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Quatuor Diotima

© Molina Visuals

Quatuor Diotima beim Musikfest Berlin: Liebeserklärung in jedem Nötchen

Zärtliche Brillanz: Das Quatuor Diotima kombiniert beim Musikfest Berlin im Kammermusiksaal der Philharmonie Janáčeks „Intime Briefe“ mit den Quartetten Nr. 3 und 4 von Bartók.

Leopold Mozart meint, dass die Viola d’amore „sonderlich bey der Abendstille recht lieblich klinget“. Das lässt sich vernehmen, wenn die Musiker des Quatuor Diotima dem Musikfest Janáčeks „Intime Briefe“ in der Frühfassung bescheren. Denn dieses zweite Streichquartett, das sich der Leidenschaft des Komponisten für seine Muse und ferne Geliebte Kamila Stösslová verdankt, ist ursprünglich mit einem barocken Instrument in der Altlage besetzt: der Viola d’amore. Die Musik begreift sich als eine Liebeserklärung: „Du wirst in ihr in jedem Nötchen sein.“ Daher die „Liebesviola“ als „besonderes Instrument“, dessen Silberklang mit Griffsaiten sowie unterhalb des Griffbretts gespannten Resonanzsaiten erzeugt wird. Am bekanntesten ist  es bis heute durch die Johannespassion von Bach.

Für den Part der Viola d’amore hat das französische Ensemble Garth Knox gewonnen. Dieser aus Dublin gebürtige britische Musiker hat sich seine Vielseitigkeit als Bratschist des Arditti-Quartetts erworben, nachdem er bis 1990 im Ensemble InterContemporain durch die Schule von Pierre Boulez gegangen war. Als Spezialist des alten Instruments gewinnt  er Schallplattenpreise.

Im Kammermusiksaal der Philharmonie steht er für die weiche individuelle Farbe ein, die in der Partitur den Kontrast zu der Wildheit ihrer Emotionen bildet. Wo aber glühend Fortissimo gespielt wird, auch in Partien, die von slawischen Liedern und Tänzen bestimmt sind, und wo das Streichquartett akkordisch geführt ist, stehen die Chancen für das historische Instrument schlechter, weil sein verliebter Eigenklang zugedröhnt wird. Trotzdem erntet das Experiment, zumal wegen der zärtlichen Brillanz der Viola d’amore, mehr als ehrenvollen Beifall.

„Diotima“: Der Name des Quartetts bezieht sich nicht direkt auf die Geliebte Hyperions, sondern auf das Streichquartett „Fragmente - Stille, an Diotima“ von Luigi Nono, in dem  Gedichtfragmente Hölderlins über den Noten stehen. Das bedeutet Bekenntnis der Interpreten zu neuer Musik, wie sie es praktizieren. Der Thematik des Musikfests gemäß kombinieren sie hier Janáček – auch mit seinem ersten Quartett: „Kreutzersonate“ – und Béla Bartók. Das sind zwei Komponisten, die aus der Volksmusik ihrer heiß geliebten Heimat wissenschaftliches wie künstlerisches Potenzial gezogen haben.

Das Quatuor Diotima (Yunpeng Zhao, erste Violine; Guillaume Latour, zweite Violine; Franck Chevalier, Viola: Pierre Morlet, Cello)  besteht seit 1996 und ist gegenwärtig Fellow des Wissenschaftskollegs Berlin. In den Quartetten Nr. 3 und 4 von Béla Bartók, wo sich in der konstruktiven Arbeit an ihren thematischen Zusammenhängen pralle Musik entfaltet, erreichen die Musiker Gigantisches. In allen dynamischen Graden und Gesten scheinen sie aus einer Seele zu musizieren. Ein Allegretto pizzicato grenzt an Vollkommenheit. Keiner von ihnen ist besser als der zweite Geiger. Erst ganz allmählich schleicht sich in diesem Konzert der Gedanke ein, dass ein Fünkchen mehr an Individualität im einzelnen, an Eigenwilligkeit jedes Spielers gar, die Wirkung noch steigern könnte.  

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