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© dpa

Tödliche Hetzjagd: Guben gedenkt - oder verdrängt

Vor zehn Jahren hetzten Nazis den Algerier Farid Guendoul auf grausamste Weise in den Tod. Die Tat spaltet die Stadt noch heute.

Von Frank Jansen

Guben - Er starb einen Tod, wie er grausamer kaum sein kann. In panischer Angst trat Farid Guendoul in der Nacht zum 13. Februar 1999 die gläserne Eingangstür eines Plattenbaus ein. Eine Scherbe riss am rechten Bein die Schlagader auf. Der Algerier schleppte sich ins Treppenhaus, sackte zusammen und verblutete. Farid Guendoul war als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hier endete das Leben des 28-Jährigen, der sich Omar Ben Noui nannte – auf der Flucht vor einer Meute junger Rechtsextremisten.

Das Bild des blutverschmierten Treppenhauses in der Hugo-Jentsch-Straße 14 im Gubener Viertel Obersprucke rief Entsetzen hervor, im In- und Ausland. Wieder einmal hatte rassistische Gewalt in der Bundesrepublik einen Menschen das Leben gekostet. Die Hetzjagd von Guben wurde ein Inbegriff der tödlichen Folgen rechtsextremer Kriminalität, wie die Brandanschläge auf Türken in Mölln und Solingen und später der Foltermord an einem Schüler im uckermärkischen Potzlow. Heute ist der zehnte Jahrestag der Hetzjagd. Ein schmerzhaftes Datum.

Es ist nicht nur die Erinnerung an die grausigen Bilder vom Treppenhaus. Der Prozess gegen elf junge Rechtsextremisten, die sich vor dem Landgericht Cottbus wegen der Hetzjagd auf Guendoul und zwei weitere Afrikaner verantworten mussten, war oft chaotisch und dauerte 17 Monate. Bei den Angeklagten war Unrechtsbewusstsein nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Mehrere Verteidiger provozierten mit unsinnigen Anträgen und zynischen Sprüchen. Ein Anwalt hielt Schmähworte wie „Kanake“, „Fidschi“ und „Neger“ für normales Vokabular. Das passte zu der Äußerung des damaligen CDU-Bürgermeisters von Spremberg, der Guendoul für seinen Tod mitverantwortlich machte: „Was hatte der nachts auf der Straße zu suchen?“

Die Richter verurteilten acht Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung, die Strafen waren relativ milde. Das Urteil wurde in der Öffentlichkeit heftig kritisiert. Danach flaute die Aufmerksamkeit ab. Die rechte Szene machte weiter. Der Gedenkstein, den junge Linke nahe dem Ort des Todes von Guendoul aufstellten, wurde mehrmals geschändet. Es gab noch mehr Gewalttaten und ein Rädelsführer der Hetzjagd, Alexander Bode, trat im September 2008 bei den Kommunalwahlen für die NPD an. Er fiel durch, doch Sicherheitsexperten halten ihn weiterhin für eine Schlüsselfigur der Gubener Szene. Der harte Kern wird auf etwa 30 bis 40 Figuren geschätzt. So schlimm wie in der 90er Jahren sei es in Guben allerdings nicht mehr, sagt ein Experte.

Dass in einigen Vierteln die Stimmung prekär bleibt, zeigte sich allerdings im Wahlkampf. Als der Tagesspiegel im September in Obersprucke mit Bewohnern und Passanten über den verbluteten Algerier sprach, äußerte nur eine Frau Mitleid. Ansonsten gab es Sprüche wie „erst machen die Neger die Mädchen an, dann wundern sie sich, wenn was passiert“.

Guben hat allerdings zwei Gesichter. Der Gedenkstein ist noch da, und es gibt Gubener, die sich um ihn kümmern. Im Jahr 2001 engagierten sich viele Bewohner für eine vietnamesische Familie, die vor der drohenden Abschiebung ins Kirchenasyl geflüchtet war. Dank der Proteste konnten die Asiaten in der Neiße-Stadt bleiben. Und jetzt, zum zehnten Jahrestag der Hetzjagd, zeigt das bessere Guben wieder stärker Gesicht. Eine überparteiliche Initiative veranstaltet ein „Jahr der Mahnung“, in dem unter anderem jeden Monat mit Jugendlichen über die Achtung der Menschenwürde gesprochen werden soll. Für den heutigen Freitag sind ein Gedenkmarsch geplant und eine Schweigeminute, außerdem sollen stadtweit die Glocken läuten. Am Gedenkstein werden Jugendliche eine 24-stündige Mahnwache abhalten.

Zwei Gesichter – welches Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner (FDP) trägt, ist allerdings nicht klar zu erkennen. In einer Pressemitteilung zählt er den „Vorfall“ von 1999 „zu den schwarzen Tagen unserer Stadt“. Offenbar nicht nur wegen der Hetzjagd. Hübner behauptet, die Gubener seien „über Jahre hinweg stigmatisiert und angeprangert“ worden. Und wichtiger als die Erinnerung an die tragischen Ereignisse sei, sagt Hübner, Guben müsse „vor allem nach vorn schauen“. Es klingt, als wolle der Bürgermeister gleichzeitig Scham und Verdrängung predigen. Befragen lässt er sich vom Tagesspiegel nicht. Eine Sprecherin sagt in gereiztem Ton, „wir werden uns zu dem Thema nicht mehr äußern“. Würde der Bürgermeister jede Anfrage beantworten, „kommt er zu nichts anderem mehr“. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hingegen spricht klare Worte: Auch zehn Jahre danach sei „diese brutale Tat für mich und unzählige Menschen in Brandenburg Anlass für Scham und Trauer“.

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