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Pal Dardai hat mit Hertha das Ruder herumgerissen. Aber weitere Siege sind nötig.

© Imago/Matthias Koch

Update

2:1 gegen den VfB Stuttgart : Hertha BSC erkämpft sich eine neue Chance

Mit dem verdienten Erfolg gegen die Schwaben sehen die Berliner plötzlich wieder Land im Abstiegskampf, zumal neben den Stuttgartern auch Konkurrent Bochum verliert.

Als die rote 5 auf schwarzem Grund aufleuchtete, war Pal Dardai kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Er suchte den ehrlichen Dialog mit dem Vierten Offiziellen. Warum denn so lange? Eine schlüssige Erklärung bekam der Trainer von Hertha BSC offenbar nicht. Dardai wandte sich ab, eine Mischung aus Entsetzen und Unverständnis im Gesicht.

Letztlich überstand seine Mannschaft auch die fünfminütige Nachspielzeit ohne Schaden, die Verlängerung der Abwehrschlacht, die bereits geraume Zeit im Gange war. Jede Grätsche wurde bejubelt, jedes Tackling gefeiert, jeder Schuss des VfB Stuttgart, der das Ziel verfehlte, von einem Schrei der Erleichterung begleitet. „Wie sich in den letzten fünf Minuten jeder in die Zweikämpfe geworfen hat, das war eine geile Leistung von uns“, sagte Florian Niederlechner. „Genauso musst du im Abstiegskampf auftreten.“

Die Hoffnung lebt weiter. Oder wieder, nachdem sich Hertha BSC am Samstag vor 63.443 Zuschauern im Olympiastadion mit 2:1 (2:1) gegen den VfB Stuttgart durchgesetzt hat. Vier Spiele, vier Siege hatte Dardai als Motto für das Saisonfinale ausgegeben. Der erste Sieg für das Wunder vom Westend, der erste nach acht vergeblichen Versuchen und zuletzt vier Niederlagen nacheinander, ist unter Dach und Fach. „Wir haben gezeigt, dass wir leben, dass wir noch da sind“, sagte Maximilian Mittelstädt.

Nach wie vor ist die Lage für den Berliner Fußball-Bundesligisten ernst, aber sie ist zumindest nicht mehr aussichtslos. Sechs Punkte Rückstand waren es vor dem Spieltag für Hertha, drei sind es nun noch auf den Relegationsrang, den jetzt der VfB Stuttgart belegt, fünf auf den neuen Tabellenfünfzehnten Schalke 04.

Nach der 0:2-Niederlage bei den Bayern hatte Dardai seine Mannschaft auf vier Positionen verändert. Neben Stevan Jovetic, Marc Kempf und Marco Richter stand auch Marton Dardai in der Startelf, der an der Seite von Lucas Tousart auf der Sechs spielte und mit langen Bällen aus der Tiefe die Stuttgarter Defensive überspielen sollte.

Das funktionierte in der ersten Halbzeit nur punktuell, als Dardai nach einer knappen halben Stunde auf Dodi Lukebakio passte. Nach dessen Hereingabe trat Tousart aus verheißungsvoller Position über den Ball und vergab damit eine große Chance zur Führung. Die fiel unmittelbar danach, als Marco Richter nach einer abgewehrten Ecke erneut zum Flanken kam. In der Mitte rauschte Marc Kempf heran und wuchtete den Ball ins Tor.

Die Entscheidung. Florian Niederlechner l trifft zum 2:1.

© imago/Andreas Gora/IMAGO/Andreas Gora

Herthas Verteidiger hat früher selbst für den VfB gespielt, war sogar Kapitän der Stuttgarter. Doch anders, als es sich inzwischen eingebürgert hat, übte er sich nach dem Treffer nicht etwa in Zurückhaltung, sondern brach wie seine Kollegen und der blau-weiße Teil des Stadions in ekstatischen Jubel aus. Der aufgestaute Druck musste endlich raus.

Die Gäste wurden vor allem durch Serhou Guirassy gefährlich. Der Stuttgarter Mittelstürmer hatte nach fünf Minuten die erste Chance des Spiels. Er scheiterte später auch aus aussichtsreicher Position mit einem direkten Freistoß, weil Filip Uremovic seinen Kopf noch in die Flugbahn des Balles brachte. Und er erzielte knapp zehn Minuten vor der Pause schließlich den Ausgleich für den VfB.

Die Jungs haben leidenschaftlich verteidigt.

Herthas Trainer Pal Dardai lobte seine Mannschaft nach dem Spiel.

Herthas Defensive sah in dieser Szene nicht gut aus. Kempf zog in der Mitte den Kopf ein, Richter ließ Josha Vagnoman ziehen, so dass Guirassy den Ball am Ende nur noch über die Linie stupsen musste.

Das Tor erwies sich kurzzeitig als Stimmungstöter im Olympiastadion. „Wir woll’n euch kämpfen seh’n“ war eine Minute vor der Pause aus der Ostkurve zu hören. Dabei war Hertha eines nicht vorzuwerfen: zu wenig kämpferischer Einsatz. Eher mangelte es an spielerischen Mitteln. Aber als sollte sich nach all den Tiefschlägen in dieser Saison doch noch alles zum Guten wenden, war es eine Standardsituation, nicht gerade Herthas Spezialdisziplin, die den Glauben an den Klassenerhalt neu befeuerte.

Selbst Standards funktionieren plötzlich

In der Nachspielzeit der ersten Hälfte trat Dodi Lukebakio einen Freistoß flach in den Stuttgarter Strafraum. Niederlechner bekam nach eigener Aussage nur den Stollen seines Schuhs noch an den Ball. Doch das reichte, um Fabian Bredlow so zu irritieren, dass dem Torhüter der Stuttgarter der Ball durch die Beine flutschte. Für Niederlechner war es das erste Tor für Hertha. Einen besseren Moment hätte er sich kaum aussuchen können.

„Der Spielverlauf war denkbar ungünstig“, sagte Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß über das Tor unmittelbar vor der Pause. Seine Mannschaft erhöhte nach der Pause den Druck. Hertha ließ sich weit zurückdrängen, reagierte nur noch, statt zu agieren.

Da die Stuttgarter allerdings ebenfalls nicht über die Mittel verfügen, eine massive Defensive auseinanderzuspielen, hielt sich die Bedrohung für die Berliner lange in Grenzen. „Die Jungs haben leidenschaftlich verteidigt“, sagte Dardai. Tatsächlich brachte Hertha den knappen Vorsprung über die Zeit. Ab jetzt heißt es: Drei Spiele, drei Siege.

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