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Polizeischutz bei der Eröffnung der Kapelle des Garnisonkirchturms.

© Andreas Klaer/PNN

Update

Kapelle des Potsdamer Garnisonkirchturms eingeweiht: Drinnen Gottesdienst, draußen Protest

Bischof Stäblein sagt, Turm und Kapelle werden „Ort ehrlicher und kritischer Bildungsarbeit“. Gegner protestierten, Aktivisten sehen Projekt einer Friedenskirche gescheitert. Paul Oestreicher fordert Nagelkreuz zurück.

| Update:

Mit dem Friedensgebet von Coventry und der Bachkantate „Erfreut euch, ihr Herzen“ ist am Ostermontag die Kapelle im wiedererrichteten Turm der Potsdamer Garnisonkirche gewidmet worden. Rund 100 Gäste nahmen an der Veranstaltung teil, darunter Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann und die Chefin der Grünen-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Saskia Hüneke.

Vor dem Turm hatten zuvor rund 200 Menschen gegen den umstrittenen Wiederaufbau und die Widmung der Kapelle protestiert. Als die Gäste der Veranstaltung in der Kapelle eintrafen, riefen Demonstrierende wiederholt „Schande“ und „Nazikirche“. Die Polizei war mit zahlreichen Beamten vor Ort im Einsatz. Die Proteste verliefen bis zum Abend weitestgehend friedlich.

Pfarrer Jan Kingreen begrüßt die Gäste bei dem Gottesdienst.

© dpa/Bernd settnik

Der Pfarrer der Garnisonkirchgemeinde, Jan Kingreen, sprach in seiner Begrüßung von einem „sehr besonderen Tag“. Nach sieben Jahren Bauzeit ziehe die Gemeinde von der temporären Kapelle um in den Turm der Garnisonkirche. Es sei ein „moderner Ort“ für Frieden und Demokratie, die Kirche vollbringe dort eine „Transformationsleistung“. Das Bündnis für die Wiedererrichtung des Turms eine, dass „wir alle Demokraten sind, dass wir unsere Füße auf den Weg des Friedens ausgerichtet wissen“, so Kingreen.

Hier wurde ins Verbrechen gegangen.

Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Landeskirche über die Garnisonkirche

Bischof Oliver Schuegraf, Vorsitzender Deutsche Nagelkreuzgemeinschaft, sagte, das Versöhnungsgebet von Coventry fordere auf, „unsere eigene Schuld zu bekennen“, sich gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus einzusetzen und mit jenen zu reden, die anders denken. Die Predigt hielt Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er sagte, der Weg des Friedens liege „nicht einfach so da“, besonders nicht am Ort der einstigen Garnisonkirche.

Bischof Christian Stäblein spricht bei dem Gottesdienst und der Einweihung der Kapelle im Turm der Garnisonkirche.

© dpa/Bernd settnik

Hier sei „ins Verbrechen gegangen“ worden, es sei einem „massenhaften Töten der Segen gegeben“ worden. Hier werde klar, dass es auf die Richtung ankomme, so Stäblein. Die Vergangenheit der Garnisonkirche „geht nicht weg“, sie müsse kritisch aufgearbeitet werden, „selbstverständlich, nie wieder ist jetzt“, so der Bischof. Dazu gehörten „Worte gegen alles Völkische, Menschenfeindliche, Rechtsextreme“, dafür stünden die Unterstützer des Garnisonkirchturms „mit ihrem Namen“. Die Töne, die die neue Orgel spielen werde, seien Lebensmelodien, sagte Stäblein: „Die Töne dieser Orgel können nur Friedenslieder.“

Stäblein betonte, der Turm der Garnisonkirche als „Ort, an dem die Demokratie verraten wurde, wo der Frieden mit Füßen getreten wurde“ werde jetzt ein Ort der offenen, ehrlichen und kritischen Bildungsarbeit. „Für Traditionswacht ist keine Kapelle da“, so der Bischof. Die Kapelle des Turms „will am Ende verbinden“. Sie sei ein „Bildungs- und Lernort für Frieden und Demokratie, ein Zukunftsort, weil er die Vergangenheit nicht verdrängt“ und allen Ungeist neu ausrichten lasse.

Die Kapelle im Turm der Garnisonkirche vor der Indienstnahme am Ostermontag, 1. April.

© Andreas Klaer

Orgel, Taufbecken, Kanzel und Altar der Kapelle wurden mit Gebeten gewidmet. Besonders die Weihe des Altars hatte für Kritik gesorgt. Es handelt sich dabei um einen Feldaltar, an dem einst Soldaten vor Kriegseinsätzen gesegnet worden waren – das einzige historische Originalstück der früheren Militärkirche in der heutigen Kapelle. „An diesem Altar haben sich unsere Vorgänger schuldig gemacht“, sagte Angelika Zädow, Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Potsdam, bei der Widmung. Nun trage der Altar das Nagelkreuz von Coventry als „immerwährende Bitte um Vergebung“.

Oestreicher sieht Projekt als gescheitert an

Zuvor hatte Nagelkreuz-Aktivist Paul Oestreicher in einer Nachricht an die Gegner des Wiederaufbaus die Rückgabe des Potsdamer Nagelkreuzes nach Coventry gefordert. Seine Begründung: Das Projekt einer Friedenskirche im Turm der Garnisonkirche sei gescheitert, so der heute 92-jährige Oestreicher, der vor 20 Jahren das Nagelkreuz als Symbol der Versöhnung und der Friedensarbeit nach Potsdam gebracht hatte.

Paul Oestreicher (r.) überreichte 2004 das Nagelkreuz an Hans-Ulrich Schulz, der es für das „Internationale Versöhnungszentrum an der Garnisonkirche“ entgegennahm.

© MANFRED THOMAS TSP

Oestreicher fordere, sagte der Religionswissenschaftler Horst Junginger, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Kritiker vom „Lernort Garnisonkirche“, dass das Nagelkreuz aus dem Garnisonkirchturm entfernt werde. Es solle nicht mehr auf dem Altar der Kapelle stehen. Oestreicher hatte 2001 die Idee eines Wiederaufbaus des Turms als Versöhnungszentrum geprägt. 2015 hatte sich der ehemalige Domkapitular und Leiter des Versöhnungszentrums in Coventry jedoch vom Projekt Garnisonkirche zurückgezogen.

Turm wird symbolisch zum Einsturz gebracht

Wegen des großen Interesses wurde die Einweihung der Kapelle live im Internet gestreamt. Zu den Protesten vor Ort hatten die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche und die „Antifaschistische Vernetzung Potsdam“ aufgerufen. Neben einer Versammlung am Turm an der Breiten Straße hatte es Vorträge im direkt benachbarten Künstlerhaus Rechenzentrum gegeben. Symbolisch wurde auch ein aus Pappkartons errichteter Turm zum Einsturz gebracht. Auf Protestschildern hieß es „Kein Segen für dieses Kirchenimitat“ oder „Gegen den Ungeist von Potsdam“.

Protest vor der Eröffnung der Kapelle der Garnisonkirche in Potsdam

© Andreas Klaer

Die Kapelle im Turm war am Donnerstag erstmals für die Presse geöffnet worden. Ab sofort sollen in ihre alle Gottesdienste der Gemeinde stattfinden. Der Innenraum mit dem acht Meter hohen Deckengewölbe ist modern und schlicht gehalten, die Wände sind mit einer 2,50 Meter hohen Holzverkleidung bedeckt. Früher war dieser Raum nur der Durchgang ins Kirchenschiff. Die hellen und dunklen Fliesen auf dem Boden zeigen den früheren Grundriss.

Der Innenraum zeige klar den architektonischen Bruch mit der Vergangenheit, der von Kritikern immer wieder gefordert worden sei, hatte Pfarrer Kingreen, auch Programmvorstand der Stiftung Garnisonkirche, betont. Auch die neue Schuke-Orgel mit ihren 1460 Pfeifen wurde am Ostermontag eingeweiht: Kreiskantor Björn O. Wiede spielte darauf die Bachkantate „Erfreut euch, ihr Herzen“.

Als Projekt von „nationaler Bedeutung“ gefördert

An dem Turm der Garnisonkirche wird seit Oktober 2017 gebaut. Mehr als die Hälfte der deutlich über 40 Millionen Euro liegenden Baukosten werden vom Bund finanziert. Die Förderung eines Sakralbaus aus Mitteln der Kulturstaatsministerin ist in Deutschland einzigartig. Der Bund hatte das Projekt als von „nationaler Bedeutung“ eingestuft. Die von Philipp Gerlach entworfene, 1730 bis 1735 errichtete Garnisonkirche galt als eines der Hauptwerke des preußischen Barock.

Die Gegner sehen im Bau dagegen ein Symbol des Militarismus und einen Treffpunkt rechtsnationaler Bewegungen in den 1920er- und 1930er-Jahren. Das Original der preußischen Militärkirche, vor dem sich Hitler und Hindenburg anlässlich der Reichstagseröffnung am 21. März 1933 die Hände schüttelten („Tag von Potsdam“), war bei einem alliierten Bombenangriff im April 1945 zerstört worden. Die Reste des Turms ließ die SED 1968 sprengen.

Kritiker des Wiederaufbaus sehen in dem Turm ein Symbol des Militarismus.

© Andreas Klaer/PNN

Die Kritiker des Wiederaufbaus, die am Ostermontag vor Ort protestierten, betonten erneut, auch die Kapelle der Turms vollziehe nicht ausreichend den architektonischen Bruch mit der Vergangenheit der Kirche. Rund 60 Menschen wohnten am Montagnachmittag Vorträgen im benachbarten Rechenzentrum bei. Dort sagte Philipp Oswalt vom „Lernort Garnisonkirche“, die Garnisonkirche sei nicht Opfer des Bombenkriegs und der DDR gewesen, wie oft propagiert. Er behauptete, Militärpfarrer hätten damals die Kirche als Ort des „Tag von Potsdam“ durchgesetzt.

Dass die Stiftung Garnisonkirche heute erneut die Versöhnung betone, erinnere an den „Tag von Potsdam“, der die „Versöhnung des alten und jungen Deutschlands“ symbolisieren sollte, so Oswalt. Ausgerechnet am Ostermontag komme es zur Wiederauferstehung des Geistes von Friedrich dem Großen. „Wie unbekümmert ist man, diesen symbolischen Tag mit dieser Geschichte zu verbinden?“, fragte Oswalt.

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