Spiele etwas in Japan verändert haben?

Ich habe den ganz persönlichen Eindruck, dass es vor Corona ganz viele Aktivitäten und Kampagnen gab, dass über die Vielfalt der Menschen informiert und das diese Vielfalt dann gefeiert wurde. Ich selbst habe auch sehr, sehr viele Menschen mit Behinderung getroffen und mit ihnen gesprochen. Aber seit es Corona gibt, ist das nur schwer das zu machen. Auch die Aktivitäten sind sehr rar geworden. Die Menschen, die im Fernsehen oder Internet die Spiele anschauen, wissen ohnehin, was hier passiert. Aber die, die das nicht sehen, wissen vielleicht gar nicht, dass die Spiele stattfinden. Und vielleicht ist auch deshalb die soziale Anerkennung in der Gesellschaft eher niedrig.

Werden Sie auch bei der Abschlussfeier dabei sein?

Da werde ich nicht dabei sein.

 Bei der Eröffnungsfeier der Spiele wurde ein Lied gespielt, das nach „Wind of Change“ klang. Aber das war es nicht, oder?

Das klingt ein wenig danach, das kann gut sein. Aber fünf junge japanische Künstlerinnen und Künstler wurden beauftragt, für diese paralympischen Spiele Songs zu machen. Diese Lieder habe ich dann immer gespielt.

 Wird das nicht irgendwann langweilig bei mehreren hundert Athletinnen und Athleten?

Natürlich wären mir auch viele Stücke eingefallen, die ich da eingespielt hätte und die die Stimmung hätten lebendiger machen können. Für mich und für das Organisationskomitee waren zwei Dinge wichtig: dass es japanische Künstlerinnen und Künstler sind. Und dass das Olympiastadion wie ein Club gestaltet ist. Ich bin sehr froh, dass wir diese Stücke spielen konnten.

Haben Sie noch eine Botschaft an die Welt, jetzt auch in Worten, nicht in Musik?

Ich bin ein DJ und ich sitze im Rollstuhl. Nach dieser Eröffnungsfeier wurde in Japan viel darüber berichtet und gesprochen. Ich hoffe, dass diese Aufmerksamkeit auch weltweit besteht. Dass klar wird, dass wenn jemand in Rollstuhl sitzt, er auch DJ sein und auflegen kann. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft viele Orte geben wird, an denen Menschen im Rollstuhl auflegen und Spaß haben können.

Das Gespräch wurde auf Japanisch geführt und simultan übersetzt. Es ist Teil der diesjährigen Paralympics Zeitung. Alle Texte unserer Digitalen Serie finden Sie hier. Alle aktuellen Entscheidungen und Entwicklungen lesen Sie in unserem Paralympics Blog.

Max Fluder

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