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Grenzübergang Stadtbrücke Frankfurt (Oder)

© dpa/Patrick Pleul

Update

Streit um Grenzkontrollen : Brandenburgs Polizeigewerkschaften kritisieren CDU-Kampagne

Brandenburgs CDU, die den Innenminister stellt, sammelt Unterschriften für stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen. Die Polizeigewerkschaft hält feste Grenzkontrollen hingegen für nutzlos.

| Update:

Die Unterschriftensammlung der brandenburgischen CDU für die Einführung stationärer Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen stößt weiter auf Kritik - bei den Polizeigewerkschaften der Hauptstadtregion und in der Politik.

„Stationäre Grenzkontrollen erreichen mit Blick auf die Senkung von Flüchtlingszahlen wenig bis gar nichts. Auch wenn die CDU in Brandenburg und anderswo das als Allheilmittel in der Migrationslage darstellt“, sagte SPD-Bundestagsfraktionsvize Dirk Wiese dem Tagesspiegel. Das Recht auf Asyl sehe vor, dass ankommende Migranten in Deutschland einen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Asylverfahren haben.

„Stationäre Grenzkontrollen sind unflexibel“, betonte Wiese. „Sie binden lediglich Personal, das im Land an anderer Stelle dringend benötigt wird – zum Beispiel bei der Intensivierung der Schleierfahndung, die im Gegensatz zu Grenzkontrollen deutlich wirksamer ist, auch um skrupellosen Schleusern das Handwerk zu legen.“

Wiese unterstützt daher „ausdrücklich die Haltung der Gewerkschaft der Polizei in Brandenburg, die dringend den Aufbau von Strategien zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität gemeinsam mit den Nachbarstaaten fordert.“ Dazu habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser erst kürzlich wirksame Vorschläge vorgelegt.

CDU sammelt bis 30. Oktober Unterschriften

Anfang der Woche hatten fünf CDU-Kreisverbände aus dem Süden des Landes mit Rückendeckung der Landespartei eine Unterschriftensammlung gestartet, in der sie von Faeser die Einführung von festen Grenzkontrollen wie in Bayern an der Grenze zu Österreich fordern.

„Gemeinsam werden wir in den verschiedensten Landkreisen Brandenburgs bis zum 30. Oktober Unterschriften sammeln und das Signal an die Bundesregierung senden: So geht es nicht weiter“, erklärte etwa der Landtagsabgeordnete Julian Brüning, Kreisvorsitzender der CDU Spree-Neiße und Initiator der Aktion. Die Kampagne wird so begründet: „Der unkontrollierte Zustrom und die fehlende Erkenntnis in der Bundespolitik, das Thema endlich entschieden zu lösen, hat uns dazu bewegt.“

GdP hält feste Grenzkontrollen für nutzlos

Doch die, die die Kontrollen machen müssten, halten davon fachlich nichts. Das erklärten Anita Kirsten, Brandenburger Landeschefin der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Lars Wendland von der GdP Bundespolizei/ Zoll in einem ausführlichen Brief an die CDU-Kreisverbände. Nach ihren Worten würden die geforderten Kontrollen weder einen Beitrag zur Senkung der Flüchtlingszahlen leisten, noch seien Sie im Sinne der Kolleginnen und Kollegen beider Polizeien und der Brandenburger Bevölkerung.

Das bayerische Beispiel tauge nicht als Vorbild und Begründung, so die Polizeigewerkschaften. „Wie Sie den Zahlen und Sachverhalten von der deutsch-österreichischen Grenze entnehmen können, müssen trotz dortiger Grenzkontrollen weiterhin faktisch alle Asylbegehrenden bzw. bei der Bundespolizei oder der Bayerischen Landespolizei ein Schutzersuchen stellende Personen in Deutschland aufgenommen und an die Erstaufnahmeeinrichtung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verwiesen werden“, heißt es im Brief an die CDU.

GdP: CDU-Forderungen seien unzulässig

„Nichts anderes würde sich bei Grenzkontrollen in Brandenburg ergeben.“ Bereits in der heute praktizierten Grenzschleierfahndung und auch zukünftig im Falle stationärer Grenzkontrollen in Brandenburg bestehe die Hauptaufgabe der Polizeikräfte von Bund und Land darin, Schutzsuchende zu registrieren und an die Erstaufnahmeeinrichtung zu verweisen. Die von der CDU geforderten Zurückweisungen und Zurückschiebungen seien im Regelfall unzulässig, so die GDP-Chefs.

Stationäre Grenzkontrollen sind nicht die überzeugende Antwort.

Britta Haßelmann, Die Grünen

„Die Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze, auf die sich der Brandenburgische Innenminister gern bezieht, betreffen hingegen fast ausschließlich (99,9 Prozent) Personen, die – aus welchen Gründen auch immer – (noch) gar kein Schutzersuchen/Asylantrag stellen.“ Diese seien rechtlich keine Flüchtlinge. „Aus der Grenzpraxis in Brandenburg wissen wir zudem, dass es hier solche Nichtantragstellungen von Personen aus klassischen Fluchtländern faktisch nicht gibt.“

AfD nutzt Kritik an Union für sich

Zuvor hatten Linke, Freie Wähler und Grüne kritisiert, dass die Union damit AfD-Forderungen übernehme. Das zahle sich nicht aus, so die Kritik, wie der Einbruch der CDU im jüngsten Brandenburg-Trend zeige, wo die Union seit April um fünf Prozentpunkte auf 18 Prozent gefallen war.

Auch die AfD nutze die Vorlage prompt. „Was soll der Wähler von einer CDU halten, die Jahre auf knallharter Merkel-Linie die Grenzöffnung von 2015 verteidigt und nun plötzlich eine Unterschriftensammlung für die Sicherung unserer Grenzen anstößt? Und das, obwohl gerade diese CDU Brandenburgs Innenminister stellt“, erklärte AfD-Parteichefin Birgit Bessin. „Das verheerende Umfrage-Minus der Stübgen-Union von fünf Prozent ist redlich verdient.“

Die Brandenburger Union weist die Kritik an der Kampagne zurück. „Wir kopieren nicht die AfD“, erklärte CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann. „Wir fordern nur das, was in Bayern seit 2015 erfolgreich praktiziert wird.“

Grüne und FDP sehen Grenzkontrollen ebenfalls kritisch

Auch die Grünen und die FDP sehen die von Faeser angekündigten stationären Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien zur Bekämpfung illegaler Einwanderung skeptisch. „Stationäre Grenzkontrollen sind nicht die überzeugende Antwort“, sagte die Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag in Berlin.

Die stationären Kontrollen an den Grenzen sind richtig.

Rolf Mützenich, SPD

Haßelmann ergänzte, falls die für den Grenzschutz zuständige Bundespolizei überall stationär eingesetzt werde, müsse man Personal an anderen Orten abziehen. Deshalb könne es nicht der Weg sein, überall stationäre Grenzkontrollen einzurichten. Man müsse aber nun verstärkt gegen Schleuserkriminalität vorgehen und über Instrumente reden.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, solche Kontrollen könnten allenfalls „Notfallmaßnahmen“ sein. Er betonte, es müsse vor allem einen wirksamen EU-Außengrenzschutz geben. Deshalb müsse die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems GEAS jetzt schnellstmöglich umgesetzt werden.

Mützenich befürwortet stationäre Grenzkontrollen

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich hinter die Überlegungen für stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien gestellt. „Die stationären Kontrollen an den Grenzen sind richtig“, sagte Mützenich am Dienstag in Berlin. Allerdings gebe es angesichts der Herausforderungen in der Migrationspolitik „nicht die eine Lösung“.

Mützenich erinnerte auch daran, dass man sich darauf verständigt habe, dass es vor allem um den Schutz der EU-Außengrenzen gehen müsse. Zugleich müssten „vor dem Hintergrund des zusammenwachsenden Binnenmarkts die Grenzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten geöffnet bleiben“, fügte der SPD-Fraktionschef hinzu. „Das scheint mir wichtig zu sein.“

Geklärt werden müssten zudem Fragen der Rückführung von abgelehnten Asylbewerberinnen und -bewerbern. Hier gehe es darum, dass Herkunftsländer „Menschen, die hier kein Bleiberecht haben, auch wieder zurücknehmen“.

Finanzierungsfrage bei Rückführung: Bund- oder Ländersache?

Im Finanzstreit zwischen Bund und Ländern um die finanzielle Lastenverteilung bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten sagte Mützenich, es sei „nicht so, dass immer nur der Bund etwas zu geben hat“. Vielmehr müssten „auch die Länder etwas beisteuern“ und auch Gelder „an die Kommunen weitergeben“.

Mützenich regte an, die Kommunen an den Beratungen etwa im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz zu dem Thema direkt zu beteiligen, um ihre Interessen besser zu berücksichtigen. (mit Agenturen)

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