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Am deutsch-polnischen Grenzfluss Oder finden Arbeiten für den Bau einer neuen Eisenbahnbrücke über den Fluss statt.

© dpa/Patrick Pleul

Neue Brücke über die Oder wird eingeschoben: Carbon, Stahl und viele Probleme

Mit einem Jahr Verspätung wird Brandenburgs größter Brückenneubau in Position geschoben. Für den Ausbau der Ostbahn gibt es immer noch kein Geld.

Bahnchef Alexander Kaczmarek redete nicht drumherum: „Der Start war schwierig, wie immer bei der Ostbahn. Mit einem Jahr Verspätung wurde am Montag begonnen, Brandenburgs größten Brückenneubau in die endgültige Position zu schieben. Doch nicht die Größe ist das Besondere, sondern die Technik: Die 130 Meter lange Konstruktion besteht aus einer Mischung aus Stahl und Carbon, das ist ein besonders leichter Werkstoff, der aus dem Rennradbau bekannt ist.

Laut Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) ist es europaweit die erste Carbonbrücke, „wir setzen Standards“. Ab Dezember sollen wieder Züge fahren. Der Korrosionsschutz hielt nicht auf dem Stahl und musste abgekratzt und erneuert werden. Hinzu kamen Personal- und Materialmangel, Niedrigwasser und Munitionsfunde, so die Bahn. „Extremer Zeitdruck aufgrund anfänglicher Anpassung der Bautechnologie sowie krisenbedingter Engpässe bei Baumaterial und Personal“, beschreibt das Ingenieurbüro, das den Bau betreut, etwas umständlich.

Unterdessen hat die Firma, die das Carbon lieferte, früheren Angaben der Bahn widersprochen, dass das Carbon Probleme gemacht habe. Der Bahnchef hatte kürzlich im Zusammenhang mit der neuen Technik die Formulierung benutzt, dass man „Lehrgeld zahle“. „Das ganze Problem mit dem Korrosionsschutz betraf nur die Stahlteile der Brückenkonstruktion, also auch nicht die Verbindungsstellen zum Carbon“, sagte nun Arne Gülzow von der Schweizer Firma Carbo-Link.

Minister Beermann und Bahnchef Kaczmarek vor der neuen Brücke

© Jörn Hasselmann

Eigentlich sollte die Brücke bereits im Dezember 2022 fertig sein und der zeitraubende Notverkehr mit Bussen vom deutschen Küstrin ins polnische Kostrzyn enden. Vor exakt einem Jahr war bekannt geworden, dass die Bahn den Zeitplan nicht halten kann. Wie berichtet, war die alte Stahlbrücke von 1920 einsturzgefährdet und musste abgerissen werden. Die Vorflutbrücken stammten – schwer zu glauben – sogar aus dem Jahr 1867. Seit Dezember 2020 endet die Regionalbahn RB26 von Berlin nach Kostrzyn auf der deutschen Seite in Küstrin. 

Nur ein Gleis, keine Oberleitung: Die Ostbahn, 30 Jahre nach dem Mauerfall
Nur ein Gleis, keine Oberleitung: Die Ostbahn, 34 Jahre nach dem Mauerfall

© Jörn Hasselmann

Die neue Brücke über den Grenzfluss ist zweigleisig, eine spätere Oberleitung ist mitgedacht worden. Zudem entstanden in den letzten drei Jahren mehrere Kastenbrücken über die Vorflutbereiche der Oder, Gesamtkosten: 50 Millionen Euro. Die Brücken sind für Tempo 120 ausgelegt, das ist viermal so schnell wie auf der alten. Carbon gilt als kommender Baustoff auch bei Straßenbrücken, die seit Jahrzehnten aus Stahlbeton gebaut werden. Doch Stahl rostet und geht dann kaputt, wie Berlin nicht nur am Desaster der Elsenbrücke über die Spree gemerkt hat.

50
Millionen Euro hat die neue Hightech-Brücke über die Oder gekostet.

Im krassen Gegensatz zur neuen Hightech-Brücke bleibt der Zustand der Strecke nach Berlin. „Der aktuelle Stand ist alles andere als zufriedenstellend“, sagte Beermann. Nur drei Prozent der 80 Kilometer langen Strecke zwischen Berlin und der Oder seien elektrifiziert, 84 Prozent eingleisig. Die Ostbahn gilt bei Experten als die vernachlässigste Strecke in der Region. Seit der politischen Wende 1989 ist fast nichts passiert. Einst führte die „Preußische Ostbahn“ von Berlin über Küstrin nach Königsberg, überwiegend genutzt von Fernzügen.

Wegen der Eingleisigkeit kam Kaczmarek zu spät zur Feier, denn seine RB26 musste 15 Minuten auf freier Strecke stehen bleiben, um auf den Gegenzug zu warten. Der Bahnchef erneuerte deshalb seinen Appell, die Strecke schnell auf zwei Gleise auszubauen und zu elektrifizieren: „Wir brauchen die Ostbahn, als Umleitung und als Entlastung der Strecke nach Frankfurt.“

Doch Beermann hatte keine guten Nachrichten mitgebracht: Vom Bund gibt es immer noch keine Finanzierungszusage. Das Europaparlament unterstützt den Ausbau, Polen hat mit der Modernisierung der (zweigleisigen) Strecke von Pila (Schneidemühl) bis Kostrzyn auf Tempo 160 längst begonnen. In Deutschland fehlt beim Bund der politische Wille.

Am kommenden Freitag wird bereits die nächste Brücke gefeiert. Kaczmarek und die Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner wollen in Berlin-Tempelhof den Einschub der neuen Teltowkanalbrücke starten. Die Brücke sei ein wichtiges Etappenziel beim Neubau der Dresdner Bahn, teilte die Bahn mit. Mit Inbetriebnahme der neuen Strecke im Dezember 2025 fahren dann Fern- und Regionalverkehrszüge über diese neue Brücke. Dann können Züge deutlich schneller sein auf der Fahrt nach Dresden, zudem lässt sich der Flughafen BER deutlich schneller erreichen als derzeit.

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