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Wladimir Putin, Präsident von Russland, vor seiner Rede zur Lage der Nation in Moskau.

© dpa/Alexander Zemlianichenko

Putin will weitermachen: So will die Opposition in Russland die Präsidentschaftswahl stören

Die Präsidentenwahl in Russland dauert vom 15. bis zum 17. März und wird Wladimir Putin aller Voraussicht nach seine fünfte Amtszeit sichern. Kremlgegner rufen dazu auf, das Ergebnis nicht anzuerkennen.

In Russland findet an diesem Wochenende die Präsidentschaftswahl statt. Vom 15. bis zum 17. März sind insgesamt mehr als 112 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen – darunter 4,5 Millionen Menschen in den völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. 

Dass Wladimir Putin erneut für sechs Jahre im Amt bestätigt wird, gilt als ausgemacht. Inzwischen regiert er in Russland mehr als 24 Jahre – 20 davon als Präsident. Die Verfassung sieht vor, dass er nach dieser Wahl noch einmal für maximal eine weitere sechsjährige Amtszeit wiedergewählt werden kann. Aber wer weiß, vielleicht lässt er die Verfassung ja erneut ändern, sodass er auch nach 2036 – sollte ihn seine Gesundheit nicht daran hindern – an der Macht bleiben kann.

Wladimir Putin ist aktuell 71 Jahre alt. 2036 wäre er also 83 – und damit der älteste Herrscher, den Russlands jemals hatte. Aber Putin ist bei weitem nicht der dienstälteste Herrscher in Europa: Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hält sich seit 1994 – und damit noch sechs Jahre länger.

Wer tritt bei den Wahlen an?

Neben Putin stehen drei weitere Kandidaten auf den Wahlzetteln: der 75-jährige Kommunist Nikolai Charitonow, der in eine Reihe von Skandalen wegen sexueller Belästigung von Journalisten verwickelt ist; der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalistischen Partei LDPR. Sie sind nicht nur völlig chancenlos, sie sind in wesentlichen Punkten auch voll auf Kremllinie.

Debatten im Vorfeld der Wahlen hat sich Wladimir Putin entzogen. Außerdem scheint der Kreml wohl zu wissen, dass die Russen Putin satthaben könnten. Denn: Fotos von ihm auf Wahlplakaten gibt es nicht.

Vor wem hat Putin bei diesen Wahlen Angst?

Jene Präsidentschaftsbewerber, die sich gegen den Militäreinsatz in der Ukraine stellten, schlossen die Behörden von der Wahl aus – wegen angeblicher Formfehler. So dürfen der Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin und die Journalistin Jekaterina Dunzowa nicht antreten, obwohl sie die Unterschriften von Zehntausenden Unterstützern gesammelt hatten.

Nadeschdin ist ein 60-jähriger politischer Hinterbänkler, aber mit enormer Erfahrung (er hatte sein erstes gewähltes Amt in der Region Moskau schon vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion inne). Nadeschdin vertritt stets liberale, pro-westliche Überzeugungen und etablierte sich als „Prügelknabe“ in Propaganda-Talkshows.

Wahrscheinlich wegen der Vorhersehbarkeit von Nadeschdins Tuns und seines extrem geringen Wiedererkennungswerts beschloss die Präsidialverwaltung, dass dies der ideale Sparringspartner für Putin aus der pro-westlichen Bevölkerungsschicht sein könnte. Ein Mann, der ein paar Prozent Wählerstimmen der Unzufriedenen bekommt, aber eben nicht mehr.

Die ersten Januartage zeigten, wie sehr sich Putins Leute mit ihm verkalkulierten. Nadeschdin sagte, wenn auch vorsichtiger als Dunzowa, dass der Einmarsch in die Ukraine ein Fehler gewesen sei, dass man sofort abziehen müsse und Russland endlich einen Machtwechsel brauche.

Anders als von Putin erhofft, bildeten sich nach diesen Aussagen lange Schlangen vor den Unterschriftensammelstellen. Rund 200.000 Menschen unterstützten Nadeschdin mit ihrer Unterschrift bei seiner Kandidatur. Und zwar nicht nur in Metropolen wie Moskau und St. Petersburg, sondern auch im Wolgagebiet, im Ural, in Südrussland und in Sibirien.

Offenbar sahen hier einige Menschen die Möglichkeit, ihre Antikriegshaltung zum Ausdruck zu bringen. Ein relativ unbekannter Mann wurde so plötzlich zum nationalen Liebling. Im Internet machten Memes die Runde. Weil Putin das natürlich nicht gefiel, ließ er die Unterschriften für ungültig erklären, Nadeschdin wurde von der Wahl ausgeschlossen.

Wie wird Putin „gewinnen“?

Niemand im Land ist seit langem in der Lage, unabhängige soziologische Messungen durchzuführen, die eine sichere Aussage darüber zulassen, ob Putin von mehr als der Hälfte der russischen Wählerschaft unterstützt wird oder nicht.

Bereits im Frühjahr 2023 legte der Kreml Berichten zufolge fest, die offiziellen Ergebnisse der vergangenen Wahlen übertreffen zu wollen. Dieses Mal müsse die Wahlbeteiligung bei über 70 Prozent liegen und Putins Ergebnis bei über 80 Prozent.

Unabhängige Wahlbeobachter wird es nicht geben. Der Leiter der größten einschlägigen NGO wurde einige Monate vor den Wahlen verhaftet. Beobachter der OSZE wurden nicht eingeladen. Lediglich drei Abgeordnete der AfD wollen hingehen, wie der Bayerische Rundfunk schreibt.  

Die elektronische Stimmabgabe ist in etwa einem Drittel der Regionen verfügbar. Die Russen werden dazu aktiv überredet, zum Beispiel durch Druck von ihren Vorgesetzten (wenn es sich um ein staatliches Unternehmen handelt). Die Auszählung der elektronisch abgegeben Stimmen zu kontrollieren, ist quasi unmöglich.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2021 in Moskau verloren die regierungsfreundlichen Kandidaten „auf dem Papier“ in allen 12 Bezirken und holten nur durch die Addition der elektronischen Stimmen auf.

Außerdem neigen die Wähler immer mehr dazu, zu Hause zu wählen – das Verfahren wurde für die ältesten und weniger mobilen Bürger entwickelt. Berichten zufolge soll es in der Vergangenheit schon dazu gekommen sein, dass Wahlhelfer mit einem dünnen Stapel von Stimmzetteln zu den Wählern nach Hause gegangen und mit einer Wahlurne voller Stimmzettel zurückkehrt sind.

Wie reagiert die Opposition?

Alle Gegner des Präsidenten sollen am Sonntag gleichzeitig um 12 Uhr (10 Uhr MEZ) zu den Wahllokalen kommen und anschließend für einen der Gegenkandidaten stimmen oder den Wahlzettel mit dem Schriftzug „Nawalny“ ungültig machen. Die Aktion nennt sich „Noon against Putin“ (Mittag gegen Putin).

Vor seinem Tod hat Alexej Nawalny die Aktion öffentlich unterstützt, gefolgt von seiner Frau Julia, die seine Sache weiterführt. So ist „Noon against Putin“ nun das politische Testament Nawalnys. Denn im Gegensatz zu einer Protestkundgebung ist eine Schlange vor einem Wahllokal etwas, das sich sehr viel schwieriger für illegal erklären lässt.

Der entscheidende Unterschied zwischen den Präsidentschaftswahlen in Russland 2024 und den Wahlen 2018 ist die Abstimmung in den besetzten Gebieten der Ukraine: in den Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Die Krim hat bereits an zwei Parlaments- und einer Präsidentschaftswahl teilgenommen.

Bemerkenswert ist, dass die russische Opposition und einige Persönlichkeiten im Westen zunehmend Brüssel, Washington, Berlin und Paris auffordern, Putin nach 2024 nicht mehr als Präsidenten Russlands anzuerkennen (wie es bereits nach 2020 mit Alexander Lukaschenko geschehen ist).

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