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Gruppenbild nach Heimkehr: die deutschen Soldatinnen und Soldaten, die in Afghanistan waren.

© Axel Heimken / AFP

Zur Kritik am Einsatz am Hindukusch: Afghanistan ist ein Debakel der Politik - nicht des Militärs

Militärisch hätte die EU in Afghanistan schlagkräftiger sein können, sie hat seit 2007 "Battlegroups". Aber die muss auch jemand in Gang setzen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Gerd Appenzeller

Die Politik diskutiert gerne über die wünschenswerte Form der Wolken, weil das der Phantasie mehr Raum lässt als die Lösung naheliegender Problemstellungen. Die Debatte über das westliche Scheitern in Afghanistan ist ein aktuelles Beispiel dafür. Der Westen konnte bekanntlich den Taliban trotz seiner überwältigenden militärischen Schlagkraft nur so lange etwas entgegensetzen, wie die amerikanischen Luft- und Bodenstreitkräfte massiv halfen.

Wenn nun in der Europäischen Union und auch in Deutschland darüber diskutiert wird, welche militärischen Kräfte nötig gewesen wären, um trotz des Rückzugs der USA Positionen in Afghanistan auch nur vorübergehend zu sichern, geht das aber dennoch an der aktuell drängenderen Fragestellung vorbei. Die lautet, was eigentlich politisch hätte geschehen müssen, um das peinliche und fatale Kollabieren der westlichen Präsenz in Afghanistan zu verhindern.

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Militärisch ist Europa auf den schnellen Einsatz militärischer Kräfte für Ad-Hoc-Aktionen nämlich – zumindest theoretisch – durchaus vorbereitet. Es gibt seit 2007 das Prinzip der „Battlegroups“, das Zusammenziehen von 1500 bis 4000 Soldaten als schnelle Eingreiftruppe. Auch die Bundeswehr hat im vergangenen Jahr bewiesen, dass sie logistisch eine solche Mission problemlos bewältigt.

Eingesetzt wurden die Battlegroups nie

Nichts anderes steckt eigentlich hinter der Forderung des US-Außenbeauftragten Josep Borrell nach einer „initial entry group“. Dass die Dominanz der USA in Afghanistan sehr stark auch mit der Präsenz zweier Flugzeugträger im Indischen Ozean verbunden ist, unterschlagen die Europäer bei ihren Gedankenspielen freilich.

Eingesetzt wurden die Battlegroups nie. Dies hätte eines politischen Auftrags bedurft. Dessen zwingende Voraussetzung für jegliche Aktivität des Militärs gilt auch auf der deutschen Ebene. Dass die Evakuierung der deutschen zivilen Mitarbeiter und ihrer afghanischen Hilfskräfte sträflich spät erfolgte, ist nicht der Bundeswehr anzulasten. Die hat immer wieder betont, dass sie mit entsprechendem Vorlauf dazu jederzeit in der Lage gewesen wäre. Nur fehlte dieser Auftrag eben.

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Frankreich hat den Deutschen vorgemacht, wie man bei rechtzeitiger Analyse und Bewertung der Lage sämtliche Kräfte und alle zivilen Mitarbeiter mit ihren Familien geräuschlos aus Afghanistan herausbringt. Etwa, indem man alle früh mit Einreisevisa für Frankreich ausstattet, dafür sorgt, dass sie mit Zivilmaschinen ausreisen können und dass sie in Frankreich mit einem Unterkunftsangebot empfangen werden.

In der Zeit, in der Deutschlands westlichen Nachbarn so Fakten geschaffen haben, mussten die afghanischen Hilfskräfte deutscher Organisationen den Behörden Nachweise über Dauer und Zeitraum ihrer Tätigkeiten liefern, und sich damit herumärgern, dass es dazu nicht einmal einheitliche Bedingungen gab. Der Gipfel der politischen Ignoranz war vermutlich erreicht, als im Juni die Linke und die Grünen im Bundestag mit einem Antrag scheiterten, die Bundesregierung solle sich um eine großzügige Aufnahme der afghanischen Hilfskräfte bemühen. So viel der politischen Blindheit – da konnte kein Militär mehr etwas retten.

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