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Kontrollinstanz. Die Polizei erfasst alle Flüchtlinge erkennungsdienstlich.

© dpa

Zuzug von Flüchtlingen: Behörden werden langsam wieder Herr der Lage

Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist zuletzt deutlich gesunken. Den Sicherheitsbehörden gelingt deshalb mittlerweile die Erfassung wieder.

Von Frank Jansen

Die Flüchtlingszahlen sinken, doch ein gravierendes Problem bleibt bestehen. Die meisten „Migranten“, wie die Bundespolizei die Einreisenden nennt, haben keinen Ausweis dabei. „Zwischen 75 und 80 Prozent kommen ohne Papiere oder mit gefälschten“, sagt der Sprecher der Bundespolizeidirektion München, Matthias Knott. Die Direktion ist für die deutsch-österreichische Grenze zuständig, die Masse der Flüchtlinge reist weiterhin hier ein. Die Zahl von bis zu 80 Prozent ohne Ausweise oder mit gefälschten betrifft allerdings das gesamte Bundesgebiet.

Demnach sind von den 122750 „Migranten“, die von der Bundespolizei im ersten Halbjahr 2016 beim Grenzübertritt erfasst wurden, etwa 100 000 nach Deutschland gekommen, ohne sich mit einem gültigen Dokument ausweisen zu können.

Die Flüchtlinge mit gefälschten Papieren, eine Minderheit unter den 100000, zeigen laut Bundespolizei vermeintliche Pässe aus Staaten der EU genauso wie aus anderen Ländern vor. „Es gibt einfache Fälschungen und solche, die nur schwer zu erkennen sind“, sagt Knott. Die Beamten der Bundespolizei würden bei speziellen Schulungen mit den Sicherheitsmerkmalen bei Ausweisdokumenten vertraut gemacht.

Laut Knott gingen in diesem Jahr die Flüchtlingszahlen nach dem Februar stark zurück. Im Januar kamen 64 800 „Migranten“, im Februar 37 500, im März dann nur noch 5600. Im April waren es 5450, im Mai 4500. Einen leichten Anstieg gab es im Juni, da stellte die Bundespolizei 4900 Flüchtlinge beim Grenzübertritt fest. Der rapide Rückgang folgte auf die Schließung der Balkanroute. Bei den Nationalitäten der ankommenden „Migranten“ lägen Syrer weiterhin vorne, sagt Knott. Es folgen Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Iran und Nigeria.

Knott betont, inzwischen würden alle Flüchtlinge „polizeilich erkennungsdienstlich“ erfasst. „Wir sind bei 100 Prozent“, sagt der Sprecher, „und das schon seit einigen Monaten.“ So werde unter anderem bei jedem „Migranten“ geprüft, ob er mit einer Straftat aufgefallen sei. Das Problem der nicht erfassten nach Deutschland kommenden Flüchtlinge, das im vergangenen Jahr einige Unruhe verursacht hatte, scheint es also in diesem Jahr nicht mehr zu geben.

An der deutsch-österreichischen Grenze werde im Schnitt 50 bis 60 Flüchtlingen pro Tag die Einreise verweigert, sagt Knott. Das geschehe, wenn „Migranten“ kein „Schutzersuchen“ vorbringen, also auf einen Antrag zur Gewährung von Asyl verzichten. Oder wenn in den Papieren bereits ein Schutzersuchen in Österreich oder einem anderen Land dokumentiert ist.

In Einzelfällen bekam die Bundespolizei bei Flüchtlingen den Verdacht auf terroristische Aktivitäten. „Zum Beispiel, wenn jemand etwas auf dem Handy hat“, sagt Knott. Gemeint sind unter anderem Symbole, die möglicherweise einer Terrororganisation zuzuordnen sind. Die Bundespolizei informiert dann den für politisch motivierte Delikte zuständigen polizeilichen Staatsschutz.

Die europäische Polizeibehörde Europol geht nicht davon aus, dass die Terrormiliz IS und Al Qaida die Flüchtlingsströme systematisch nutzen. Aus Syrien und Irak zurückkehrende Dschihadisten reisten meist mit echten oder gefälschten Pässen in die EU ein. Europol schätzt die Zahl der Rückkehrer auf 1500 bis 1800. Das wäre etwa ein Drittel der 5000 Islamisten aus der EU, die in den Bürgerkrieg gezogen sind. Deutsche Sicherheitskreise betonen, der IS habe die Flüchtlingsströme für den Anschlag in Paris im November genutzt, „um seine Macht zu demonstrieren“. Mehrere Attentäter waren über die Balkanroute nach Frankreich gelangt.

Unterdessen steigt in Deutschland mit den Bluttaten von Würzburg, Reutlingen und Ansbach die Zahl der Tötungsverbrechen, die von Flüchtlingen verübt werden. Das Bundeskriminalamt hatte in einer „Lageübersicht“ für die ersten drei Monate dieses Jahres bereits neun „vollendete Straftaten gegen das Leben“ und 101 Versuche gemeldet. Laut BKA handelte es sich bei den Taten von Januar bis März nicht um politisch motivierte Gewaltverbrechen, sondern um „Allgemeinkriminalität“. In acht Fällen töteten Flüchtlinge andere Flüchtlinge. Ein Opfer war Deutscher. Er wurde mutmaßlich von einem ihm bekannten, in der Bundesrepublik „geduldeten“ Inder umgebracht. Im vergangenen Jahr meldeten die Länderpolizeien dem BKA sogar 28 vollendete und 168 versuchte Tötungsdelikte, die Flüchtlinge verübt hatten.

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