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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Hintergrund.

© picture alliance/dpa/Christian Charisius

Exklusiv

Zweifel an Regierungskommunikation: Darf der Staat heimlicher Informant sein?

Ein neues Bundestagsgutachten stellt eine lange geübte Praxis infrage – dass sich Kanzleramt und Ministerien als Undercover-Quellen für Medien betätigen.

Ein Gutachten aus dem Bundestag weckt Zweifel an der Praxis der Bundesregierung, Auskünfte über ihr Handeln unter dem Schutz der Pressefreiheit als ungenannte Quelle zu erteilen. Demnach könnten sich „nur private Informationsquellen und nicht etwa staatliche Stellen“ auf den grundgesetzlich garantierten Informanten- und Geheimhaltungsschutz berufen, heißt es in der 13-seitigen Untersuchung, die dem Tagesspiegel vorliegt. Ob die Praxis als solche zulässig sei, lässt das Gutachten mangels eindeutiger Rechtsprechung offen.

Neben ihrer öffentlichen Medienarbeit – etwa in Pressekonferenzen oder auf Twitter – pflegen staatliche Stellen in Bund und Ländern auch nicht öffentliche und teils vertrauliche Kontakte zu Journalistinnen und Journalisten, etwa in den so genannten Hintergrundgesprächen. Als Quellen der Berichterstattung in Rundfunk und Presse tauchen die Behörden dann entweder gar nicht auf oder undeutlich als „Regierungskreise“.

„Von der Bundesregierung und nachgeordneten Behörden ausgegebene Informationen müssen überprüfbar sein, ein gewissermaßen regierungsamtliches Unterschlagen der Quelle leistet der gezielten Verbreitung von Fake-News Vorschub“, kritisiert die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen, die das Gutachten in Auftrag gegeben hat.

Es muss wieder ins Bewusstsein gehoben werden, dass Journalismus die Ausübung staatlicher Macht mit kontrollieren sollte.

Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken

In der Berichterstattung der Medien können solche Quellen eine herausgehobene Rolle spielen. Erst kürzlich beklagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), sein Gesetzentwurf zum Verbot von Öl-und Gasheizungen sei – mutmaßlich aus Kreisen beteiligter Ministerien – an die „Bild“-Zeitung „bewusst geleakt worden, um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden“.

Auch Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) steht aktuell in der Kritik, weil er als Informant heimlich Einfluss auf Medien-Berichte zur „Cum Ex“-Steueraffäre genommen haben könnte, in die auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verwickelt ist.  

Für das Publikum ist oft nicht erkennbar, ob Informationen in Medienberichten aus staatlichen Quellen stammen oder nicht. Die Bundesregierung hält ein solches Vorgehen bisher ausdrücklich für zulässig und beruft sich dafür auf die Satzung der Bundespressekonferenz (BPK), eines Vereins von Hauptstadt-Journalisten, sowie auf den im Pressekodex verankerten Informantenschutz.

Der BPK-Satzung zufolge dürfen Regierungsvertreter ihre Informationen „zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden“ oder sogar nur „vertraulich“ weitergeben. „Das Bundeskanzleramt und das Bundespresseamt orientieren sich beim Austausch mit Journalistinnen und Journalisten an der allgemeinen Praxis“, betont ein Regierungssprecher.

In ihrem Gutachten mit dem Titel „Zur Pressearbeit von staatlichen Stellen: Erteilung von Informationen mit der Auflage, nicht als Informationsquelle benannt zu werden“ stellen die Parlamentsjuristen nun klar, dass die BPK-Satzung nicht als Grundlage tauge.

Es handele sich bei der Vorschrift „nicht um verbindliches Recht, auf das sich staatliche Stellen berufen dürften“. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Justiz und Rechtswissenschaft bisher keine „eindeutigen“ Offenlegungs- und Transparenzpflichten in diesem Bereich einforderten, es gebe nur „vereinzelte Stimmen“ dazu.

Eine davon gehört dem Hamburger Rechtswissenschaftler Tobias Mast, der über „Staatsinformationsqualität“ promoviert hat und dessen Begriff von der „Kommunikatorklarheit“ bereits in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitiert wird.

Er sagt, es sei aus „Gründen der Rechtstaatlichkeit und Demokratie wichtig, dass die Bevölkerung erkennt, ob und wo sich staatliche Akteure öffentlich äußern“. Eine „nicht unproblematische Praxis“ stelle es dar, wenn staatliche Stellen in Hintergrundkreisen gezielt auf die journalistische Gestaltung einwirken und dabei die eigene Urheberschaft verschleiern könnten.

Die Linken-Politikerin Dagdelen, zugleich Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, fordert sogar ein Ende der Praxis: „Die Streuung anonymer Informationen aus den Regierungs- oder Sicherheitskreisen über handverlesene Journalisten, die auch noch durch Behörden belohnt werden, ist eine Bedrohung der Pressefreiheit“, sagt sie.

Wenn die Presse als vierte Gewalt Regierungshandeln wirklich kontrollieren wolle, dürfe sie sich nicht in Hintergrundgesprächen einlullen lassen. „Es muss wieder ins Bewusstsein gehoben werden, dass Journalismus die Ausübung staatlicher Macht mit kontrollieren sollte.“

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