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Die Slawenburg von Raddusch im Spreewald (Brandenburg).

© dpa/Patrick Pleul

Zu Gast beim Götzen von Raddusch: Das ungewöhnliche Fundstück ist auf der Slawenburg zu sehen 

Die Lusizi, ein Stamm der Slawen, hatte einst am Rande des Spreewaldes eine Burg errichtet. Der Nachbau der Slawenburg kann in der Lausitz besucht werden 

Von Silvia Passow

Sie muss eindrucksvoll und mächtig gewirkt haben, die Burg beim Dörfchen Raddusch. Ein sieben Meter hoher Wall sollte die Menschen, die in ihrem Inneren Zuflucht suchten, schützen. Innen betrug der Durchmesser 38 Meter, außen 58 Meter, ein 5,5 Meter breiter Sohlgraben gab zusätzlichen Schutz. Schon damals, im 9. und 10. Jahrhundert, muss sie von weither sichtbar gewesen sein.

Denn das Land ist flach, damals wie heute nehmen nur wenige Bäume die Sicht auf die Slawenburg. Das Holz der Bäume, erklärt Jens Lipsdorf, wurde für den Bau der Burg benötigt. Auch galt der Wald den Menschen als unheimlich und bedrohlich, als etwas, was man besser auf Abstand hielt. Außerdem brauchte man Platz für Ackerflächen, sagt Lipsdorf weiter. Lipsdorf ist Archäologe und Kurator auf der Slawenburg.

20-jähriges Jubiläum steht an

Ein Nachbau, originalgetreu und 2003 eröffnet. In wenigen Wochen feiert man hier das 20-jährige Jubiläum. Die Ausstellung im Inneren wurden 2020 überarbeitet, ist nun interaktiv erlebbar. Auf dem rund elf Hektar großen Außengelände hat Lipsdorf noch einiges geplant. Derzeit stehen dort eine Handvoll Holzhäuschen, ein Spielplatz lässt viel Raum zum Toben, Informationstafeln erläutern die Pflanzenwelt auf dem Trockenrasen, der die Landschaft prägt.

Marita Muchwar pflegt die Tradition der Eier-Verzierung und teilt ihr Wissen auf Workshops.

© Silvia Passow/TSP

Bevor es zur Burg geht, biegt Lipsdorf nach rechts ab. Ein Zeitstegspaziergang soll helfen, die Epochen zeitlich einzuordnen. 12.000 Jahre Geschichte der Niederlausitz, der Weg beginnt mit der Altsteinzeit und man läuft ein ganzes Stück über die Planken, bis die Jungsteinzeit, Bronzezeit und irgendwann auch die Neuzeit erreicht ist. Waren die ersten Zeitabschnitte noch lang, werden sie zum Ende hin immer kürzer. Zeit zum Abschreiten, wer mag, kann an einer der Zeit-Inseln eine Pause einlegen. Immer im Blick, die Slawenburg.

Der Nachbau hat, wie das Original, einige Besonderheiten. Eine davon sind die zwei Tore, Fluchtburgen wie diese, verfügten üblicherweise über nur ein Tor. Was genau es mit den zwei Toren auf sich hat, ist noch nicht geklärt, sagt Marion Jurisch. Die aus Vetschau stammende Mitarbeiterin auf der Slawenburg führt Besuchende durch die Dauerausstellung. Dafür geht es erst einmal über den Innenhof, ein ganzer Teil wird vom Außenbereich des Cafés eingenommen. In der Ausstellung wird schnell klar, der Tagebau gehört zur Geschichte in der Geschichte. Durch das Abbaggern gingen ganze Dörfer, Natur und Kultur verloren, aber es wurde auch viel gefunden. Lipsdorf ist auf die Tagebau-Archäologie spezialisiert, er zeigt Fotos, auf denen er die Fundstücke dem Sand entreißt, während hinter ihm die riesigen Bagger anrollen.

Ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht. „Das haben hier nicht alle Menschen gut verkraftet“, sagt Jurisch. So manche Biografie zerrüttete der Bagger, mancher Riss heilte nie, weiß Jurisch zu berichten. Auch diesem Teil der Geschichte widmet sich die Ausstellung. Mittendrin, ein Kirchenportal, gerettet aus dem Dorf Wolkenberg, bevor die Bagger kamen. Daneben sitzt eine Puppe in Tracht, Jurisch erzählt, wie lange die Frauen brauchten, um in die festliche Kleidung samt aufwendigem Kopfputz, zu schlüpfen.

Ein hölzernes Götterbildnis

Vieles von dem, was in der Erde gefunden wurde, steht nun in den Vitrinen der Ausstellung. Die Prunkstücke wurden in einem der vier Brunnen der Burg, 12,5 Meter unter der Erde, gefunden. Darunter der Götze von Raddusch, ein hölzernes Götterbildnis, das sehr wahrscheinlich von den Lausitzer Slawen verehrt wurde. Und die Hanseschale, aus Bronze gefertigt, die aus der Ostsee-Region stammt. Die Bronzeschale war für die damaligen Bewohnenden der Burg mit Sicherheit von großem Wert. In der Lausitz waren Kupfer und Zinn nicht verfügbar, beides ist nötig, um Bronze herzustellen.

Die Keramik vom „Lausitzer Typus“ beschreibt eine fein verarbeitete Keramik mit Buckeln, die das Interesse des Berliner Arztes und Anthropologen Rudolf Virchow weckte. Der prägte dann auch diesen Begriff. Diese Keramikwaren sind nun in großer Stückzahl ausgestellt.

Schauen und mitmachen

Im Bereich des Ackerbaus können Kinder wie Erwachsene ihre eigenen Kenntnisse in Sachen Ackerfrüchte testen. Gerste, Hafer, Dinkel, Ackerbohnen sind in Gläsern abgefüllt und dürfen erkannt und sortiert werden. Auch das Handwerk entwickelte sich, erste Webstühle entstanden und wie sich die Schuhe der Slawen an den Füßen anfühlten, können Kinder in Workshops auf einem speziellen Pfad austesten. Burg Raddusch versteht sich als Mit-Mach-Museum und nicht nur als Anschauungsobjekt.

Leben und Sterben zeigt die Ausstellung und wer mehr zu den Bestattungsriten der Slawen erfahren möchte, muss den Blick senken. Glasscheiben im Boden machen den Blick in die nachgestellten Bestattungsfelder möglich. Kulte gab es nicht nur für die Bestattungen, sie waren auch sonst im Leben präsent. Dabei spielten Pferde eine besondere Rolle, erzählt Jurisch. Die Slawen, sagt sie, nutzten die Pferde als Reittiere und als Orakel. Diese Tradition lässt man auf der Burg an Pfingsten auferstehen. Dann zeigt der örtliche Reiterverein, gewandet in historische Kostüme, wie die Pferde einst die Zukunft voraussagten. Auch Wasservögel genossen eine besondere Stellung, zahlreiche Statuetten in Form von Ente & Co lassen darauf schließen.

Gelebte Ostertraditionen

Der Stamm der Lusizi hinterließ viele Spuren, der Name der Lausitz ist einer davon. Heute noch gepflegt werden die Frühlingsrituale rund um das Osterfest. Osterbrot backen und mit einem Ei dem Patenkind schenken, ist eines davon, verrät Marita Muchwar. Sie führt auf der Slawenburg in die Geheimnisse des Eierbemalens ein. Vier sorbische Traditionen der Eier-Dekoration sind bekannt, zwei davon kann man bei ihr in den Wochen vor Ostern lernen, die Wachs-Batik- und die Wachs-Bossier-Technik. Nichts für ungeduldige Zeitgenossen, mit Gänse- und Taubenfedern werden zarte Muster auf die Eier gebracht. Dabei entstehen einzigartige Schmuckstückchen.

Diese wunderschönen Eier sollten nicht beim Waleien genutzt werden. Dabei lässt man Eier einen Hang oder Hügel herabkullern. Die Eier gehören als Zeichen der Fruchtbarkeit unbedingt in den Lausitzer Frühling. Genauso wie das Loswerden des Alten, nicht mehr Gebrauchten im Osterfeuer. Oder, nun wird es etwas unheimlich, es werden Strohpuppen gebastelt und im Osterfeuer verbrannt.

Da wirkt das Eiersuchen für Kinder fast schon allösterlich, wäre da nicht neben den süßen Eiern auch ein goldenes Ei, das auf der Slawenburg seiner Entdeckung harrt. Ein Besuch auf der Slawenburg Raddusch verspricht die eine oder andere Überraschung, viel Spreewaldgeschichte, ganz ohne Kahn und Mücken.

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