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Null Bock auf Politik und Geld ist geil : Brandenburger Jugendstudie mit dramatischen Befunden

Das politische Engagement junger Leute ist nach der Corona-Pandemie in Brandenburg eingebrochen. Sie finden materielle Werte wichtiger - und klauen häufiger.

Im Land Brandenburg wächst gerade eine weitgehend unpolitische Generation heran, fast ohne Bock auf demokratisches Engagement. „Viel Geld zu verdienen“ und „Wohlstand“ scheinen als Lebensziele für die meisten immer wichtiger zu werden. Das geht aus der aktuellen Studie „Jugend in Brandenburg“ hervor, aus der nun die Kapitel zu Lebenszufriedenheit, Mitwirkung und Kriseneinstellungen veröffentlicht wurden. Katrin Krumrey, Kinder- und Jugendbeauftragte des Land Brandenburgs, führt die Verschiebung von Wertvorstellungen auch auf Nachwirkungen der Einschränkungen der Corona-Pandemie zurück.

Desinteresse an Politik und Engagement

Nach der repräsentativen Befragung, für die das Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) an der Uni Potsdam Ende 2022/Anfang 2023 insgesamt 3124 Kinder und Jugendliche befragte, hat für die junge Generation aktive Teilnahme am politischen Leben die „geringste Bedeutung“ - mit weiter abnehmender Tendenz. „Das ist der kritischste Befund“, sagte IFK-Jugendforscher Andreas Pöge.

Eine aktive politische Teilhabe war 2017 nach jahrelanger Zunahme für 47,4 Prozent ein wichtiges Lebensziel, was nun auf 33,8 Prozent gesunken ist. Nur noch 12,2 Prozent (2017: 16,9 Prozent) können sich vorstellen, bei einer politischen Bewegung mitzumachen. „Wir hatten explizit Fridays for Future als Beispiel genannt. Diese Jugendbewegung hatte vor der Corona-Krise noch großen Zulauf“, sagte Pöge. „Ich interpretiere es so, dass Fridays for Future durch Corona, durch die Einschränkungen eingeschlafen oder ziemlich erstickt worden ist.“

Nur jeder Zweite würde zur Wahl gehen

Zugleich ist politische Gewalt für die meisten jungen Leute ein abolutes No Go. 84 Prozent lehnen Gewalt gegen fremdes Eigentum und 86 Prozent gegen Personen ab. Pöge vermutet, dass Aktionen wie der Letzten Generation, wie Klimakleber abschreckend wirken, „dass das möglicherweise politisches Engagement von Jugendlichen eher bremst als bestärkt.“

Von den jungen Leuten würden laut Studie 37 Prozent (2017: 31,7 Prozent) nie an einer Demonstration teilnehmen. Und etwa 60 Prozent wollen „unter keinen Umständen“ einer Partei beitreten. Nur knapp die Hälfte kann sich vorstellen, künftig an einer Wahl teilzunehmen, 51,8 Prozent- 2017 waren das noch 83,4 Prozent.

Materielle Werte werden wichtiger

Auf der anderen Seite ist heute für 87,7 Prozent „viel Geld zu verdienen“, ein bedeutsames Lebensziel (2017: 79,1 Prozent). Für 70,7 Prozent ist es erstrebenswert, ohne Anstrengungen angenehm zu leben (2017: 67,2 Prozent). Rückläufig ist das Ziel eine Familie zu gründen und sank auf 83,9 Prozent – von 89,9 Prozent vor sechs Jahren. Und die Wertorientierung, „für andere da zu sein“ ist von 60,2 Prozent 2017 auf jetzt 50,8 Prozent gesunken.

Die wachsende Bedeutung materieller Werte sei auf das „Krisenerleben“, auf steigende Preise, auf die Befürchtung einer Mangellage zurückzuführen, vermutet Pöge. So empfinden 62,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen die Inflation, die steigenden Preise als „sehr bedrohlich“ – der Spitzenwert. Die Corona-Pandemie nur noch für 9,8 Prozent relevant. Beim Ukraine-Krieg, den jeder dritte als sehr bedrohlich empfindet, sind die Angst vor einem Atomwaffen-Einsatz (69,1 Prozent) und vor negativen finanziellen Folgen für sich und die Familie (69 Prozent) am größten.

Jeder Vierte klaut, jeder Zweite fährt schwarz

Auffällig ist die drastisch gestiegene Kriminalität: Laut Studie haben 24 Prozent der Jugendlichen in den letzten 12 Monaten mindestens einmal geklaut (2017: 11,7). Etwa jeder Vierte (25,1 Prozent) gibt an, in dieser Zeit mindestens einmal ohne Führerschein gefahren zu sein. Fast jeder zweite Jugendliche (47 Prozent) ist mindestens einmal in Bus, Bahn oder Tram als Schwarzfahrer unterwegs gewesen. „Es ist möglicherweise auch ein Aufholen nach Corona, was sich hoffentlich wieder einpegeln wird“, sagte Pöge.

Die gewachsene Kriminalität sei wie die rückläufige politische Teilhabe ein deutschlandweiter Trend, kein Brandenburger Phänomen. „Es spiegelt auch wider, dass die Geldbeutel knapper geworden sind, dass das wöchentliche Taschengeld von 20 Euro für weniger reicht“, vermutet Kumrey.

Teenager insgesamt mit ihrem Leben zufrieden

Doch es gibt auch erfreuliche Befunde: So ist Brandenburgs heutig junge Generation ist mit ihrem Leben sehr zufrieden, insgesamt (96 Prozent), in finanzieller Hinsicht (81,4), in Bezug auf Freizeitmöglichkeiten (84,5), im Verhältnis zu Eltern (90,3), sozialen Kontakten (94,9) oder der Wohnsituation (92,3). Und 87,5 Prozent – etwa wie 2017 – blicken optimistisch in die Zukunft, in Bezug auf einen sicheren, guten Job. Daran könne man anknüpfen, sagte Kumrey. „Es ist kein Selbstläufer, dass das Lebensgefühl in dieser Krisenzeit so geblieben ist!“ Es müsse darum gehen, die Teilhabemöglichkeiten für Kinder- und Jugendliche auf allen Ebenen in Brandenburg weiter zu verbessern.

Seit 1991 befragt das Land Brandenburg Jugendliche zu ausgewählten Lebensbedingungen und Einstellungen. Bisher wurden insgesamt neun Studien durchgeführt und veröffentlicht. Bereits im Sommer waren aus der aktuellen Studie die Befunde zur Verbreitung von Rechtsextremismus veröffentlicht worden. Ein hohes Niveau, aber seit 2017 nicht gestiegen waren das Ergebnis. Auch sind Zahlen zum steigendem Frust über die Lage an den Schulen veröffentlicht worden. Die neuen Erkenntnisse sind kaum besser.

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