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Es muss weitergehen. Einige Frauen, die das Unglück in Bangladesch überlebt haben, arbeiten jetzt in einer anderen Fabrik als Näherinnen.

© dpa

Textilproduktion in Bangladesch: Zwölf-Stunden-Schicht für einen Hungerlohn

Vor zwei Jahren gab es beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch 1100 Tote. Die Arbeitsbedingungen haben sich kaum verbessert. Die Grünen werfen auch der Bundesregierung Tatenlosigkeit vor.

Zwei Jahre nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch kritisieren Hilfsorganisationen, dass sich an den Arbeitsbedingungen in dem Land und an anderen Textilstandorten kaum etwas verbessert hat. Trotz weltweiter Zusicherungen, sich für Veränderungen einzusetzen, seien die Arbeitsbedingungen „nach wie vor menschenunwürdig“, sagte eine Sprecherin der Organisation Oxfam, die sich für die Rechte von Menschen in Entwicklungsländern einsetzt. Näherinnen müssten weiterhin Zwölf-Stunden- Schichten für einen Hungerlohn leisten. In einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch heißt es, Firmenleiter gingen teils mit Gewalt gegen Gewerkschaftsaktivisten vor. Die Regierung in Bangladesch und westliche Händler könnten und sollten weit mehr tun, um internationalen Arbeitsstandards umzusetzen und die Rechte der Arbeiter zu schützen.

Nicht genug Geld im Entschädigungsfonds

Am 24. April 2013 war in Sabhar nahe der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka ein neungeschossiges Fabrikgebäude eingestürzt. Dabei starben mehr als 1100 Menschen, über 2400 wurden verletzt. Viele leiden noch immer unter den Folgen und können gar nicht oder nur eingeschränkt arbeiten. Da die Textilarbeiter – überwiegend sind es Frauen – meist die Hauptverdiener sind, hat dies katastrophale Folgen für die Familien. Nach dem Unglück wurde ein Entschädigungsfonds eingerichtet, der durch Beiträge der Textilwirtschaft gefüllt werden sollte. Laut Oxfam fehlen aber immer noch gut sechs der veranschlagten 30 Millionen Euro für die Opfer.

Kritik der Grünen an der Bundesregierung

Die Grünen werfen auch der Bundesregierung vor, sie habe sich zu wenig darum bemüht, bessere Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in Entwicklungsländern durchzusetzen. „Die Bundesregierung setzt bisher allein auf freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen. Doch das ist zu wenig“, sagte die Grünen-Politikerin Renate Künast, die auch Vorsitzende des Verbraucherausschusses ist, dem Tagesspiegel. Ein von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) initiiertes Bündnis mit der Textilwirtschaft zur Durchsetzung besserer Standards habe Näherinnen in Bangladesch bisher nichts gebracht. „Auch die Politik selbst muss handeln und sich auf nationaler und europäischer Ebene für klare Regelungen einsetzen.“ Konkret fordert Künast unter anderem Importverbote für Textilien, die mit gesundheitsschädigenden Chemikalien hergestellt werden, sowie eine europäische Transparenzrichtlinie, die es Konsumenten ermögliche, die Produktionsbedingungen für jedes einzelne T-Shirt zurückzuverfolgen.

Fortschritt beim Textilbündnis

Müller hatte vor einem Jahr einen „Runden Tisch Textilwirtschaft“ organisiert. Er will die deutsche Textilbranche darauf verpflichten, ökologische und soziale Mindeststandards in ihren Produktions- und Lieferketten sicherzustellen. Im Oktober 2014 wurde das Bündnis gegründet, dem sich zunächst aber nur einige Verbände und Unternehmen anschlossen. Wenige Tage vor dem Jahrestag des Unglücks in Bangladesch legte das Bündnis nun einen veränderten Aktionsplan vor. An den Zielen werde festgehalten, betonte Minister Müller am Dienstag in Berlin. Insbesondere mittelständischen Unternehmen wird aber mehr Zeit eingeräumt, diese zu erreichen. Auch können die Unternehmen nicht mehr für Missstände in den Produktionsländern haftbar gemacht werden. Jetzt wollen der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Gesamtverband Textil und Mode ihren Mitgliedsunternehmen ebenfalls einen Beitritt empfehlen.

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