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Ein weißes Steinkreuz erinnert am Anschlagsort in Hanau-Kesselstadt an Vili-Viorel Paun, der hier am 19. Februar 2020 von dem Rechtsextremisten Tobias R. erschossen worden war.

© Boris Roessler/dpa

BKA-Präsident warnt vor Wiederholung von "Hanau": „Zunehmend allein handelnde Täter, die sich selbst radikalisiert haben“

Ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag in Hanau sieht BKA-Chef Münch eine weiter wachsende Gefahr rechter Hetze. Gerade auch in Zeiten des Lockdowns.

Von Frank Jansen

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, warnt vor weiteren Anschlägen wie in Hanau. Die Polizei habe es „zunehmend mit allein handelnden Tätern zu tun, die sich selbst radikalisiert haben und zum Teil irrational agieren“, sagte Münch im Interview mit dem Tagesspiegel.

Bei dem Tätertyp vermischten sich „Motive und Hintergründe, die von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Frauenfeindlichkeit oder Antisemitismus über krude Verschwörungstheorien bis hin zu psychotischen Störungen reichen“. Sorge bereitet Münch auch der Lockdown, weil noch mehr Menschen im Internet unterwegs seien und „mit Inhalten aus der rechten Meinungsblase“ in Berührung kämen.

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In Hanau hatte am 19. Februar 2020 der Rassist Tobias Rathjen gezielt auf die Besucher von Shisha-Bars gefeuert. Neun Menschen aus Einwandererfamilien starben. Rathjen erschoss danach seine Mutter und sich selbst. Der Täter hatte in einem Manifest die Ausrottung ganzer Völker gefordert, gleichzeitig aber auch wahnhafte Vorstellungen von der Überwachung seiner Person durch Geheimdienste offenbart.

In einem Video hatte Rathjen zudem Verschwörungstheorien geäußert, die denen der US-amerikanischen QAnon-Bewegung ähneln. Demnach tötet eine geheim agierende Elite in Untergrundgefängnissen Kinder, um aus deren Blut ein Verjüngungsmittel zu gewinnen.

BKA-Chef Münch warnte jetzt, auch wenn die Anhängerschaft von QAnon in Deutschland überschaubar sei, sei die Dynamik der Verbreitung solcher kruden Theorien groß. Diese könnten "eine gefährliche Wirkung haben".

Bundesregierung: Anschlag hatte "Deliktqualität Terrorismus"

Unterdessen hat die Bundesregierung jetzt in einer Antwort auf ein schriftliche Frage der Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke den Anschlag von Hanau als Hasskriminalität mit den „Unterthemenfeldern Fremdenfeindlich, Ausländerfeindlich, Islamfeindlich und Rassismus“ sowie der „Deliktqualität Terrorismus“ bezeichnet.

Die Sicherheitsbehörden hatten nach dem Angriff diskutiert, ob die Tat des als psychisch gestört geltenden Tobias Rathjen als rechtsextremistischer Anschlag zu bewerten sei. BKA-Präsident Münch hatte dann im März 2020 dem Tagesspiegel gesagt, Rathjen hatte ein "eindeutig rassistisches Motiv".

Die Linkenpolitikerin Jelpke begrüßte jetzt, dass die Bundesregierung die neun Morde an Menschen aus Einwandererfamilien in Hanau klar als rassistisch und islamfeindlich motivierten Terrorakt einstufe. Eine solche eindeutige Einordnung habe die Regierung lange vermieden, meinte Jelpke.

Sie betonte, es sei höchste Zeit, "antimuslimischen Rassismus mit derselben Entschiedenheit entgegenzutreten wie Antisemitismus". Dies gelte inbesondere, "da die Stichwortgeber der rechten Terroristen längst in den Parlamenten sitzen".

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