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Startstation Ostkreuz: Eine Runde Berlin mit Casper.

© Nikita Teryoshi

Rapper Casper im Interview: „Meine Beziehung zu Berlin ist extrem angespannt“

Vor zwölf Jahren ist Casper nach Berlin gezogen, vor elf hatte er seinen großen Durchbruch. Ein Gespräch über das Älterwerden, Stress und ostwestfälische Freundlichkeit.

Casper, in einem Interview haben Sie mal gesagt, Bielefeld sei die beste Stadt der Welt. Seit zwölf Jahren leben Sie allerdings in Berlin.
Ich hatte nie diesen großen Berlin-Drang. Ich hatte nie die Vorstellung, dass ich hier sein muss, weil ich mich in dieser Stadt verwirklichen und frei sein kann. Dass ich herkam, hatte vor allem pragmatische Gründe. Mein Management war hier, meine Plattenfirma war hier. Also dachte ich, es ist einen Versuch wert.

Wie lief der Versuchsstart?
Ich bin damals als kleine, schüchterne Maus aus Bielefeld gekommen. Die Stadt war grau, überall lag Schnee bzw. Schneematsch und unter unserer Wohnung war eine Bäckerei, die mich mit scheppernden Backblechen geweckt hat. Ich bin dann direkt am ersten Morgen runter und habe – wie man das in Ostwestfalen so macht – „Guten Morgen“ gesagt. Antwort der Verkäuferin: „Ich weiß nicht, was an diesem Morgen so gut sein soll.“

Und? Besser geworden seitdem?
Meine Beziehung zu Berlin ist tatsächlich extrem angespannt. Diese Berliner Schnauze, die ich am Anfang vielleicht noch charakteristisch und irgendwie toll fand, geht mir extrem auf die Nerven. Und manchmal wünsche ich mir für mein Zuhause ein bisschen mehr Ruhe. Mein Beruf ist laut genug. Im Studio ist es laut, auf der Bühne ist es laut, wenn wir auf Tour gehen…

Während der Pandemie war die Musikbranche fast zwei Jahre zur Ruhe verdammt.
Als wir im Februar das Album releast haben, ging noch nicht viel. Wir wollten eigentlich eine Promo-Reise machen. Daraus ist nichts geworden. Wir haben dann einen alten Bus umgebaut und darin Listening-Sessions gemacht. Natürlich alles mit Desinfektionsmittel und Tests – das war ein riesiger Aufwand. Im Mai sollte dann die Clubtour losgehen und wir waren uns lange nicht sicher, ob das wirklich passieren würde. Knapp eine Woche vorher war klar: Das passiert! Und dann sind wir aus der Clubtour quasi direkt in die Festivalsaison gerutscht.

Das Jahr war wieder durchgetaktet.
Man musste in vielen Momenten funktionieren. Ich bin tatsächlich zu einem Frühaufsteher geworden, damit ich morgens Zeit für mich habe. Und ich bleibe nicht mehr so ultra-lange wach, damit ich abends runterkommen kann.

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„Alles war schön und nichts tat weh“ heißt das Album, dass Sie in diesem Jahr auf die Bühnen gebracht haben. Hat sich Ihr Blick darauf über das Jahr hinweg nochmal verändert?
Geschrieben habe ich das Album ja aus der pandemischen Abgeschiedenheit heraus allein in meinem Arbeitszimmer: einen Song über meine mentale Gesundheit, einen Song über meine Verarbeitung der letzten zehn bis zwölf Jahre, einen über meinen erkrankten Freund, einen über meine verstorbene Cousine… Das war für mich sehr befreiend.

Neulich habe ich es mir nochmal angehört: Ich bin mit vielen Sachen super happy, mit wenigen Sachen so zufrieden, dass ich sehr stolz darauf bin und mit wenigen Sachen hätte ich vielleicht noch was machen können. Das ist ja letztlich bei allem so: Wenn ich mir in ein paar Wochen nochmal dieses Gespräch anhöre, denke ich auch darüber nach, was ich noch hätte sagen können – oder was ich besser nicht gesagt hätte.

Die wenigen Songs auf die Sie sehr stolz sind – welche sind das?
Ich finde den Song „Billie Jo“ sehr schön – da bin ich sehr stolz drauf, wie ich das zusammengeschrieben bekommen habe. Ich mag den Song „Wolken“ mit Haiyti sehr gerne. Und den Song Fabian finde ich sehr gut.

Den Song „Billie Jo“ haben Sie als Antikriegssong bezeichnet. In der Nacht vor dem Albumrelease ist Putin in die Ukraine einmarschiert.
Natürlich hat der Song aus Rezipient:innensicht durch den Krieg eine neue tragische Aktualität bekommen. Wir haben am Anfang auch lange darüber diskutiert, ob es okay ist, ihn zu spielen oder ob das vielleicht pietätlos ist. Ich habe mich dann aber dafür entschieden, weil er für mich in erster Linie eine Geschichte erzählt, die ich sehr erzählenswert finde.

Die Geschichte Ihrer Cousine...
Sie war mit einem amerikanischen Soldaten verheiratet. Als er aus dem Krieg zurückkehrt ist, hatte er eine extreme, posttraumatische Belastungsstörung. Irgendwann hat er seine ganze Familie und sich selbst getötet.

Musik ist oft auch das Zentrum meines Stresses

Casper

Sie haben das Album als Ihr erstes „Ich-Album“ bezeichnet.
Ich sehe Musik nicht als Therapie. Es geht nicht darum, dass ich einen Song mache und mich dadurch leichter fühle. Im Gegenteil: Musik ist ja oft auch das Zentrum meines Stresses. Und tatsächlich hat es mich irgendwann extrem gestresst, dass ich auf meinen Alben immer autobiographische, persönliche Erlebnisse verarbeitet habe, gleichzeitig aber alle miteinbeziehen wollte. Ich habe versucht ein großes „Wir“ zu bauen: „Wir fühlen uns so. Wir machen das durch.“ Ich weiß nicht, ob ich das noch will.

Für die Medien waren sie oft „die Stimme einer Generation“.
Ich habe das nie als Kompliment empfunden; ich habe dadurch immer eine auferlegte Verantwortung gefühlt, die zum Teil ja auch da war: Zur Hinterland-Platte gab es ein Magazin-Cover, auf dem ich geraucht habe. Damals haben mir ganz viele entsetzte Eltern geschrieben.

Mittlerweile sind alle älter geworden: Sie selbst haben Ende Juli auf dem Lollapalooza Ihren 40. Geburtstag gefeiert.
Ich glaube, die 20er waren für mich mit einer Art Teenager-Angst verbunden: „Ist die Jugend, ist die sorgenfreie Zeit jetzt vorbei?“ Mit 30 hat sich dann der Druck aufgebaut: „Was mache ich eigentlich mit meinem Leben? Ich glaube, ich bin überhaupt nicht da, wo ich sein sollte.“

Und 40?
Bin ich wirklich auf die positivste Art und Weise geworden, die man sich nur denken kann. Ich weiß gar nicht, wie ich das richtig in Worte fassen soll, aber: Wenn ich es bis hierhin einigermaßen unbeschadet geschafft habe, dann schaffe ich es auch irgendwie weiter. Und das finde ich mega.

Das Interview ist ein Auszug aus dem Tagesspiegel-Ringbahnpodcast „Eine Runde Berlin“. Die ganze Folge hören Sie hier oder bei Spotify, Apple, Deezer und überall dort, wo es Podcasts gibt.

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