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Nachtschicht. „Malizia“ nach der Ankunft in Itajai.

© Sailing Energy / The Ocean Race

17.000 Meilen und ein Fehler: Boris Herrmann gewinnt Königsetappe beim Ocean Race

Zu Beginn hätte das Segelteam der „Malizia“ beinahe aufgeben müssen. Aber am Ende ist der Vorsprung des Deutschen und seines Teams in Itajai eindeutig. Das zeigt die beste Eigenschaft der Crew: Zusammenhalt.

Es ist bitter, dass es am Ende von 17.000 Meilen und 34 Tagen voller Entbehrungen und Schmerzen nur um Punkte geht. Fünf Punkte höchstens. Und die geben das, worum es auf der Mammutetappe des Ocean Race geht, nicht annähernd wieder.

Was heißt es schon, dass ein Punkt mehr oder weniger am Ende von knapp 70 Meilen abhing, eine Strecke, die einen Unterschied von drei Stunden macht? Dass die letzten taktischen Winkelzüge entlang der brasilianischen Küste noch einmal davon geprägt waren, das Schlimmste eines heftigen Sturms zu umgehen. Dass Boris Herrmann unbedingt mal ein Rennen für sich entscheiden musste, um zu zeigen, dass er neben allem anderen, das ihn auszeichnet, auch gewinnen kann.

Man will ja nicht jetzt noch auf den letzten Metern einen Fehler machen.

Boris Herrmann, 41, Skipper der „Malizia“

Die Aufregung ist dem Hamburger deutlich anzumerken, einen Tag vor der Zielankunft. Ein Video zeigt ihn an der Fernbedienung des Autopiloten herumfingern. Er redet, als stehe er unter Strom. Es stehe „der letzte Push“ bevor, „Push, Push, Push“, betont er wie unter Stromschlägen.

„Das ist so intensiv“, fährt er begeistert vom Speed und dem Zweikampf mit „Holcim-PRB“ um die Führung fort. Mit 36 Knoten rast die „Malizia“ zu diesem Zeitpunkt dahin. „Man will ja nicht jetzt noch auf den letzten Metern einen Fehler machen.“

Tatsächlich ist es wenige Stunden später wirklich nur noch ein Fehler, der „Malizias“ Siegeszug aufhalten könnte. Die französisch-britische Crew der „Holcim-PRB“ um Kevin Escoffier fällt zurück, nachdem ihr Boot bei 50 Knoten Wind mehrfach aus dem Ruder gelaufen war.

Es hatte sie kostbare Zeit gekostet, während die „Malizianer“ mit den rauen Bedingungen des Sturms vor der Küste Argentiniens am besten zurande kommen. Aber auch sie verlieren ein weiteres Vorwindsegel, sodass ihnen nur noch zwei intakte Segel für den Endspurt bleiben.

Duell hinter Kap Hoorn. „Malizia“ (vorne) und „Holcim-PRB“ leisten sich einen „Hundekampf“, wie Kevin Escoffier sagt.

© Antoine Auriol / Team Malizia / The Ocean Race

Es ist ein Wettlauf gegen den Verschleiß des Materials. Und vorne liegt das Boot, das sich am robustesten zeigt: Die „Malizia“ hat den Südozean mehr oder weniger unbeschadet durchquert, nachdem sie anfangs von einem Mastschaden zurückgeworfen worden war.

Da stand es auf Messers Schneide. Eine so umständliche Reparatur in 29 Metern Höhe führt man normalerweise nicht auf See aus. Aber das Quartett entschloss sich, es zu versuchen.

Die Favoriten von „Holcim-PRB“ werden kurz vor dem Ziel von Reparaturen aufgehalten. Im Vordergrund der Brite Sam Goodchild.

© Julien Champolion | polaRYSE / Holcim - PRB / The Ocean Race

Trotz wenig Wind, waren die Wellen hoch. Zwölf Stunden klammerten sich Will Harris und Rosalin Kuiper an die Mastspitze, um den beschwerlichen Job des Laminierens auszuführen.

Nicht nur das gelang. Es gab dem Team den Glauben, dass es mit allem fertig werden könne.

Und als die Rundung Kap Hoorns in Führung liegend zu der Hoffnung berechtigte, dass nun das Schlimmste überstanden sein müsste, hatte das Wetter noch einen Joker im Ärmel. Ein Sturmtief mit mehr Wind, als sie es auf der ganzen Strecke bis dahin erlebt hatten.

„Biotherm“ stößt mit einem treibenden Objekt zusammen. Es beschädigt einen Foil (Foto) und den Rumpf. Die Crew mit Paul Meilhat und Sam Davies setzt die Fahrt mit reduzierter Geschwindigkeit fort.

© Ronan Gladu / Biotherm / The Ocean Race

Auch „Biotherm“, da bereits etwas zurückgefallen, litt unter den Konditionen, die Mannschaft von Paul Meilhat verlor mehrfach die Kontrolle, rammte dann sogar ein treibendes Objekt, so dass durch einen schmalen Riss ein bisschen Wasser ins Boot rann. Sie bildet aktuell das Schlusslicht.

Das Bootsdesign hebt die Stimmung

Glücklicherweise zeigt sich Rosalin Kuiper an Bord der „Malizia“ ein paar Tage nach ihrer Kopfverletzung wieder fit genug, ihren Kameraden etwas Druck zu nehmen. Die Niederländerin war bei schlechtem Wetter im Schlaf aus ihrer Koje geschleudert worden und hatte eine Platzwunde davongetragen. Da sie sich mit einer Gehirnerschütterung schonen musste, wechselten Herrmann und Co-Skipper Will Harris in den Solosegler-Modus, Nicolas Lunven blieb für die Navigation und Taktik verantwortlich. Das dürfte zusätzliche Kräfte verbraucht haben.

Auf die Frage, wie erschöpft er sich fühle, sagt Herrmann nach der Zielankunft, „vor allem bin ich elektrisiert“.

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Mit dem Etappensieg im brasilianischen Itajai verbessert die „Malizia“ ihren Punktestand auf 14, während „Holcim-PRB“ als Zweitplatzierte 19 Punkte auf dem Konto hat. Damit liegt das deutsche Team nun im Ranking auf dem zweiten Platz gleichauf mit den Amerikanern von „11th Hour“.

Statistisch stehen sie besser da. Immerhin hat bisher jedes Team des Ocean Race, das den Weg von Kapstadt bis Kap Hoorn als schnellstes bewältigte, später auch das ganze Rennen gewonnen.

Es bleiben noch vier Etappen, um dieser Tradition gerecht zu werden. 60 Prozent der Punkte sind noch zu vergeben. Allerdings müsste die „Malizia“ jedes Mal mindestens einen Platz besser sein als „Holcim-PRB“, was bisher nur einmal gelang. Aber es geht um sehr viel. Nur die Gesamtsieger tragen sich in die Geschichtsbücher ein. Die anderen versinken im Schatten persönlicher Erfahrungen.

Der Weg nach Genua ist also noch lang für die Racer, die um die halbe Welt rasen können, um dann nur durch ein verpatztes Manöver voneinander getrennt zu werden.

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