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Deutschland steht im Halbfinale der Fußball-EM und schlägt endlich den Angstgegner Italien.

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Update

Deutschland im EM-Halbfinale: 7:6 gegen Italien: "Das ist schwer in Worte zu fassen"

Jonas Hector, entscheidender Elfmeter-Schütze, ist (fast) sprachlos. Jogi Löw verteidigt die Systemumstellung. Die deutsche Nationalelf gewinnt zum ersten Mal bei einem großen Turnier gegen Italien.

Als sich das so lange ausgeglichene Spiel auf ins Elfmeterschießen machte, standen sie an der deutschen Bank noch einmal alle zusammen. Joachim Löw holte alle seine Mannen noch einmal zusammen, sie bildeten einen Kreis. Das finale Schießen vom Punkt, eigentlich eine deutsche Spezialdisziplin, sollte also die Entscheidung bringen, noch immer lag Historisches in der Nacht von Bordeaux.

Und so kam es auch. Nach zahlreichen Fehlschüssen auf beiden Seiten und zwei gehaltenen Elfmeter von Manuel Neuer verwandelte Jonas Hector den neunten Elfmeter. So siegte Deutschland mit 7:6 (1:1, 0:0) nach dem Elfmeterschießen. Zum ersten Mal überhaupt hat eine deutsche Mannschaft Italien im jetzt neunten Pflichtspiel überhaupt bezwingen können. Die Spieler fielen übereinander her und gingen in die Kurve der Fans, mit denen sie feierten.

„Das war ein Elfmeterschießen, das ich so noch nicht erlebt habe. Das hat sehr lange gedauert. Wir hatten Pech im Spiel mit dem Handelfmeter. Wir waren die dominierende Mannschaft und sind verdient ins Halbfinale eingezogen“, sagte Manuel Neuer und der entscheidende Schütze Jonas Hector ergänzte: „Das ist schwer in Worte zu fassen. Ich bin überglücklich, dass er reingegangen ist. Es waren nicht mehr viele Leute da. Ich habe mein Herz in die Hand genommen und wollte ihn nur reinmachen.“ Joachim Löw sprach von einem „tollen Gefühl“. Das müsse man erst einmal verarbeiten, sagte der Bundestrainer und verteidigte seine Systemumstellung: „Man muss die Italiener manchmal mit den eigenen Mitteln schlagen und mit Intelligenz.“

Löws Mannschaft erreicht damit nach 2008 und 2012 zum dritten Mal ein EM-Halbfinale in Folge. Am Donnerstag trifft sie dann in Marseille auf den Sieger des Spiels zwischen Gastgeber Frankreich und Island.

Für das erwartet intensive und enge Duell mit Italien hatte Löw sein bisheriges Spielsystem geändert und von einer Viererabwehrkette auf eine Dreierkette aus Mats Hummels, Jerome Boateng und Benedikt Höwedes umgestellt. Letzterer rückte im Vergleich zum Achtelfinalspiel für Julian Draxler in die Startelf.

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Bereits vor drei Monaten hatte Löw im Testspiel gegen die Italiener diese taktische Variante erprobt, damals gewann das deutsche Team in München noch überzeugend mit 4:1. Nur sind Testspiele das Eine und Turnierspiele, zumal ein EM-Viertelfinale, etwas anderes. So entwickeltes sich ein zähes wie aufwühlendes Ringen um die Hoheit auf dem Platz.

In der ersten halben Stunde drohte das Spiel in taktischen Zwängen förmlich zu ersticken und die Deutschen drohten in dieselbe Falle zu tappen, wie zuvor Titelverteidiger Spanien. Die Italiener verstanden es, das Aufbauspiel der Löw-Elf so zu stören, dass es nur ganz selten Druck, Tempo und deshalb zu wenig Stringenz bekam.

Hummels ist im Halbfinale gesperrt, Khedira und Gomez drohen verletzt auszufallen

Die ersten Torraumszenen ergaben sich erst, als die Intensität in den Zweikämpfen zunahm und das Spiel etwas an Dynamik gewann und verwegener wurde. Auf deutscher Seite musste einmal Boateng vor dem einschussbereiten Emanuele Giaccherini klären, auf der anderen Seite brachten Joshua Kimmich und Thomas Müller einen der wenigen Angriffe in der ersten Halbzeit nicht zu einem zählbaren Abschluss.

Bereits nach 16 Spielminuten sah Löw sich zu einem Wechsel gezwungen, den er so zeitig nicht hätte vornehmen wollen, wenn überhaupt. Sami Khedira hatte nach einem unfreiwilligen Ausfallschritt Schmerzen im Adduktoren-Bereich bekommen, für ihn kam Bastian Schweinsteiger. Doch das brachte eben nicht die angestrebte Kontrolle über das Spielgeschehen, zumal auch Pass- und Ideengeber Toni Kroos von den Italienern, meist Eder, in Manndeckung genommen wurde.

In der zweiten Hälfte schaffte es die deutsche Mannschaft dann wenigstens für eine gewisse Zeit, ihr gewohntes Spiel aufzuziehen. Wenn es mal zügig ging, wurde es auch gleich gefährlich. So wie nach einem Konter über Mario Gomez, der gut auf Müller ablegte. Dessen Schuss kickte für den geschlagenen Torwart Gianluigi Buffon Mittelfeldspieler Florenzi akrobatisch weg.

Doch nach gut einer Stunde und einer ganz ähnlichen Spielauslösung brachte Gomez vom linken Flügel aus den durchgelaufenen Hector in Position, der klug zurücklegte, wo Mesut Özil mit links das 1:0 erzielte. Kurz darauf hätte Gomez fast das Tor zum 2:0 erzielt, doch Buffon lenkte den Ball reflexhaft über die Latte.

Aber just in der Phase, in der die deutsche Elf dabei war, das Spiel in den Griff zu bekommen, stellte sich der sonst so umsichtige Boateng einmal ungeschickt an. In einem Kopfballduell mit Giorgio Chiellini flog der Ball an seinen nach oben ausgestreckten Arm, was Schiedsrichter Viktor Kassai aus Ungarn als Absicht auslegte. Den Strafstoß vollstreckte Italiens Abwehrchef Leonardo Bonucci zwölf Minuten vor dem Ende zum 1:1.

Während sich das deutsche Team nach diesem ersten Gegentreffer bei diesem Turnier kurz berappeln musste, beflügelte der Ausgleich die Mannschaft von Trainer Antonio Conte. Es wurden noch einmal spannende Schlussminuten, in denen sich Hummels nach einem unnötigen Einsteigen eine Gelbe Karte abholte. Für das Halbfinale ist er gesperrt. Doch das ging nach Spielende erst einmal fast unter, denn die deutsche Mannschaft bejubelte ausgiebig den Erfolg gegen die so schwer zu bezwingenden Italiener.

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