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Kultur: Hausmusik auf hohem Hofniveau

Geburtsfest für die „Cammermusik Potsdam“ in der Friedenskirche Sanssouci

Geburtsfest für die „Cammermusik Potsdam“ in der Friedenskirche Sanssouci Von Peter Buske Die vorgeburtlichen Aktivitäten hätten mit viel Lust und Freude stattgefunden, wie Beteiligte versichern. Würde die Geburt des Nachwuchses, bereits als „Cammermusik Potsdam“ ins Namensregister eingetragen, ebensolchen Spaß bereiten? Insgesamt acht Vätern und Müttern verdankt sich der propere Sprössling seine Existenz, auf die er – gebettet in die Wiege der Alten-Musik-Szene und mit allen Insignien derselben versehen – durchweg mit anmutigen Lauten aufmerksam. Allerdings stößt sein Erscheinen, am Sonntag in der Friedenskirche, auf nur mäßiges Interesse. Doch das Sonntagskind ficht es nicht an. Es vertraut mit den ersten Atemzügen auf seine Anlagen, als da sind: Leichtigkeit und Lebendigkeit, klare Diktion, anschmiegsames und wärmeklang-liebendes Kuscheln, leidenschaftliches Strampeln ... Die Paten sind auch sogleich zur Stelle: jene Komponisten und Instrumentalisten, die in der Hofkapelle Friedrichs II. wirken und deren europäischen Ruhm begründen. Durch sie soll sich heutigen Zuhörern erschließen, was ab 1747 in Musikzimmern von Schloss Sanssouci, im Neuen Palais oder im Potsdamer Stadtschloss erklingt. Die von Johann Joachim Quantz, des Monarchen Flötenlehrer geleiteten Konzerte enthalten neben Kammermusik und solistisch besetzten Orchesterwerken auch Opernarien und Kantaten der Lieblingskomponisten Seiner Majestät. Von jedem etwas hält auch das Konzert zur Neugeburtsfeier bereit. „Die Musik begann mit einem Flötenkonzerte, in welchem der König die Solosätze mit großer Präzision vortrug. Seine embouchure Mundstück, Mundansatz/d.A.] war klar und eben, seine Finger brillant und sein Geschmack rein und ungekünstelt“, überliefert uns der englische Musikreisende Charles Burney. „Ich war sehr erfreut und sogar erstaunt über die Nettigkeit seines Vortrags in den Allegros sowohl als über seinen empfindungsreichen Ausdruck in den Adagios.“ Ähnliches lässt sich auch über die Künste von Andrea Theinert niederschreiben, die auf einer Traversflöte gleichsam des Monarchen Solopart übernimmt. In ihrem Verlauf folgen die Stücke ähnlicher Anlage, die durchweg von einem langsamen Satz eröffnet werden (zumeist ist''s ein Largo); denen schließt sich ein moderat zügigerer an, gefolgt von einem dritten im Vivace-Trubel. Durch solche Abfolge erhalten wir auch ungewollt Kunde von Friedrichs Flötenkönnen, das erst allmählich in (Atem-)Fahrt zu kommen scheint. Auffällig in Quantzens 57. Flötenkonzert e-Moll zu vernehmen, bei dem die Streicher in frischer Manier auftrumpfen, sich allerdings stark in Tempo und Dynamik zurücknehmen, wenn das Soloinstrument ins Spiel kommt. Den Reigen der musikalischen Zerstreuungen, die sich als kurz gefasste Hausmusik auf hohem Hofniveau entpuppt, eröffnet Johann Gottlieb Grauns (1703-1771) G-Dur-Sonate für Traversflöte, Violine und Basso continuo. Technisch ist sie wenig anspruchsvoll, verlangt allerdings nach viel Legato und guten Lungen. Galantes Musizieren, wohin man hört. Die Violine (Wolfgang Hasleder) fügt viel Figuratives hinzu, das Continuo – bestehend aus Violoncello (Kathrin Sutor) und Cembalo (Robert Nassmacher) – zeigt sich ganz von seiner lebendigen und ausdrucksvollen Seite. Nicht weniger gefällig geben sich das Quartett G-Dur für Flöte, Violine, Viola (Stephan Sieben) und Basso continuo von Johann Gottlieb Janitsch (1708 – um 1763), der als Contraviolinist an Friedrichs Soireen teilnimmt, und die geschmackvolle Violinsonate c-Moll von Franz Benda (1709-1786), der neben viel Trauer- und Seufzermelodik auch eine gewisse zigeunerische Wildheit nicht abzusprechen ist. Was er einer geläufigen Gurgel alles zumuten kann, weiß Johann Adolf Hasse (1699-1783) durch Primadonnen-Gattin Faustina, geborene Bordoni. In der empfindungsreichen Kantate „Se il cantor trace, oh Dio“ (Wenn der thrakische Sänger) für Alt, zwei Violinen und B.c. klagt ein der Liebe seines Herzens verlustig gegangener Jüngling, dessen Brust affektreiche Leidensbekundungen entströmen. Als sachkundige Anwältin erweist sich Kristiina Mäkimattila (Alt), die mit Ziergesang und Koloraturenvortrag gut vertraut ist. Dass sich Clavicembalist Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) zunehmend vom Geschmack des Alten Fritz'' abwendet, beweist auch seine 1773 entstandene Streichersinfonie Nr. 4 A-Dur, die das Tor zu neuen Klangwelten aufstößt. Sie ist von Sturm und Drang durchbebt. Entsprechend kontrastbetont wird sie musiziert. Von einem Ensemble, das sich dem Versuch unterzieht, auf die wahre Art die Gemüter zu erregen. Der Beifall fliegt ihnen anhaltend zu, was beweist: Geburt und Taufe sind erfolgreich verlaufen. Die Kindeseltern freut''s. Sie sind bereits mit weiteren nachgeburtlichen Aktivitäten beschäftigt.

Peter Buske

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