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Das Einfamilienhaus von Familie Walter in Rangsdorf (Landkreis Teltow-Fläming).

© dpa/Soeren Stache

Update

Nach fehlerhafter Zwangsversteigerung: Brandenburger Familie muss Haus in Rangsdorf abreißen lassen

Das Oberlandesgericht hat entschieden: Die Familie muss das Grundstück räumen und eine Entschädigung an den Eigentümer zahlen.

Von Klaus Peters

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In der Urteilsbegründung lässt der Vorsitzende Richter zwar erkennen, dass seinem 5. Zivilsenat bewusst sei, welch schwerwiegende Folgen das Urteil für eine Familie habe. Doch die Rechte des Eigentümers wögen vor dem Gesetz schwerer, stellt Richter Christian Odenbreit vom Brandenburger Oberlandesgericht am Donnerstag klar. Daher muss die Familie nun ohne eigenes Verschulden ihr Eigenheim und das Grundstück innerhalb eines Jahres räumen und das Haus auf eigene Kosten abreißen lassen - weil das Amtsgericht Luckenwalde bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks in Rangsdorf einen schweren Fehler gemacht hat (Az.: 5 U 81/20).

Die Familie hatte das etwa 1000 Quadratmeter große Grundstück 2010 bei der Zwangsversteigerung im Amtsgericht Luckenwalde regulär erworben. Das Bauland wurde versteigert, weil der Erbe des Grundstücks Schulden bei der Stadt Freiburg hatte und angeblich nicht erreichbar war. Nachdem die Familie den hohen Kredit aufgenommen, dort ihr Haus gebaut hatte und 2012 mit zwei kleinen Kindern eingezogen war, meldete sich der Erbe ein Jahr später und forderte das Grundstück vor Gericht zurück.

Nicht ausreichend nach dem Erben gesucht

Das Landgericht Potsdam entschied daraufhin im Jahr 2014, dass das Amtsgericht versäumt habe, nach dem Erben in ausreichendem Maße zu suchen. Daher sei die Zwangsversteigerung nicht rechtens und der Erbe weiterhin Eigentümer des Grundstücks seiner verstorbenen Tante. Dies wurde nun vom OLG bestätigt.

Christian Odenbreit, Vorsitzender Richter am Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG).

© dpa/Soeren Stache

Dem Urteil zufolge muss die Familie außerdem dem Eigentümer, einem in der Schweiz lebenden US-Bürger, für die Nutzung des Grundstücks eine Entschädigung in Höhe von gut 6000 Euro zahlen. Und da ist noch die Grundschuld in Höhe von 280.000 Euro plus Zinsen für die Baukosten, die die Familie schnell tilgen muss. Denn: „Im Ergebnis hat die Familie das Grundstück so zu übergeben, wie es vor dem Zuschlag bei der Versteigerung war“, sagt Odenbreit. Eine Revision ist nicht zugelassen.

Die Familie hofft nun, dass das Land wegen des Behördenfehlers den Schaden ersetzt. „Wir warten auf ein Gesprächsangebot des Landes“, sagte Vater Philipp Walter, der wie seine Frau nicht zu der Urteilsverkündung erschienen war, am Donnerstag auf Anfrage. Weiter wollte er sich nicht äußern.

Land will der Familie helfen

Das Justizministerium reagierte prompt: Es sei eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die das Urteil umfassend analysieren werde, teilte das Ministerium nach dem Urteil mit. Ziel sei, Amtshaftungsansprüche wegen des Behördenfehlers außergerichtlich zu klären. Das Land stehe in der Verantwortung, die durch den Fehler bei Gericht verursachten materiellen Schäden zu ersetzen, sagte Justizministerin Susanne Hoffmann. Dabei gehe es um einen möglichen finanziellen Ausgleich, aber auch um weitere Optionen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit der Familie eine sachgerechte Lösung finden werden, durch die weiteres Leid vermieden wird“, sagte Hoffmann.

Das OLG ging noch einen entscheidenden Schritt weiter: Das Landgericht habe die vom Eigentümer geforderte Räumung des Grundstücks und den Abriss des Hauses abgelehnt, weil sich die Familie auf Treu und Glauben berufen könne, erläuterte Odenbreit. Doch auch hier wog für den Zivilsenat des OLG das Eigentumsrecht schwerer. Bliebe die Familie dort wohnen, könne der Eigentümer das Grundstück nicht nutzen und es bliebe „wirtschaftlich eine leere Hülle“, sagte Odenbreit.

Auch das Haus sei dem Eigentümer nicht zuzumuten, sagte der Vorsitzende Richter. Da der Erbe es nicht wolle, müsse er es auch nicht bezahlen oder für den Abriss aufkommen. Und mit der Räumungsfrist von einem Jahr sei das Gericht der Familie entgegengekommen, so Odenbreit. Die gravierenden finanziellen Folgen könnten durch das Land Brandenburg abgemildert werden.

Anspruch auf staatliche Entschädigung

Gerichtssprecherin Vera Krüger-Velthusen erklärte nach dem Urteil, nach solch einem Behördenfehler hätten die Betroffenen grundsätzlich Anspruch auf staatliche Entschädigung.

Der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler im Landtag, Péter Vida, erklärte, das Urteil rüttele am Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. „Eine Familie, die sich vollkommen korrekt verhalten hat, muss nun ihren Lebensmittelpunkt räumen. Das ist nur schwer erträglich“, sagte Vida. Das Ministerium müsse den Schaden nun schnell beheben. „Der schnellste und menschlichste Weg: Das Grundstück dem Eigentümer abkaufen und der Familie dann kostenlos übereignen“, so Vida. „Auf jeden Fall hat das Land der Familie gegenüber unverzüglich rechtsverbindlich zu erklären, dass es für alle sich aus dem Fehler ergebende Schulden und Schäden haften wird.“ (dpa)

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