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„Ash Wednesday“ hat am 21.2. im Kino International Berlinale-Premiere und läuft danach achtmal auf dem Festival.

© Schuldenberg Films / Nascimento

Brasilien made in Babelsberg: Filmuni mit „Ash Wednesday“ bei der Berlinale dabei

Der Film des Regiestudenten João Pedro Prado läuft in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“. Er spielt in einer brasilianischen Favela, aber gedreht wurde in Potsdam.

Am meisten freut Bárbara Santos und João Pedro Prado die Kategorie, in der ihr Film „Ash Wednesday“ auf der Berlinale laufen wird: Perspektive Deutsches Kino. „Ash Wednesday“ erzählt von Polizeigewalt gegen Schwarze in Brasilien, gedreht wurde auf Portugiesisch. Ein Musical. Brasilianische Rhythmen, brasilianische Farben. „Dass dieser Film in der Perspektive läuft: Was sagt das bitte darüber aus, was deutsches Kino heute ist!?“, sagt Prado. Es begeistert ihn.

Dabei war bis wenige Tage vor Eröffnung der Berlinale nicht klar, ob er überhaupt dabei sein würde: Sein Studentenvisa war ausgelaufen. Der „Kampf mit der deutschen Bürokratie“ und die Freude über die Anerkennung des deutschen Filmbetriebs, sie gehen bei ihm Hand in Hand. Seit 2019 studiert João Pedro Prado an der Filmuni Babelsberg Regie. In Deutschland ist er seit 2014. Geboren wurde er 1994 in São Paulo.

Als die Pandemie wütete

Beim Studium der Philosophie und Filmwissenschaft an der Freien Universität merkte er, dass ihm Theorie nicht genügte. Also bewarb er sich in Babelsberg, an seiner „Traum-Uni“. Es war die Zeit der Pandemie. In Brasilien wütete Corona mit ungleich mehr Wucht als in Deutschland. Im Oktober 2021 wurde die Zahl von 600.00 Corona-Toten überschritten. Täglich starben Hunderte. Präsident Jair Bolsonaro hatte das Virus von Anfang an verharmlost. Gleichzeitig trieb die Willkür der Polizeigewalt zuvor unerreichte Blüten. Zwischen Juni 2020 and März 2021 wurden allein in der Region um Rio de Janeiro fast 800 Menschen durch Polizeigewalt getötet. Unter den Opfern immer wieder auch Kinder.

„Eine Situation, die so traurig wie wütend macht“, sagt João Pedro Prado. Dieser Mix ist der Boden, auf dem „Ash Wednesday“ entstand. Erzählt wird die Geschichte von Demétria (Uriara Maciel), einer Mutter, die darauf wartet, dass ihre Tochter aus der Schule zurückkommt. Vergebens. Die Tochter, wird nicht zurückkehren, sie ist Opfer einer Polizeirazzia geworden. Stattdessen bekommt Demétria ungebetenen Besuch: ein Polizist, ein Priester, ein Politiker. Sie alle versuchen, Demétria in ihre Schranken zu weisen. Zu vertrauen.

Korruption und Machtmissbrauch in Brasilien: Das ist nicht neu und war auch filmisch schon Thema, in „City of God“ etwa. João Pedro Prado nennt auch José Padilhas „Tropa de elite“, der 2008 im Wettbewerb der Berlinale lief. Was „Ash Wednesday“ jedoch so anders macht: Auch wenn es um Gewalt geht, wird hier keine gezeigt. Auch wenn der Film eine konkrete Realität anprangert, stilistisch schwebt er ein paar Zentimeter über dem Realismus. „Ash Wednesday“ ist real, nicht realistisch.

Flucht in die Übertreibung

„Wenn eine Realität so hart ist, kann das ein Film realistisch kaum abbilden“, sagt João Pedro Prado. „Es wirkt immer übertrieben.“ Also trat er die Flucht nach vorn an: in die Übertreibung. Der Polizist, der Priester, der Politiker: Sie alle tragen satirische Züge. „Wir wollten dem absichtlich die Züge einer Farce geben“, sagt auch Bárbara Santos. Sie ist nicht nur Co-Regisseurin, sondern auch selbst Schauspielerin und Theaterregisseurin.

In Berlin leitet sie eine aktivistische Theatergruppe: Kuringa, ein selbsternannter „Raum für Theater der Unterdrückten“. Für ihre Arbeit an „Ash Wednesday“ stand Brechts Verfremdungsprinzip Pate: ein Spiel, das sich als Spiel sichtbar macht. Und Menschen, die singen. Wie in „Die Regenschirme von Cherbourg“ von Jaques Demy, den Prado verehrt.

Das Regieteam von „Ash Wednesday“ auf der Berlinale: Filmuni-Student João Pedro Prado und Bárbara Santos.

© Christoph Leucht

Fragt man die Macher:innen von „Ash Wednesday“, dann geht es darin vor allem um Selbstermächtigung. Brecht wollte mit seinem Theater zum Denken anregen, und das will auch Bárbara Santos. „Letztlich wollen wir zeigen, welches Potenzial in der Gemeinsamkeit steckt“, sagt sie. „Und vor allem auch, dass Nein nein heißt.“ Ob in Brasilien oder in Deutschland. Zwar müsse man hier nicht fürchten, dass ein Polizist sich gewaltsam Zutritt verschafft. Aber das Problem, dass Männer ein Nein nicht akzeptieren, sagt sie. ist universell.

„Ash Wednesday“ spielt auf einer Favela, jenen Armutsviertel im Dunstkreis der großen Städte, wo die Willkür der Polizei am größten ist. Eigentlich sollte dort gedreht werden. Aber: Reisen war angesichts der Pandemie unmöglich. Also ließ João Pedro Prado eine Favela nachbauen. Brasilien made in Babelsberg. Einige der Stellwände, die im Film zu sehen sind, seien schon von der Defa genutzt worden, sagt Prado. Die Musik mit den brasilianischen Rhythmen stammt von Ole Wiedekamm. Dieses deutsche Kino hat tatsächlich erfreulich viele Perspektiven.

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