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Der 15-jährige Amani spricht offen über Diskriminierung.

© Thilo Rückeis

Alltagsrassismus in Berlin: Afrodeutsche stehen in Berlin immer unter Verdacht

Beim Einkaufen wird immer nur er kontrolliert. In der Schule gibt es ständig dumme Kommentare. Der 15-jährige Amani erzählt vom Alltag als schwarzer Berliner.

Zum Beispiel bei der Elektronikkette. Wenn der 15-jährige Amani mit seinen Freunden einkaufen geht, ist er stets der Einzige, dessen Rucksack kontrolliert wird. Beim Kommen und dann noch mal, wenn er geht. Amani ist in Berlin geboren, er geht hier in die 10. Klasse und ist auf dem Weg zu einem zweisprachigen Schulabschluss. Daneben spielt er Basketball in der Jugendbundesliga. Amani ist schwarz. Die Freunde, die beim Einkaufen nicht kontrolliert werden, sind weiß. Warum ist das so, fragt er sich. Afrodeutsche Jugendliche stehen in Berlin immer wieder unter Verdacht.

Angebote der Stadt, um ihnen zu helfen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, gibt es hingegen wenig. Das erzählt eine Beraterin des interkulturellen Netzwerks Joliba, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, um das Vertrauen der Jugendlichen nicht zu verlieren. Die Jugendlichen sind mit rassistischen Äußerungen von Lehrern und Mitschülern konfrontiert, erzählt sie, in Kneipen und Clubs werden sie häufig nicht reingelassen. Abends und nachts würden sie von der Polizei ohne Anlass kontrolliert. Wenn die Jugendlichen Rassismus thematisieren, werde ihnen gesagt, sie seien überempfindlich. Manche schwarze Jugendliche ziehen sich als Konsequenz aus öffentlichen Räumen zurück, sagt Helga Freyb von ReachOut, der Beratungsstelle für Opfer rassistischer Gewalt.

Welchen Alltagsrassismus Jugendliche erleben, variiert stark – je nach dem Bezirk, in dem man wohnt, nach Alter, ob man abends weggeht oder nicht. Auch Jungen und Mädchen sind mit unterschiedlichen Äußerungen von Rassismus konfrontiert. Bei Mädchen und jungen Frauen beziehen sich Angriffe häufig auf ihren Körper und ihre Sexualität. Der 15-jährige Amani ist abends zu Hause bei seiner Familie. Direkt angesprochen auf seine Hautfarbe werde er persönlich auf der Straße kaum, sagt Amani. Aber im Bus starren manche Leute, als hätten sie noch nie einen Schwarzen gesehen, sagt er. Amani hat angefangen zurückzustarren.

Die schwierigsten Situationen passieren für ihn in der Schule. Er hört rassistische Kommentare, zum Beispiel wenn ein dunkelhäutiger Erwachsener das Schulgebäude betritt, wenn es Schokoladenkuchen gibt oder es im Unterricht um Sklaverei geht. Manchmal passiert so was mehrmals pro Tag.

Der Alltagsrassismus in der Schule fällt Amani stärker auf, seit seine Familie vor einem Jahr aus Frankreich zurück nach Berlin gekommen ist. Während seiner fünf Jahre an einer Schule in Grenoble habe er kaum vergleichbare Situationen erlebt. Jeder Flug nach Deutschland brachte ihm wieder konträre Erfahrungen: Alle weißen Passagieren gingen am Zoll vorbei. Die schwarzen, darunter er und seine Mutter, wurden kontrolliert.

Während der Testwoche an seiner neuen Berliner Schule stellte er sich für das Schulmittagessen an. Zu dieser Zeit trug er kleine Zöpfe. Eine Gruppe Sechstklässler kam bedrängend auf ihn zu und grapschte in seinen Haaren herum. Er schubste sie zurück. Sein Kopf sei kein Streichelzoo, sagte er ihnen. Als er jünger war, habe er sich oft nicht getraut, etwas zu entgegnen, erzählt Amani. Jetzt habe er mehr Mut. Er erklärt seinen Mitschülern, sie sollen sich in seine Situation versetzen. Er fragt die Sicherheitsleute, warum gerade er kontrolliert wird. Dabei immer ruhig zu bleiben, wie es verlangt werde, falle nicht so leicht. Was ihm hilft, ist, mit seiner Mutter zu sprechen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Oder mit schwarzen Freunden, die sich ebenfalls wehren. Musik helfe, sagt Amani, und auch und auch die Clips von schwarzen Komikern im Internet, die mit Humor Rassismus bloß stellen, um zu zeigen, wie dumm das alles ist.

Beratung für schwarze Jugendliche: Joliba, Telefon 030-69569144, www.joliba.de. Beratungsstelle ReachOut: Telefon 69568339, www.reachoutberlin.de. Initiative Schwarze Menschen Deutschland: neu.isdonline.de. Afro-Deutsche Theaterspielgruppe: Telefon 4409002, www.afro-deutsche-spielgruppe-berlin.de

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