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Der Premierminister Tschechiens Andrej Babis, der Slovakei Peter Pellegrini, Ungarns Victor Orban und Polens Mateusz Morawiecki.

© REUTERS/Agencja Gazeta/Slawomir Kaminski

Zum 20. Jahrestag: NATO-Osterweiterung machte Europa friedlicher und stabiler

Polen, Tschechen und Ungarn feiern das Jubiläum. Die Deutschen ignorieren es. Doch wie sähe Europa ohne den Stabilitätsanker der Nato aus? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Eigentlich gäbe es diese Woche richtig was zu feiern: Vor 20 Jahren wurde Europa friedlicher und stabiler. Mit der Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns in die Nato. Mitte März 1999 nahm die neue Sicherheitsarchitektur nach dem Mauerfall Gestalt an. Fünf Jahre später, 2004, traten sieben weitere Länder der Allianz bei und folgte die EU-Osterweiterung. Die großen Gewinner waren die Mitteleuropäer, die gegen ihren Willen dem Ostblock angehört hatten und endlich ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben konnten – und die Bundesrepublik. Nun erst waren die Jahrzehnte, in denen sie der östliche Frontstaat der Allianz war (und die DDR der westliche Frontstaat des Warschauer Pakts) vorbei. Seither ist Deutschland von Verbündeten umzingelt, erstmals seit Jahrhunderten.

Polen, Tschechen und Ungarn feiern diese glückliche Wendung ihrer Geschichte. Die Deutschen ignorieren das Jubiläum. Das lässt nichts Gutes ahnen über den Gemütszustand der Macht im Herzen Europas. In der Sicherheitspolitik herrscht eine Besorgnis erregende Orientierungslosigkeit. Man möchte „strategische Autonomie“ von den USA, aber nicht das nötige Geld ausgeben, damit Europa sich selbst verteidigen kann. Man findet es normal, dass westliche Alliierte ihr Leben riskieren, um die Deutschen zu verteidigen, möchte dieselbe Solidarität aber nicht den Verbündeten im Osten zusichern.

Das erinnert an die neue Unzufriedenheit mit der „Agenda 2010“. Im Grunde wissen alle, dass Rot-Grün damit die Basis für den langen Aufschwung legte und dass Deutschland dank der Reform glimpflich durch die Finanzkrise kam. Mäkeln wollen viele dennoch.

Ein Einwand gegen die Deutung der Nato-Öffnung als Basis der neuen Friedensordnung für Europa liegt auf der Hand: die anhaltenden Konflikte mit Russland. Aber belegen sie, dass die Erweiterung im Rückblick ein Fehler war? Was wäre die Alternative gewesen? Ohne die Verankerung in Nato und EU würden die Staaten zwischen Deutschland und Russland ohne festen Halt in einem „Zwischeneuropa“ treiben. Das hätte Gefahren heraufbeschworen, das belegt die Geschichte.

Die damaligen Staatsmänner Russlands sahen das. Für Michail Gorbatschow war ein in die Nato eingebundenes Deutschland ein geringeres Risiko als ein ungebundenes Deutschland. Er stimmte auch 1990 in der Charta von Paris dem Prinzip zu, dass jedes Land ein Recht auf freie Bündniswahl hat. Es ist Legendenbildung, wenn heute einige behaupten, westliche Politiker hätten Russland versprochen, dass die Nato niemals nach Osten erweitert werde; sie hätten ihr Wort gebrochen; das sei der Grund für Moskaus aggressives Verhalten.

Ein Blick auf die Karte der Konflikte in Europa belegt das Gegenteil: Wo die Nato ist, herrscht Frieden; wo sie fehlt, droht Krieg. Georgien und der Ukraine hat sie 2008 keine Beitrittsperspektive gegeben; dort stehen russische Besatzungstruppen. Die neuen Nato-Staaten vom Baltikum bis nach Bulgarien sind hingegen sicherheitspolitisch stabil. Moskaus friedensbrechendes Verhalten ist nicht das Produkt westlicher Fehler. Es sind russische Entscheidungen.

Das Europäische Parlament hat deshalb mit großer Mehrheit beschlossen, Russland nicht mehr als Partner zu betrachten und nur noch punktuell zu kooperieren. Auch da tun sich die Deutschen schwerer. Nur: Was spricht dafür, dass ihr Urteil sicherer ist als das der meisten anderen Europäer?

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