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Aufnahmen der Stadt Burg im Spreewald.

© Julius Geiler/Tagesspiegel

„Der Lehrer-Brandbrief hat uns nicht überrascht“ : Rechter Hass in Burg – jetzt reden die Anwohner

Zwei Lehrer verlassen ihre Brandenburger Schule wegen massiver rechter Anfeindungen. Was macht das mit dem Ort? Drei Protokolle aus Burg im Spreewald.

Im April wenden sich die Lehrer Laura Nickel und Max Teske zunächst anonym an die Medien. In einem Brandbrief berichten sie von rechtsextremen Parolen, Rassismus und Hitlergrüßen in der Schülerschaft ihrer Oberschule in Burg im Spreewald. Der Fall bekommt viel Aufmerksamkeit, die beiden Lehrkräfte treten bald auch mit Namen und Gesicht in der Öffentlichkeit auf.

Drei Monate später, Mitte Juli, verkünden Nickel und Teske, der Schule „Mina Witkojc“ in Burg den Rücken kehren zu wollen. Die Anfeindungen seien zu massiv. Zuvor waren verunglimpfende Sticker der beiden in der Region aufgetaucht, ein Instagram-Account rief zur „Jagd“ auf die Lehrer auf.

Auch überregional wird über die kleine Gemeinde berichtet. Burg gilt plötzlich als Sinnbild für den wiedererstarkten Rechtsextremismus, der auch vor Kindern und Jugendlichen keinen Halt macht. Doch wie sehen das die Einwohner des Spreewaldortes? Die Stimmung unter den Bewohnern ist angespannt, viele misstrauen den Medien. Wie unsicher sich die Einheimischen fühlen, wird dadurch deutlich, dass einige Angefragten mit dem Tagesspiegel nur anonym sprechen wollen. Andere lehnen sofort ab.

Ehepaar, über 60 Jahre alt, schon immer in Burg gelebt, Gastronomen

„Als wir von dem Lehrer-Brandbrief mitbekommen haben, waren wir nicht überrascht. Seit vielen Jahren gibt es rechte Tendenzen an der Burger Schule und auch in der Bevölkerung. Hier wählen 30 Prozent der Bevölkerung die AfD. Wir denken, dass das Problem rechter Strukturen und Vorfälle in Burg und Umgebung schon länger vorhanden ist. Uns sind rechte Vorfälle von der Gesamtschule aus persönlichen Erzählungen bekannt, auch von unseren Kindern, die in den 90er Jahren dort zur Schule gegangen sind.

Wenn wir das Problem im persönlichen Umfeld angesprochen haben, wird es bagatellisiert und kleingeredet. Wir fühlen uns mit unserer Meinung ziemlich alleingelassen, weil viele sagen, dass das alles halb so schlimm ist, dass so etwas schon immer gab und der Vorfall an der Schule ein Dummejungenstreich war. 

Wenn wir das Problem im persönlichen Umfeld angesprochen haben, wird es bagatellisiert und kleingeredet.

Ein Ehepaar aus Burg

Die Schüler sind für uns gar nicht das Problem. Der Fokus liegt für uns eher auf der Lehrerschaft. Die Schüler sind nur Jugendliche. Es ist für uns unbegreiflich, wie solche Verhältnisse über einen längeren Zeitraum überhaupt möglich waren.

Die Medien bauschen die Vorfälle und das Problem des Rechtsextremismus in Burg teilweise auf, aber nur, weil das Problem unseres Erachtens keineswegs auf Burg begrenzt ist, sondern in der kompletten Region und vielleicht sogar in ganz Brandenburg an der Tagesordnung ist. 

Die Bus-Haltestelle «Burg Schule» steht vor einer Grund- und Oberschule im Spreewaldort Burg. Ein Lehrer und eine Lehrerin hatten vor mehreren Monaten einen zunächst anonymen Brandbrief über rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule in Burg veröffentlicht und damit ein breites Medienecho ausgelöst.

© dpa/Patrick Pleul

Natürlich haben wir Sorge, dass die Region in einem schlechten Licht dargestellt wird. Wir wissen von mehreren Stornierungen aufgrund der aktuellen Geschehnisse und kennen persönlich zwei Fälle aus dem Bekanntenkreis. Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass keiner das Problem wirklich wahrhaben will. Persönlich haben wir auch Konsequenzen gezogen und Freundschaften gekündigt, weil politisch einfach kein Konsens mehr zu finden ist. 

Wir stehen zu den beiden Lehrern und wir finden es sehr mutig von ihnen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ihren Rückzug finden wir verständlich. Wir äußern uns auch nur anonym, weil wir mit Repressalien rechnen müssen. Die rechten Strukturen haben hier schon so einen großen Umfang angenommen, dass wir Angst haben vor Vandalismus und dergleichen.“

Anonym, schon immer in Burg gelebt

„Rechte Strukturen und Vorfälle sind in Burg und Umgebung meines Erachtens nur wenig zu finden. Natürlich ist bekannt, dass der Verfassungsschutz den Besitzer des „Deutschen Hauses“ (Anmerkung der Redaktion: ein Restaurant in Burg), Herrn G. im Visier hat. Aber G. ist ein einziger, nicht einheimischer Unternehmer von etwa 30 Gastronomen in Burg. 

Durch die einseitige Berichterstattung der Medien, die letztlich vor allem die Meinung der zwei Lehrer widerspiegelt, geht komplett unter, dass es in Burg viele soziale Projekte gibt. Es gab ein Benefizkonzert für ukrainische Flüchtlinge, einige Bürger haben Ukrainer privat aufgenommen, an der Schule sind unterschiedliche Nationalitäten präsent und integriert. 

Rechte Strukturen und Vorfälle sind in Burg und Umgebung meines Erachtens nur wenig zu finden. 

Ein Einwohner Burgs

Grundsätzlich finde ich das Anliegen des Brandbriefs unterstützenswert, aber ich frage mich, wieso er direkt an die Medien und nicht zuerst an das Schulamt weitergeleitet wurde. Der im Schreiben benannte Hitlergruß wurde von einem von insgesamt 500 Schülern getätigt. Das entspricht 0,2 Prozent der Schülerschaft. Trotzdem erreichen Menschen im Ort, die im Tourismus arbeiten, telefonische Bedrohungen oder Stornierungen, die sich auf den Brandbrief beziehen. Ein Anrufer soll gesagt haben, dass hier angeblich Verhältnisse wie 1933 herrschen. 

Der Weggang von Frau Nickel von unserer Schule stellt ohne Frage einen pädagogischen Verlust für die Schüler dar. Zugleich lässt uns dieser Abschied hoffen, dass wieder Normalität und Ruhe im Schulleben und in der Bevölkerung einkehrt. Burg ist ein wendisches Siedlungsgebiet und stellt eine große slawische Minderheit. Die Burger Bürger waren und sind seit Jahrhunderten nachweislich weltoffen und gastfreundlich.“

Männlich, schon immer in Burg gelebt

„Als ich von dem Brandbrief gehört habe, habe ich mich gefragt, wie sowas sein kann. Wie kann so etwas an unserer Schule passieren, ohne dass wir hier im Ort Bescheid wissen? Niemand aus meinem Umfeld hatte eine Ahnung, was da vor sich geht. Jetzt hauen auch noch die Lehrer, die das Ganze öffentlich gemacht haben, ab. Ich finde das ganz schlimm. Niemand aus der Politik äußert sich, die beiden haben kaum Unterstützung bekommen. Das ist doch furchtbar. Jeder hier zieht sich aus der Verantwortung 

Jeder hier zieht sich aus der Verantwortung.

Ein Einwohner Burgs

Stattdessen wird auch im Ort von vielen alles verschwiegen, einfach nicht darüber gesprochen. Das ganze muss schon viel länger gehen, doch niemand hat was dagegen gesagt. Menschen aus meinem Umfeld haben Kinder auf der Schule. Die sagen, es bringt nichts, dort gegen rechte Tendenzen vorzugehen. Es wäre schlicht zu gefährlich. 

Es gibt zum Glück viele hier im Ort, die wie ich denken. Aber ein nicht unerheblicher Anteil der Bürger positioniert sich auch einfach gar nicht. Das einzige Problem, welches die sehen, ist, dass weniger Touristen kommen. Deswegen wird der schwarze Peter jetzt auf die Lehrer abgeschoben. Das kann doch nicht sein, das ist doch nicht richtig.

Meine Familie lebt seit dem 15. Jahrhundert in der Gegend. Ich bin in Burg geboren und gehöre der sorbischen Minderheit an. Im Nationalsozialismus wurde mein Volk als minderwertig erklärt, unsere Sprache verboten. Ich weiß ganz genau, wozu Rechtsextremismus führen kann.“

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