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Breshnew, Tito, Castro... Peter Friedrich hat sie mit seiner Mannschaft auf Schloss Schönhausen alle bekocht.

© dpa

Ausstellung zeigt Staatsgäste der DDR in der Region: Indira Gandhis Sonderwunsch

Der Petzower Peter Friedrich war Chefkoch im DDR-Staatsgästehaus Schloss Schönhausen. Zu einer Ausstellung, die dort am Freitag eröffnet wird, hat er nicht nur die alten Speisekarten beigetragen.

Werder (Havel)/Berlin - Als die Defa den Staatsbesuch Indira Gandhis in der DDR 1976 in allen protokollarischen Details dokumentierte, da fehlte auch eine Szene vom Abschlussessen auf Schloss Schönhausen nicht. Nehrus Tochter hält eine Rede, Erich Honecker antwortet, freundschaftlich verbunden im Kampf für Frieden, Sicherheit und sozialen Fortschritt. Dass das Bankett der indischen Premierministerin zu heftigsten Verwicklungen in der Küche des wichtigsten Gästehauses der DDR-Staatsführung geführt hatte, lässt der Film freilich aus. Der Petzower Peter Friedrich kann die Geschichte erzählen.

Seit 1958 hatte er als „Commis de Cuisine“ für die Gästehäuser der DDR-Regierung gearbeitet, lernte schnell dazu, bewährte sich, war seit 1964 „Chef de cuisine“ in Schloss Schönhausen und damit einer der wichtigsten Köche des jungen, sozialistischen Staates. 45 Köche, Konditoren, Fleischer und Bäcker waren bei ihm beschäftigt und fast 40 Kellner, als Indira Gandhi 1976 in die DDR reiste.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Schloss zunächst dem DDR-Staatsoberhaupt Wilhelm Pieck als Amtssitz gedient. Aus Schloss Schönhausen wurde in typischer SED-Verbiegung das „Schloss in Niederschönhausen“. Der Schlosspark mit den Villen rundherum waren Vorgänger der „Gated Community“ in Wandlitz, hier richtete sich die komplette Staatsspitze ein.

Tito war der Erste

Nach Piecks Tod wurden Schloss und die Villen seit 1963 als Übernachtungsstätten für Staatsgäste umgebaut, das Schloss hatte einen Bankettsaal für fast 200 Gäste und war Staatsoberhäuptern vorbehalten. Der jugoslawische Staatschef Tito sei der erste gewesen, der hier empfangen wurde, so Peter Friedrich. Breshnew, Castro und Gorbatschow nächtigten hier und genossen die Gaumenfreuden und den Wodka, die der Chefkoch mit seiner Mannschaft servierte.

Internationale Küche war der Anspruch, den der Küchenchef verfolgte, die schönsten Menükarten hat er gerade an eine Ausstellung verliehen, die ab dem morgigen Freitag am Ort des Geschehens an diese Etappe der Schlossgeschichte erinnern soll. Andere Karten wie die vom 31. Januar 1984, als Honecker den Ministerpräsidenten Kanadas, Elliott Trudeau in Empfang nahm, liegen noch in seinem Archiv. Pikanter Geflügelcocktail und Tomatencremesuppe standen als Vorspeisen auf der Karte, als Hauptgang Gespickte Rindslende mit Edelgemüsen und Petersilienkartoffeln. Als Dessert wurde Champagnercreme serviert und danach der obligatorische Mokka mit Feingebäck. Feiner alter Korn, Meißner Müller Thurgau, Sekt „Grande Mousseux“ und Weinbrand „Grande Reserve“ wurden dazu gereicht.

Staatsbesuche dauerten meist eine Woche

Staatsbesuche, erinnert sich der rundliche Senior, dauerten damals meist eine ganze Woche. Indira Gandhi etwa hatte ein eng gestricktes Fünf-Tages-Programm. Begrüßung in Berlin, Schweigeminute an der Neuen Wache, Besuch einer Werkzeugmaschinenfabrik und des Pergamon-Museums, Eintrag ins Goldene Buch und Empfang mit Genossenschaftsbauern aus Golzow, zwischendurch Gespräche mit dem ZK-Chef und Pressekonferenz – es war der typische Ablauf. Ein festliches Essen im Schloss bildet den Abschluss des Besuchs.

Peter Friedrich erzählt, dass das gängige Praxis war: Am Anfang gab es ein Bankett des Gastgebers, am Ende ein Bankett der Gäste. Im Fall Indira Gandhis wurde ein Viergänge-Menü gewünscht, mit dem Peter Friedrich an sich keine Schwierigkeiten hatte. Garnelencocktail, Taubenkraftbrühe und als Hauptgang was mit Huhn. Das am Tisch gewünschte Dessert hatte es allerdings in sich: Omelette Surprise. „Das ist in der Zubereitung die schwerste Süßspeise, die man sich vorstellen kann“, erzählt er. „Ich habe dem Protokoll gesagt, das ist für 200 Gäste in der kurzen Zeit nicht drin.“

Omelette Surprise

Friedrich war seinerzeit ein gestandener Mann, begleitete den Außenminister auf seinen Staatsreisen, hatte sich im Gästehaus auch bewährt, als sich die Versorgungslage Ende der 1960er-Jahre verschlechterte, hatte einige Küchen der ganz großen Hotels dieser Welt kennengelernt und die Küche im Palast der Republik aufgebaut. Pannen wie die, dass der tschechoslowakische Staatschef Gustáv Husák auf seiner Rundreise durch die DDR fünf Tage lang Entenbraten serviert bekam, hat es unter Chefkoch Friedrich nicht mehr gegeben. Und nun das.

Omelette Surprise. Das Protokoll machte Druck, Friedrich sollte sich etwas einfallen lassen. Eine Schlappe mit so einer Bagatelle wollte man sich nicht leisten. „Damals wurden wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt“, erinnert sich der 81-Jährige. Das Dessert besteht aus Schichten von Eiscreme und Biskuit, obenauf aufgeschlagenes Eiweiß, das vor dem Servieren abgeflammt wird. Die Kühlräume im Keller des Schlosses wurden ausgeräumt, sämtliche Tiefkühlwagen des VEB Fleischkombinats Berlin als Ausweich auf den Hof gestellt. Wie sich an jenem Tag die Versorgungslage der Hauptstadt änderte, ist nicht überliefert.

Um 9 Uhr habe man mit der Zubereitung der Überraschungs-Omeletts begonnen, Schlagmaschinen im Kühlkeller aufstellen lassen, um 1000 Eiweiße aufzuschlagen, alles vorbereitet, so weit es ging. Nur das Abflammen, das konnte man erst kurz vor dem Servieren bewerkstelligen. Allein die Desserts aus dem Keller in den Bankettsaal zu schaffen, sei eine Meisterleistung des kompletten Personals gewesen. Am Ende gelang es, ohne dass jemand der Gäste oder die Defa etwas davon mitbekam. Die hätte wohl ohnehin nicht davon berichtet, ist er sich sicher.

"Das DDR-Außenministerium war schneller" 

Peter Friedrich hatte gar nicht Koch werden wollen, sondern Rundfunkmechaniker. Doch als sein Vater 1948 völlig abgemagert aus russischer Kriegsgefangenschaft nach Oschatz heimgekehrt war, habe er seinem Sohn geraten, „etwas mit Essen“ zu lernen. So nahm Peter Friedrich eine Bäcker- und Konditorlehre auf, pendelte als Geselle zwischen Ostsee und der Mitte Sachsens, ließ sich auf Rügen zum Koch umschulen und bewarb sich, nachdem er seine Frau kennengelernt hatte, in großen Häusern in Berlin. „Es hätte auch der Berolina-Keller werden können, aber das DDR-Außenministerium war schneller.“ So gelangte er also ins Schloss Schönhausen, bekochte die Staatsgäste der DDR und wurde Puzzleteil der Ostgeschichte. Die Gandhi-Episode ist eine von vielen, die er seinen Essensgästen bis heute erzählt.

Nach der Wende hat er die Hände nicht in den Schoß gelegt, gründete den Landesverband der Köche Berlin-Brandenburg, rief eine hocherfolgreiche Regionalmannschaft aus Jungköchen ins Leben und war Steigbügelhalter für Brandenburgs Kochweltmeister Ronny Pietzner. Seit Ende der 2000er-Jahre genießt er mit seiner Frau im kleinen Petzower Häuschen mit Seeblick den Ruhestand. Zur Ausstellung im Schloss Schönhausen, die an die DDR-Etappe des Anwesens erinnert, konnte er einige Erinnerungen und Exponate beitragen. „Es freut mich, dass das nicht verloren geht.“

Die Ausstellung ist vom 1. April bis 3. Juli in Schloss Schönhausen zu sehen. Unter dem Titel „Schlösser für den Staatsgast – Staatsbesuche im geteilten Deutschland“ läuft gleichzeitig eine Schau im Schloss Augustusburg bei Bonn. Schirmherr beider Ausstellungen ist Bundespräsident Joachim Gauck.

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