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Ein positiver Schwangerschaftstest muss nicht immer ein Grund zur Freude sein.

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Ungewollt schwanger: „Es gibt keinen Grund, sich zu schämen“

Am heutigen Safe Abortion Day wird international für das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche geworben. Wie ist die Situation in Potsdam?

Eine Schwangerschaft abzubrechen, ist nicht unnormal: Laut Statistiken betrifft das Thema Frauen fast aller Altersgruppen. Auch Herkunft oder soziale Lage sind nicht entscheidend, berichten Beratungsstellen: Teenager aus schwierigen Familien können genauso ungewollt schwanger werden wie eine mehrfache Mutter, die mitten im Berufsleben steht. Doch „Abtreibungen“ sind nach wie vor ein Tabu-Thema und rechtlich eine Grauzone. Gegen Stigmatisierung, für die Freiheit einer bewussten Entscheidung und gegebenenfalls für eine sichere Abtreibung steht auch der internationale Safe Abortion Day, der dieses Jahr am 28. September begangenen wird. Auch in Potsdam wird es Betroffenen dabei nicht leicht gemacht, an Informationen zu gelangen.

Vor fast vier Jahren hat die Stadtverordnetenversammlung (SVV) beschlossen: Die Stadt Potsdam soll online Infos zu Schwangerschaftsabbrüchen bereitstellen. Die geforderte Liste mit Arztpraxen gibt es bis heute nicht, die Liste der Beratungsstellen ist unvollständig: Es fehlt die Beratungsstelle Donum Vitae. Aufgeführt ist dafür die Caritas. Bloß: Die stellt den für die Behandlung notwendigen Schein grundsätzlich nicht aus.

„Das ist unfassbar“, meint Michaela Burkard vom Autonomen Frauenzentrum Potsdam. „Frauen in dieser Notsituation brauchen ergebnisoffene Beratung, nicht jemanden, der sagt, was sie zu tun haben“, sagt. Der SVV-Beschluss sei „überhaupt nicht ausreichend umgesetzt“, auch wenn es einen Link zu einer Praxis-Liste der Bundesärztekammer gibt: Betroffenen solle man keine Internetrecherche zumuten, sondern unkompliziert informieren, so Burkard. Eine PNN-Anfrage, weshalb der SVV-Beschluss nicht umgesetzt ist, ließ die Stadt Potsdam unbeantwortet.

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat für das vergangene Jahr 3113 Schwangerschaftsabbrüche in Brandenburg gezählt. Das sind 6,8 Prozent weniger als 2021. „Es wäre falsch anzunehmen, dass dies ein Zeichen für geringere Nachfrage wäre“, sagt Jana Dornfeld vom Frauenpolitischen Rat in Brandenburg. Denn in Berlin sind die Zahlen in derselben Zeit angestiegen – laut Dornfeld ein Zeichen, dass fehlende Angebote auf dem Land dort kompensiert würden.

Keine Frau fällt diese Entscheidung locker nebenbei.

Corinna Kmezik, Beratungsstelle des DRK

Die Bundesärztekammer listet außerhalb von Potsdam elf Praxen in Brandenburg auf, die Abbrüche vornehmen. In manchen Regionen sind gar keine Angebote verzeichnet, so im Süden des Landes und in der Prignitz. „Das hängt mit der geringen Arztdichte dort zusammen“, sagt Roger Marx, Jurist bei der Landesärztekammer Brandenburg. Auch basiere die Liste auf freiwilligen Angaben: „Es gibt keine Pflicht, zu informieren“, so Marx. Zudem: Ärztinnen und Ärzte, die dies tun, seien bisweilen Protesten ausgesetzt, auch von radikalen Gruppen.

Wohnraummangel als Grund für Schwangerschaftsabbruch

Auch für Potsdam ist die Liste unvollständig: Nicht aufgeführt ist das Ernst-von-Bergmann-Klinikum. Dörte Richter, Beraterin bei ProFamilia meint, alles in allem sie die Lage in Potsdam für Betroffene gut, zumindest verglichen mit dem Rest des Landes. „Zu uns kommen aber auch viele Frauen aus dem Umland“, sagt sie. Die Gründe für Abbrüche seien verschieden: Manche fühlen sich noch nicht bereit für ein Kind, andere zwar schon, aber eben nicht mit diesem Partner. „Eine Potsdamer Besonderheit ist: Immer mehr Frauen sagen, sie möchten kein Kind, weil sie sich den Wohnraum nicht leisten können“, so Richter.

„Das Wichtigste in der Beratung ist: Keine Frau muss sich für ihre Entscheidung rechtfertigen, egal wie sie ausfällt“, sagt Corinna Kmezik von der Beratungsstelle des DRK. „Und, ohne es dramatisieren zu wollen: Keine Frau fällt diese Entscheidung locker nebenbei“, so Kmezik. Nicht wenige Frauen kämen „verschämt“ zum Beratungsgespräch, berichtet sie. „Dafür gibt es aber überhaupt keinen Grund“, sagt sie. Sie wünscht sich mehr Verständnis für Betroffene. Das sieht auch Dörte Richter so: „Viele Frauen reden mit kaum jemanden über ihren Abbruch, manche sogar nur mit uns“, sagt sie.

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