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Mundraub in Glindow. Hella Propella (l.) mit der neuen Kirschkönigin Anika Wolf.

© hkx

Potsdam-Mittelmark: Wie Werder seine Kirschen feiert

Auf der Kirschplantage des Obsthofs Wels wurde am Dienstag Werders Kirschsaison eröffnet und die neue Kirschkönigin vorgestellt. Sie will mit Klinikclownin Hella Propella Gutes tun

Werder (Havel) - Walter Kassin hat dieses Jahr noch nicht trainiert, sonst wäre ihm das nicht passiert. Bei einem kleinen Zweikampf im Kirschsteinweitspucken unterliegt er an diesem Mittwochvormittag der Clownin Hella Propella. Gemessen wird nicht, aber Propella schafft so etwa zehn Meter. Und Kassin bleibt weit unter seiner Bestleistung von 18 Metern, mit der er vor einigen Jahren den „Werder-Deutscher-Meister-Titel“ errang, wie er selbst erzählt. Quatsch sei doch das Wichtigste im Leben, kommentiert Hella Propella.

Wie jedes Jahr findet im Werder-Ortsteil Glindow, auf der Plantage von Obstbauer Wels, ein fröhlicher, kleiner Start der Kirschernte statt, erfrischt durch einen Schauer. Die neue Kirschkönigin wird vorgestellt, das Programm zum Kirsch- und Ziegelfest. Am Rande wird genascht und geflachst. Und die Obstbauern erzählen ein paar Tage nach dem Erntestart, wie es in diesem Jahr so laufen könnte mit der Kirschernte.

Seit dem Wochenende werden die ersten Kirschen verkauft, sagt Heiko Wels, mit dessen 23-jährigem Sohn Hendrik gerade die sechste Generation ins Glindower Familienunternehmen eingetreten ist. Burlat und Elise heißen die frühen Sorten auf dem Welsschen Hof, die für fünf Euro das Kilo auf Werders Frischemarkt und in der Berliner Obstallee über die Theke gehen. Später folgen die Lieblingsknuppern der Kunden, Cordia und Regina – wobei es hinsichtlich Geschmack und Volumen auch aktuell nichts zu meckern gibt.

Zwei Monate kann jetzt geerntet werden, Wels ist zufrieden mit dem, was an den Bäumen hängt. In der Blütezeit habe es eine recht kalte Woche gegeben, das habe kaum Spuren hinterlassen. Die Zweige biegen sich unter der Last der Früchte. „Abgerechnet wird aber erst zum Schluss“, sagt Heiko Wels. Die Frage sei ja immer, wie viele von all den Kirschen auch geerntet werden können. Bei allzu viel Feuchtigkeit und Regen drohten die Früchte zu platzen.

Für eine reiche Ernte steht die diesjährige Glindower Kirschkönigin Anika Wolf, ein Original aus dem Ort. Beim Kirsch- und Ziegelfest am ersten Juliwochenende am Jahnufer – dem hübschen Dorf- und Vereinsfest des Orts – wird die 26-Jährige inthronisiert, die als Sachbearbeiterin in einem Potsdamer Unternehmen arbeitet. Papa und Opa haben in der Ziegelei gearbeitet, das ist sogar auf Fotos im Ziegeleimuseum dokumentiert. Und dass das Töchterchen dort auch mal selbst Kohlen geschaufelt hat, ist zumindest der Familie in Erinnerung geblieben.

Erstmals will Anika Wolf im grün- weiß-roten Dirndl der Kirsch- und Ziegelkönigin nicht nur ihr Dorf und den traditionsreichen Obstbau repräsentieren. Sie hat sich auch ein Sozialprojekt auf die Fahnen geschrieben – gemeinsam mit dem Zuckerbaum-Verein, der auf der Glindower Platte eine Streuobstwiese als Spieltreff für kranke und sozial benachteiligte Kinder eingerichtet hat. Jetzt will der Verein – sozusagen als zweites Standbein – die Klinikclown-Bewegung unterstützen, besonders Besuche in Kinderstationen von Krankenhäusern. Beim Baumblütenfest wurden erste Spenden dafür eingesammelt. Anika Wolf will dabei sein und helfen, dass noch mehr Geld zusammenkommt für solche Clownsbesuche.

Da kommt Hella Propella ins Spiel, eine von acht Potsdamer Klinikclowns, die – geprüft vom Dachverband „Clowns in Medizin und Pflege“ – auftreten, wo es Menschen gerade besonders schwer haben. Hella Propella war beim Saisonstart am gestrigen Dienstag mit von der Partie, spielte auf der Plantage „Kirschen klauen“, tanzte mit Bürgermeisterin Manuela Saß und setzte der Kirschkönigin völlig respektlos eine rote Clownsnase auf. Die nahm’s gelassen und heiter.

Nicht zu vergessen Walter Kassin, Abkömmling einer Werderschen Obstbauerndynastie, aus deren Reihen die berühmteste Herzkirsche der Region, „Kassins Frühe“, stammt. Kassin pflegt das Andenken seiner Ahnen, hat natürlich eine Frühe im Garten stehen, an der sich zurzeit auch die Spatzen freuen. Er ist Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins und damit zuständig für den Frischemarkt am Strengfeld, den der Verein seit einiger Zeit mit wachsendem Erfolg betreibt.

Auch dort soll die Kirsche mit verschiedenen Aktionen und Köstlichkeiten ausgiebig gefeiert werden, am Samstag, dem 25. Juni. Nach langen Jahren soll es dann wieder eine Kirschsteinweitspuckmeisterschaft geben, ein spektakuläres Ereignis. Kassin wird noch ein paar Trainingseinheiten einschieben müssen, um seinen Titel zu verteidigen, der Nachwuchs schläft nicht. Hella Propella gab er gestern ein paar Tipps, zeigte, wie man die Zungenspitze zum „U“ formen und den Stein vor dem Spucken gründlich ablutschen muss, damit die anhaftenden Reste nicht den Luftwiderstand erhöhen.

Hella Propella stellte ganz spontan eine neue, noch abenteuerlichere Variante der Obstsportart vor: Kirschsteinhochspucken.Henry Klix

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