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Dirigent Paolo Bartolameolli ist für Donald Runnicles eingesprungen.

© Radoslaw Kazmierczak

Berliner Musikfest: Der beschworene Glaube

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin kommt mit Mahlers 2. Symphonie zum Musikfest in die Philharmonie.

Fast vergisst man ja, dass noch Pandemie ist. Doch Corona führt weiter zu Rucklern im Betrieb. Jetzt hat Donald Runnicles sein Dirigat beim Musikfest in der Philharmonie wegen eines positiven Tests abgesagt. Einspringer Paolo Bortolameolli kommt direkt aus Paris, wo er gerade „Tosca“ dirigiert. Offenbar war sehr wenig Zeit für Proben, doch wirklich zu hören ist das nicht. Bortolameolli wirkt nur ein klein wenig aufgeregt, ansonsten dirigiert er Gustav Mahlers 2. Symphonie mit souveräner, dezidierter Gestik.

Das Stück hat etwas Opernhaftes

Allerdings kann das Orchester der Deutschen Oper Berlin viel abfedern, es scheint die Zweite sowieso drauf zu haben. Sie hat ja auch viel Opernhaftes, Stimmen sind jedenfalls reichlich vorhanden. Regisseur Romeo Castellucci brachte sie im Juli beim Festival von Aix-en-Provence auf die Bühne, mit hunderten, im Schlamm vergrabenen Leichen. Ja, hier geht es um Auferstehung – aber eben nur im letzten Satz. Mahler hat die fünf Abschnitte erst mit Titeln versehen, diese später wieder zurückgezogen, sich über den Beinamen „Auferstehungssymphonie“ geärgert. Allerdings: Wer im Finale das Gedicht von Klopstock so monumental vertont, ist daran vielleicht auch ein bisschen selbst schuld. Jedenfalls dürfte keine andere Symphonie so sehr die Problematik spiegeln, die entsteht, wenn Musik mit einem „Programm“ versehen wird, wie diese.

Bortolameolli und das Orchester zeigen sich ins Grelle verliebt, und die ekstatisch auffahrenden Passagen gelingen – gerade auch im 20-minütigen ersten Satz – vorzüglich. Da staut sich viel Energie, die raus muss. Was weniger gut funktioniert: das An- und Abschwellen der Affekte. Denn wenn Zurücknahme gefragt ist, bleibt der Erregungslevel zu hoch. Von „ruhiger, fließender Bewegung“, wie sie Mahler für den dritten Satz fordert, ist nicht viel zu spüren. Dafür dann aber im vierten: „Der Mensch liegt in grösster Noth“, beginnt Karen Cargil ihr Solo mit tiefgelagertem Mezzo.

Und dann also das mit „wild herausfahrend“ überschriebene Finale: Der Chor der Deutschen Oper (Leitung: Jeremy Bines) intoniert „Aufersteh’n“, bleibt allerdings kurioserweise erstmal sitzen. Doch schon bald wird die Philharmonie geflutet von prunkvollem Zuversichtsklang (Sopran: Heidi Stober). Doch zeigt gerade diese sich jubelnd überschlagende Musik, dass der weltzerrissene Mahler eben nicht – wie Bruckner – den religiösen Glauben tief in sich hat. Sondern dass er ihn unter Aufbietung aller Mittel immer wieder beschwören muss.

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