zum Hauptinhalt
Die Holocaust-Überlebende Batsheva Dagan (1925-2024).

© dpa/RONNY HARTMANN

Shoa überlebt, Schutz vor Hamas-Terror gesucht: Gedenkstätte Ravensbrück trauert um Batsheva Dagan

Die 98-Jährige hatte in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück an Zeitzeugengesprächen teilgenommen. Vor ihrer Deportation war sie im jüdischen Widerstand in Polen gegen die Nazis gewesen.

Sie überlebte die Shoa, den Nazi-Terror, Auschwitz und Ravensbrück, kam wegen des Terrorangriffes der islamistischen Hamas aus Israel zurück nach Deutschland – nun starb Batsheva Dagan im Alter von 98 Jahren in der Nähe von Tel Aviv.

Das teilte die Gedenkstätte Ravensbrück mit. Batsheva Dagan hatte über Jahre als Zeitzeugin Besucher beeindruckt. Für sie war es zur Lebensaufgabe geworden, als Überlebende ein Zeichen zu setzen.

Zuletzt war Batsheva Dagan aber nicht als Zeitzeugin nach Deutschland gekommen. Vielmehr bat ihre Familie die Gedenkstätte die Pflegebedürftige nach Deutschland zu holen – zu ihrem Schutz nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober. Mehrere Monate war sie in Deutschland, zunächst in Berlin, später bei Freunden in Magdeburg. Erst kurz vor ihrem Tod am 25. Januar kehrte Dagan nach Israel zurück, wo sie nun im Kreis ihrer Familie verstarb.

Als Zeitzeugin enthülle ich euer schreckliches Geheimnis, damit dies nie wieder geschieht!

Batsheva Dagan in einem Brief an ihre früheren Peinigerinnen

Was ihr Leben lang nach der Shoa antrieb, schrieb sie auf. Es war wenige Wochen nach der Eröffnung der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in der Gedenkstätte Ravensbrück im Juni 2002. Die Begegnungsstätte befindet sich in den ehemaligen Wohnhäusern der SS-Aufseherinnen.

In einem Brief an ihre früheren Peinigerinnen schrieb Batsheva Dagan: „Omnipotente Aufseherinnen! Heute wie damals seid ihr verabscheut, weil ihr die Menschlichkeit verloren habt. Gibt es denn Rache für eure Taten? Ja, meine Rache ist die – ich lebe gegen euer Verdikt! Ich lebe und dies in meinem eigenen Land! Als Zeitzeugin enthülle ich euer schreckliches Geheimnis, damit dies nie wieder geschieht!“

Batsheva Dagan wurde 1925 als Isabella Rubinstein im polnischen Lodz geboren. Nach dem deutschen Überfall auf Polen 1939 floh sie mit ihren Eltern und zwei ihrer acht Geschwister nach Radom. Die Nazis errichteten dort 1941 ein Ghetto für Juden. Batsheva Dagan schloss sich der sozialistisch-zionistischen Jugendbewegung „Hashomer Hatzair“ an, sie übernahm Botengänge in das Warschauer Getto und traf die Anführer der dortigen Widerstandsgruppe.

Sie überlebte Auschwitz und zwei Todesmärsche

Bei der „Aktion Reinhardt“, der gezielten Ermordung der Juden im von Deutschland besetzen Polen, wurde 1942 das Ghetto Radom aufgelöst, ihre Eltern und eine Schwester wurden ins Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.

Brandenburg, Fürstenberg/Havel: Besucher gehen über das Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.
Brandenburg, Fürstenberg/Havel: Besucher gehen über das Gelände der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück.

© dpa/Monika Skolimowska

Batsheva Dagan aber kam mit gefälschten „arischen“ Papieren nach Deutschland, arbeitete als zwangsverpflichtetes Dienstmädchen in Schwerin. Doch sie wurde denunziert und als Jüdin enttarnt. Im Mai 1943 verschleppten die Nazis sie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Als das Lager vor der anrückenden Roten Armee aufgelöst wurde, wurde sie im Januar 1945 in das KZ Ravensbrück deportiert, von dort in das Außenlager Malchow. Sie überlebte zwei Todesmärsche, am 2. Mai 1945 wurde sie im mecklenburgischen Lübz von britischen Soldaten befreit.

Sie wurde Kinderpsychologin und Dozentin

Nach dem Krieg ging Batsheva Dagan zunächst nach Belgien und dann in das damalige Palästina. 1946 heiratete sie Paul Kornzweiz, beide nahmen den Namen Dagan an, das hebräische Wort für Weizen.

Ihr Mann starb früh, sie hatten zwei Söhne. Batsheva arbeitete als Kindergärtnerin, studierte Psychologie, wurde Kinderpsychologin und schrieb Bücher, um Kindern die Geschichte des Holocaust zu vermitteln. In Gedenkstätten begleitete sie Jugendgruppen, schulte Lehrer und Psychologen, war Gastdozentin in den USA, Europa und in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

„Bathseva war eine kluge und einfühlsame Person, die viele Kolleginnen und Kollegen wie auch Teilnehmende in den Zeitzeugengesprächen und gemeinsamen Seminaren tief beeindruckt hat“, sagte Andrea Genest, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. „Durch sie fühlten sich viele motiviert, sich intensiver mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false