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Absprung. Aus 20 Metern Höhe sauste Anna Bader ins Hafenbecken von Barcelona.

© dpa

Sport: Über den Dächern von Barcelona

Bei der Schwimm-WM stürzen sich erstmals auch Klippenspringer von einem Gerüst ins Schmutzwasser

Mit einem unverbindlichen Lächeln kurbelt der junge Mann die Jalousien nach unten. Es quietscht und wackelt in seinem kleinen Container auf der Flaniermeile in Barcelonas Yachthafen, dann ist der Schutz vor der Nachmittagssonne in der richtigen Position und der Ticketverkäufer erkennt auf seinem Computer wieder etwas. Dabei ist das eigentlich gar nicht mehr nötig. Denn Tickets für die Wettkämpfe der Klippenspringer, die sich in seinem Rücken gerade aus schwindelnder Höhe ins Wasser stürzen, gibt es für keinen der drei Finaltage mehr. „Alles ausverkauft“, sagt der katalanische Kartenmann. Und das bei stolzen Preisen von 37,50 Euro für die Tribüne und 27,50 Euro fürs Zuschauen aus einer Ecke.

Und so drücken sich in der Moll de la Fusta auch am Dienstag wieder Hunderte Zaungäste die Nasen platt an den Gittern rund um das WM-Areal, die mit halbdurchsichtigen Planen zugehängt sind. Die zahlreichen Deutschen unter ihnen wollen vor allem einen Blick auf Anna Bader erhaschen. Die 29-Jährige aus Mainz, Serien-Europameisterin in ihrer Sportart, ging schließlich als eine der Favoritinnen in den Wettkampf. Am Ende gewann Bader Bronze, Weltmeisterin wurde die US-Amerikanerin Cesilie Carlton.

In der Vergangenheit sprang Bader, die sich kurz vor der WM im Playboy ablichten ließ, mangels weiblicher Konkurrenz fast immer bei den Männern mit. Das ist in Barcelona anders. Der telegene Wettbewerb steht erstmals bei einer Schwimm-Weltmeisterschaft auf dem Programm. Neben Bader führen drei Amerikanerinnen, eine Kanadierin und eine Ukrainerin ihre Sprünge aus 20 Meter Höhe vor. Von atemberaubenden Klippen ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. In einem kleinen Zeltverschlag finden die Athletinnen Schutz vor der spanischen Sommerhitze – und wenn sie an der Reihe sind, kraxeln die Damen auf einem gewaltigen Gerüst hinauf an ihren Arbeitsplatz.

Es ist ein Anstieg wie in einem gewaltigen Freilufttreppenhaus. Dann zeigen die Frauen je einen Pflichtsprung und zwei Kürsprünge. Anders als beim Turmspringen geht es mit den Füßen zuerst ins Wasser, da die Kräfte beim Eintauchen auf die Nackenmuskulatur zu hoch wären. Und weil sich Klippenspezialisten bei der Landung im Wasser schon die Beine brachen, schnorcheln direkt neben der Eintauchstelle stets drei Taucher herum – um im Fall der Fälle sofort zur Stelle zu sein. Und auch die andächtige Stille, die sich vor jedem Sprung über die WM-Stätte legt, vermittelt zumindest einen Hauch von dem nach Gefahr und Aufregung schmeckenden Lebensgefühl dieser Extremsportler.

Für Red Bull ist das genau der richtige Mix: Die Marketingabteilung des Konzerns nahm das Klippenspringen in sein Repertoire auf und führte vor vier Jahren eine professionelle Weltcupreihe, die „Cliff Diving Series“ ein. Dort wird nicht von funktionalen Gerüstbauten wie gerade in Barcelona gesprungen, sondern an atemberaubenden Orten auf den Azoren, Hawaii, Korsika oder Rio. Aber auch schon mal vom Opernhaus in Kopenhagen oder vom Frachtsegelschiff Rickmer Rickmers in Hamburg.

Ein Segelschiff, das wie die Hoppetosse von Pippi Langstrumpfs Papa Efraim aussieht, ankert jetzt auch in der Moll de la Fusta. „Par Barcelona“ heißt es und schaukelt nur 20 Meter vom Springergerüst entfernt auf dem Wasser. Auf seiner linken Seite des Schiffes sitzen sieben ganz in Weiß gekleidete Männer. Wie Matrosen sehen sie aus, und in ihrer adretten Aufmachung schauen sie unter anderem Anna Bader zu, die über das nicht eben saubere Hafenwasser vor Barcelona berichtet: „Es ist salzig, ich habe Fische gesehen. Irgendwas lebt da drin, es kann nicht so schlecht sein.“ Und nach jedem Sprung applaudieren die Schein-Matrosen dazu dezent.

Sehr dezent war – bevor Red Bull die Szene betrat - auch das Interesse des Weltverbandes Fina an den Klippenspringern. Das hat sich inzwischen geändert – bei ihren Einladungskarten für die WM orientierte sich die Fina nun einfach an der aktuellen Liste des Brauseherstellers. Rasch fanden sie dort auch Anna Bader, die mit 17 zum Klippenspringen kam: Bei einem Urlaub auf Jamaika, wo sie von den einheimischen Jungs überredet wurde, mit ihnen von den Felsen ins Meer zu springen.

Anna Bader ließ sich bequatschen, vollführte schon bald die wildesten Sprünge, von morgens bis abends. Fünf Jahre später war sie dann zum ersten Mal Europameisterin. Und ist jetzt eine der Hauptattraktionen bei der WM-Premiere in Barcelona.

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