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In der Gutenbergstraße sind etliche Autos bereits verschwunden. Dort ist ein Radschutzstreifen eingerichtet worden.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Pläne für autoarme Innenstadt: Großer Unmut bei Potsdams Gewerbetreibenden 

Im Zentrum sollen 400 Parkplätze wegfallen. Die Idee trifft im Handel und im Gastgewerbe auf viel Ablehnung.

Skepsis, Unsicherheit und Ablehnung: Der Plan für eine autoarme Innenstadt und den Wegfall von Parkplätzen kommt bei Potsdams Gewerbetreibenden nicht gut an. Rund 80 Vertreter:innen aus Handel, Handwerk und Gastgewerbe nahmen am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung teil, zu der die Handwerkskammer Potsdam (HWK), die Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK) und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg (DEHOGA) eingeladen hatten.

Wie berichtet plant Potsdam, 400 Parkplätze für auswärtige Besucher:innen zu streichen, die künftig die Parkhäuser rund um die Innenstadt sowie das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr nutzen sollen. 560 Anwohner- und 240 Mischparkplätze sollen bestehen bleiben, auch Lieferverkehr soll weiter möglich sein. Am heutigen Mittwoch soll die Stadtverordnetenversammlung darüber entscheiden, eine Mehrheit der rot-grün-roten Rathauskooperation gilt als sicher.

Absenkbare Poller denkbar

„Wenn der Plan so umgesetzt wird, dann fällt für uns ein wichtiger Teil der Arbeit weg – wie sollen wir die Baustelle erreichen?“, sagte der Tischler Matthias John, der viele Kund:innen in der Innenstadt hat. Laut HWK-Hauptgeschäftsführer Ralph Bührig seien in Potsdams Zentrum 250 Handwerksbetriebe ansässig.

Mir machen die Pläne ernsthaft Angst, ob ich mein Geschäft hier weiterführen kann.

Jens Freiberg, Inhaber des Möbelgeschäftes „Famos liegen & sitzen“

Potsdams Baubeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos) betonte, dass in dem Konzept für die autoarme Innenstadt explizit Ladezonen vorgesehen seien: „Wir werden da mit Sonderausweisen arbeiten.“ Der Klavierbauer Matthias Grohn schlug vor, Stellplätze mit herabsenkbaren Pollern zu errichten, die von Handwerker:innen mit Berechtigungen genutzt werden könnten. „Diese Idee nehme ich mit“, so Rubelt.

Volle oder leere Parkhäuser?

„Mir machen die Pläne ernsthaft Angst, ob ich mein Geschäft hier weiterführen kann“, sagte Jens Freiberg, Inhaber des Möbelgeschäftes „Famos liegen & sitzen“ in der Dortustraße. „Ich habe derzeit eine Ladezone mit Sondergenehmigung, die wäre nach der Umsetzung des Konzeptes nicht mehr da.“ Rubelt räumte ein, dass in solchen Fällen individuelle Lösungen gefunden werden könnten.

„Ich finde, dass hier der erste vor dem zweiten Schritt getan wird“, sagte Dietmar Teickner vom Lakritzkontor. „Erst müssten ein gut ausgebauter ÖPNV und genügend Park-and-Ride-Möglichkeiten vorhanden sein.“ Rubelt sah das anders: „Das haben wir alles.“ Er verwies auf ein ÖPNV-Ranking des Portals Testberichte.de von 2021, bei dem Potsdam auf Platz zwei gelandet sei.

Zudem seien die Parkhäuser rund um die Innenstadt im Schnitt nur zu 40 Prozent ausgelastet, so Rubelt. „Am Freitag und Samstag sind sie voll“, widersprach ein Anwohner. Laut Ralph Bührig seien die Park-and-Ride-Parkplätze in Pirschheide und Bergholz-Rehbrücke zu Stoßzeiten bereits extrem belegt.

Angst vor Kundenverlust

„Nicht alle Kunden sind in der Lage, zu Fuß zu uns zu kommen“, wandte Werner Gniosdorz ein, Leiter der Bäckerei Braune. Allerdings sind im Konzept weiterhin 33 Behindertenparkplätze vorgesehen. Kurzzeitparkplätze schloss Rubelt jedoch aus.

Der Stadtverordnete Götz Friederich (parteilos), der die AG Innenstadt leitet, bescheinigte dem Konzept richtige Ansätze, um die Innenstadt attraktiver für den Tourismus zu machen, störte sich jedoch unter anderem daran, dass in der Beschlussvorlage weiterhin von „autofreier Innenstadt“ die Rede sei. „Dem kann ich nicht zustimmen.“

Viele Anwesende pochten darauf, dass das Konzept realitätsfremd sei: „Man kann die Kunden nicht erziehen, die sind nun mal bequem“, so eine Gewerbetreibende. „Hier wird eine ideologische Lösung von Leuten durchgesetzt, die irgendwo weit weg in ihrem Amt sitzen“, kritisierte der Ingenieur Stefan Saupe.

Götz Friederich (parteilos) leitet die AG Innenstadt.

© Andreas Klaer

Für Kritik sorgte der Plan, Fuß- und Radverkehr gemischt auf einigen Gehwegen laufen zu lassen. Auch darüber hinaus gab es immer wieder Unmutsbekundungen über den Radverkehr; für manche schienen nicht Autos, sondern Fahrräder das größte Problem in der Innenstadt zu sein: „Wieviel Radverkehr verträgt die Innenstadt?“, fragte eine Anwohnerin, ein anderer sagte: „Warum müssen Radfahrer überhaupt im Zentrum fahren?“

Vereinzelt gab es jedoch auch positive Reaktionen: „Das Auto ist doch nicht unumstößlich“, sagte eine Gewerbetreibende aus der Lindenstraße. „Ich befürworte das Konzept.“ Die Inhaberin eines Cafés äußerte sich unentschieden: „Wir werden Gäste verlieren, wir werden aber auch Gäste gewinnen.“

Stefan Frerichs betonte, dass die Innenstadt durch weniger volle Straßen und parkende Autos vor allem attraktiver für Tourist:innen werde. „Das ist kein wirtschaftsfeindlicher Plan“, so der Leiter der Potsdamer Wirtschaftsförderung.

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