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Kreatives Potenzial. Aron Lehmann (links) mit dem Kameramann Cristian Pirjo bei den Dreharbeiten zum „Kohlhaas“.

© privat

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HFF-Absolvent Aron Lehmann wollte schon früh Filme machen. Nun kommt sein preisgekrönter Abschlussfilm „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ in die Kinos

Aron Lehmann nimmt an einem der hölzernen Kneipentische am Berliner Landwehrkanal Platz. Der 32-jährige Jungregisseur, der 2011 sein Studium an der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen beendet hat, erzählt von den Erfolgen, die sein Abschlussfilm „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ mittlerweile hatte. Anfang August kommt der Film nun in die Kinos. Zuletzt erhielt Lehmann für seinen Film den Filmkunstpreis 2013 in Ludwigshafen, für den Max-Ophüls-Preis war er nominiert und wurde mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Der gebürtige Bayer streicht sich die dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er erzählt, dass das mit dem Filmemachen bei ihm schon früh losgegangen sei. Als Sohn eines Buchhändlers und einer Hebamme war Lehmann von klein auf von Geschichten umgeben. Schon mit weniger als zehn Jahren fing er an, eigene Stücke zu schreiben. Später nahm er Hörspiele mit Freunden auf. Bis sein Onkel eines Tages mit einem Camcorder ankam – da war Lehmann zwölf Jahre alt. „Ich fand das total faszinierend, mit der Kamera zu erzählen“, sagt er heute. Erste Filme entstanden. Die Ideen wurden größer, der Wunsch nach professionellem Filmemachen lauter. Aber die frühe Entschlossenheit hatte auch einen entscheidenden Nachteil. „Ich habe mich zum Abitur gequält und bin einmal sitzengeblieben“, erzählt er. Entweder habe er keine Stärken gehabt oder die seien nicht gefördert worden. „Das ist echt schwierig, wenn man im ländlichen Gebiet aufwächst und sich für was Kreatives begeistert“, sagt er. Heute kann er darüber lachen. Da ist kein Bedauern über das schlechte Zeugnis in seiner Stimme. Ganz im Gegenteil. Eher eine große Portion Selbstvertrauen und die Gewissheit, damals genau die richtige Entscheidung für sich getroffen zu haben.

Seine Kindheit und Jugendzeit verbrachte er im 500-Seelen-Ort Fessenheim im Nördlinger Ries. Beim Heranwachsen entdeckte er nicht nur die Neugier nach dem Audiovisuellen, sondern erfuhr auch die Grenzen der ländlichen Region. Obwohl er seinen Heimatort heiß und innig liebte, was auch heute noch so ist, verspürte er den Drang in die Großstadt. Nicht nach München. Nicht nach Köln. Sondern nach Berlin. Sein bester Freund habe damals gesagt, dass er ihn dafür hasse, dass er nach Berlin geht, aber nie wieder mit ihm reden werde, wenn er es nicht tut.

Gewollt, gehört, getan. Die Hauptstadt kam 2003. Die nächsten zwei Jahre verbrachte er mit Praktika am Set verschiedener Filmproduktionen. Und bewarb sich bei der HFF und bei der DFFB. Eine Zusage. Eine Absage. Die Zukunft im professionellen Film begann 2005 in Potsdam. Dort drehte Aron Lehmann diverse Stücke für Film und Fernsehen – und beendete sein Studium mit dem „Kohlhaas“, wie der Regisseur seinen letzten HFF-Film nennt.

Was er an dieser Zeit so besonders war? „Die Legitimation über mehrere Jahre hinweg, sich Tag und Nacht mit Film auseinandersetzen zu können. Und die intensive Zusammenarbeit mit den anderen neun Kommilitonen aus meinem Jahrgang sowie mit meinem Dozenten Andreas Kleinert“, sagt Lehmann, ohne lange nachzudenken. „So ein kreatives Potenzial auf einem Raum – das ist unbezahlbar.“

Aber da ist etwas geblieben von seinem Heranwachsen auf dem Land, in der vermeintlichen Einöde. Nämlich das Thema, das ihn besonders interessiert: „Mich faszinieren Sehnsüchte. Der Ausbruch aus dem Gewohnten, raus ins Unbekannte. Der Versuch, sich Wünsche und Sehnsüchte zu erfüllen“, erzählt er. Nicht nur in seinem „Kohlhaas“, der in seinem Heimatort gedreht wurde, findet man das wieder, sondern auch in anderen seiner Filme. Etwa in dem Kurzfilm „Liebe Gemeinde“ von 2008. Dort führt die Sehnsucht zu einem Eklat: Ein Ehebruch wird zum kollektiven Schamgefühl eines ganzen Ortes und lässt die moralischen Zwänge seiner Bewohner sichtbar werden. „Die Gemeinde hat eben etwas Begrenzendes“, meint Lehmann. „Das Leben in der Großstadt ist da komplett anders: viel freier und unverbindlicher. Was ich nicht immer mag. Aber alles hat letztendlich sein Für und Wider.“

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