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An einer Brücke über der Autobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) ist das System der automatischen Kennzeichenfahndung Kesy angebracht.

© dpa/Patrick Pleul

Datenschützer alarmiert: Kommt die Kennzeichenspeicherung in Brandenburg zurück?

Dem Landtag liegt ein neuer Entwurf für Änderungen am Polizeigesetz vor. Die mitregierenden Grünen lehnen ihn klar ab. Die SPD sieht noch Diskussionsbedarf.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) macht mit seinen Plänen zur automatischen Kennzeichenerfassung (Kesy) ernst. Am Tag, an dem das Bundesverfassungsgericht das Polizeigesetz von Mecklenburg-Vorpommern gekippt hat, hat das Brandenburger Innenministerium dem Landtag einen Entwurf für Änderungen des Brandenburger Polizeigesetzes zugeleitet. Und die noch nicht vom Kabinett beschlossene Novelle hat es in sich: Stübgen plant, die Kesy-Geräte wieder in einem Aufzeichnungsmodus einzusetzen.

Seit 2020 werden die Geräte, mit denen etwa auf der Autobahn zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) die Nummernschilder vorbeifahrender Fahrzeuge erfasst werden, nur bei der Suche nach einem konkreten, im Vorfeld feststehenden Kennzeichen im Rahmen einer Fahndung eingesetzt. Das erfasste Nummernschild wird einmalig mit dem Nummernschild des gesuchten Fahrzeugs verglichen. Gespeichert werden die erfassten Nummernschilder nicht. Schuld daran ist das Inkrafttreten einer neuen Strafprozessordnung: Dadurch ist die Aufzeichnung der Kennzeichen auch aus Sicht des Innenministeriums nicht mehr rechtlich gedeckt.

Zuvor hatte schon die Landesdatenschutzbeauftragte Dagmar Hartge die Kennzeichenaufzeichnung als unzulässig eingestuft. Künftig indes sollen die Einsatzmöglichkeiten für Kesy wieder etwas weiter gefasst werden: Wenn die Polizei Gefahr im Verzug befürchtet, weil zum Beispiel eine Serie von Morden oder Vergewaltigungen in Brandenburg stattfindet, können die Daten bis zu drei Monate gespeichert werden, um sie auch mit später erst bekanntwerdenden Kennzeichen zu vergleichen. Auf diese Weise sollen die Ermittlungen erleichtert werden.

SPD sieht noch Diskussionsbedarf

„Wir müssen der Polizei alle Befugnisse verschaffen, um für die Menschen Sicherheit herzustellen“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Brandenburger SPD, Inka Gossmann-Reetz. „Wichtig bleibt, dass wir hier nicht bundesrechtliche Befugnisse und landesrechtliche Gefahrenabwehrmaßnahmen durcheinanderwerfen.“ Das Land müsse im Polizeigesetz „ganz klar formulieren, warum Daten gesammelt werden, wie sie gespeichert werden, und was damit passiert“, sagte Gossmann-Reetz. „Da sehe ich auch bei dem neuen Entwurf noch Diskussionsbedarf, wenn wir vermeiden wollen, dass uns der Entwurf vor Gericht um die Ohren fliegt.“

Der Koalitionsvertrag schließt die Einführung neuer Überwachungsmaßnahmen im Polizeigesetz klar aus.

Marie Schäffer, Grünen-Landtagsabgeordnete

Klar abgelehnt wird der neue Kesy-Anlauf weiter von den mitregierenden Grünen. „Der Koalitionsvertrag schließt die Einführung neuer Überwachungsmaßnahmen im Polizeigesetz klar aus“, sagt deren Potsdamer Landtagsabgeordnete Marie Schäffer. „Wir Bündnisgrünen stehen für die Wiedereinführung einer Auto-Vorratsdatenspeicherung nicht zur Verfügung.“ Gerade bei dieser Maßnahme stehe der „sehr fragwürdige Nutzen zur Verbrechensbekämpfung in keinem Verhältnis zur Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrer im Land.“

Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetz in Mecklenburg-Vorpommern lasse Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Pläne aufkommen und sollte zunächst sorgfältig auf seine Auswirkungen auf das Brandenburger Polizeigesetz analysiert werden, sagte Schäffer, die vor ihrer politischen Karriere Mitarbeiterin von Brandenburgs Datenschutzbeauftragter Dagmar Hartge war. 

Und auch Hartge selbst ließ über ihren Sprecher Sven Müller ankündigen, sich in den nächsten Tagen mit dem Entwurf von Stübgen gründlich befassen zu wollen. „Den Betrieb der Kesy-Kameras im Aufzeichnungsmodus beziehungsweise die daraus resultierende, umfassende Datenspeicherung von Kennzeichen Unverdächtiger haben wir stets für einen Verstoß gegen das datenschutzrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot gehalten“, sagte Müller am Donnerstag auf Anfrage.

„Die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage im Gefahrenabwehrrecht für eine Maßnahme, die in der Strafverfolgung vom Bundesgesetzgeber gerade erst ausgeschlossen wurde, ändert nach Auffassung der Landesbeauftragten nichts an der Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Datenschutzrechte Unbeteiligter“, so Müller weiter.

Zu den weiteren geplanten Maßnahmen gehört die Einführung der sogenannten Abschnittskontrolle bei der Geschwindigkeitsmessung. Dabei wird nicht die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs an einem Punkt gemessen, wie es herkömmliche Blitzer derzeit tun, sondern vielmehr die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer bestimmten Strecke.

„Das ist eine gute Maßnahme“, sagt Gossmann-Reetz. „Dort, wo dieses System schon heute angewandt wird, sieht man gute Erfolge.“ Zudem soll die Novelle des Polizeigesetzes etwa die Fixierung von Randalierern in Gewahrsamszellen mittels eines Gurtsystems ermöglichen, wie es auch in der Psychiatrie angewandt wird.

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