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Briten in Afghanistan: Zügig zurück

Die britische Regierung will mit einer neuen Strategie den Militäreinsatz in Afghanistan begrenzen. Distrikt für Distrikt soll bald wieder afghanisch kontrolliert werden.

Vor einem Jahr noch sprachen britische Generalstäbler von einem „Jahrzehnte“ dauernden Engagement in Afghanistan. Nun hat der britische Premier Gordon Brown zum ersten Mal einen konkreten Zeitplan für den Rückzug der Nato-Truppen gefordert. Außenminister David Miliband versicherte auf der Nato-Parlamentariersammlung in Edinburgh: „Afghanistan ist kein Krieg ohne Ende“. Plötzlich bestimmt das Wort „Handover“ die Afghanistandebatte: Gemeint ist damit die Übergabe von Provinzen in die Verantwortung afghanischer Streitkräfte und die Beschränkung der Nato-Kräfte auf reine Ausbildungsaufgaben – vergleichbar der auch im Irak verfolgten Exitstrategie.

Mit einer deutlichen politischen Akzentverschiebung forderte Premier Gordon Brown in der jährlichen außenpolitischen Grundsatzrede im Mansion House am Dienstag nicht nur einen Zeitplan, sondern den Beginn des „Handovers“ noch im nächsten Jahr. Bisher war dies frühestens für 2011 in Aussicht gestellt worden.

Brown bot London als Austragungsort der UN-Afghanistankonferenz im Januar an. Auf die Tagesordnung will er die Debatte über eine politische Strategie setzen, die die militärischen Ziele neu definieren soll: „Die Konferenz soll den Prozess bestimmen, mit dem Distrikt für Distrikt in die volle afghanische Kontrolle übergeben werden, möglichst mit einem Zeitplan, nach dem die Übergabe 2010 beginnt“, sagte der Premierminister.

Die Downing Street bestritt, man wolle eine „Exit-Konferenz“ veranstalten – doch verlautete auch, dass das „Handover“ in den friedlichsten Provinzen bereits Mitte des kommenden Jahres beginnen könne. Der gesamte Prozess könne innerhalb von fünf Jahren beendet sein.

Brown steht im beginnenden Wahlkampf unter Druck, Termine für den Beginn eines Truppenabzugs zu nennen. Mehr als 230 britische Soldaten sind seit 2001 in Afghanistan gefallen, davon mehr als hundert im vergangenen Jahr. Wegen dieser Opfer und der Auseinandersetzungen um die Wiederwahl von Präsident Hamid Karsai hat der Krieg die Unterstützung der meisten Briten verloren: 73 Prozent fordern in Umfragen den Beginn des Truppenabzugs im nächsten Jahr.

Brown muss diesen innenpolitischen Druck mit Großbritanniens strategischen Zielen abstimmen – Kampf gegen Al Qaida, Partnerschaft mit den USA und Bündnistreue in der Nato. Großbritannien werde Afghanistan nicht im Stich lassen und die Rückkehr von Al Qaida und Dschihadisten verhindern, sagte Brown. Außenminister Miliband ergänzte: „Wir müssen sicher sein, dass wir nach dem Abzug nicht wiederkommen müssen.“

Er nannte drei zentrale Punkte der Strategie: Man will weniger auf die Zentralregierung von Karsai setzen und Lokalregierungen besser fördern. Moderate Taliban sollen – auch durch Finanzanreize – wieder integriert werden und die Unterstützung für Pakistan als Frontstaat gegen Al Qaida und Taliban soll verstärkt werden.

Der Wechsel von der aggressiven militärischen zu einer smarteren, von politischen Zielen her definierten Strategie wird seit längerem debattiert. Britische Streitkräfte, die in der Talibanprovinz Helmand eingesetzt sind, haben bereits signalisiert, dass sie periphere Posten aufgeben und sich auf den Schutz und Aufbau der Bevölkerungszentren der Provinz konzentrieren wollen.

Die Briten sind sicher, dass ihre Strategie auf der Linie liegt, die US-Präsident Obama vorgeben wird, wenn er nach seiner Rückkehr aus Asien seine Afghanistanstrategie vorlegt. London erwartet, dass die von Isaf-Kommandeur General McChrystal geforderte Aufstockung der Truppen um rund 40 000 Soldaten bewilligt wird. Brown selbst hat bereits 500 zusätzliche Soldaten bewilligt, die Ende November abmarschbereit sein sollen.

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